Überleben im Notfall
Der Zivilschutz wurde in Deutschland lange vernachlässigt – Wie Bürger sich dennoch auf mögliche Katastrophen vorbereiten können
- Wie viel Wasser sollte eine Familie auf Lager haben und wie viel Toilettenpapier stapeln? Diese Fragen stellen sich wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine viele Menschen in Deutschland. Die Angst vor einem Krisenfall ist groß, wie die hohe Zahl an Nachfragen beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) belegt. Allein auf Hilfe vom Staat sollte sich die Bevölkerung allerdings nicht verlassen. Hier die wichtigsten Antworten zum Thema.
Wie steht es um den Zivilschutz in Deutschland?
Bund und Kommunen sind sich einig: Der Zivilschutz wurde vernachlässigt, und es braucht viel Geld, um die Defizite zu beheben. Das BBK spricht von Investitionen in Milliardenhöhe, die notwendig seien zum Schutz der Bevölkerung. Die Kommunen kritisieren, dass Deutschland auf lang andauernde Krisenlagen nur bedingt vorbereitet sei. Dringend erforderlich seien etwa Abc-schutzmasken und ausreichend Notstromaggregate für Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Wasserwerke, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städteund Gemeindebundes. Zudem müsse die Trinkwassernotversorgung so gefördert werden, dass sie für mindestens 72 Stunden reicht.
Sinnvoller Vorrat oder irrationaler Hamsterkauf?
Vorräte sind sinnvoll. Das sagen im Grunde alle, die mit Bevölkerungsschutz und Krisensituationen zu tun haben – auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Das gilt nicht nur für den Fall der Fälle, falls Deutschland tatsächlich von einem anderen Land militärisch angegriffen würde, das gilt auch für Stromausfälle beispielsweise nach Cyberattacken und Naturkatastrophen wie das Hochwasser im vergangenen Jahr. Wer sich vorbereiten will, sollte sich einen Campingurlaub ohne Strom- und Wasseranschluss sowie Lebensmittelladen vorstellen und entsprechend einlagern.
Was und wie viel ist sinnvoll?
Einen Vorrat für zehn Tage empfiehlt das BBK. Beispielsweise 20 Liter Wasser pro Person und je mehrere Kilogramm Getreide, Gemüse, Milchprodukte, Obst und Fleisch. Auf einer
Checkliste, die das Bundesamt im Internet veröffentlicht, ist detailliert beschrieben, welche Produkte in welchen Mengen sinnvoll sind. Auch Hausapotheke, Campingkocher, batteriebetriebene Rundfunkgeräte und die wichtigsten Dokumente gehören laut BBK zur Vorbereitung.
Wo sollten die Vorräte aufbewahrt werden?
des täglichen Bedarfs zu trennen, hält das BBK nichts – „denn wenn kein entsprechender Notfall eintritt, bleiben die Lebensmittel ungenutzt und verderben“. Menschen, die wenig Platz in ihrer Wohnung haben, rät das BBK zu „kreativen Ansätzen, Stauraum zu nutzen“. Getränkekästen könnten zu Hockern oder Tischen umfunktioniert werden. „Im Internet gibt es viele Bastelideen zum Selbermachen, es können aber auch entsprechende Auflagen gekauft werden“, teilt eine Bbk-sprecherin mit. Und: Ein Vorrat für drei bis vier Tage sei hilfreicher und besser als gar keiner. Trinkwasser sollte dabei an erster Stelle stehen, weil der Mensch sehr viel länger ohne Essen als ohne Wasser auskommt.
Wo finden Menschen Schutz, wenn Deutschland militärisch angegriffen werden sollte?
Mit Sicherheit nicht in öffentlichen Schutzräumen. Die wurden seit dem Jahr 2007 aufgegeben, weil das Risiko eines Krieges in Deutschland als zu gering schien. Die Rückabwicklung der noch vorhandenen Schutzräume wurde vom Bundesinnenministerium nun „bis auf Weiteres“ausgesetzt, zugleich wird in einer Bestandsaufnahme geklärt, in welchem Zustand die verbliebenen sind. Von ursprünglich rund 2000 öffentlichen
Schutzräumen sind bundesweit 599 übrig geblieben, in denen theoretisch rund 488 000 Menschen Platz hätten. Immerhin ist die Bausubstanz in Deutschland so solide, dass laut Ministerin Faeser auch Keller, Tiefgaragen und U-bahnstationen einen gewissen Schutz bieten. Angesichts „geänderter Angriffsszenarien“bedürfe es allerdings neuer Konzepte „für den physischen Schutz der Bevölkerung“, so das Bundesinnenministerium. Faeser kündigte im „Handelsblatt“an, die Bausubstanz von Gebäuden verstärken zu wollen.
Es gibt Befürchtungen, der russische Präsident Putin könnte Atomwaffen einsetzen. Was schützt bei einem Atomangriff?
Derzeit halten viele Beobachter dieses Szenario für unwahrscheinlich, ganz ausschließen wollen sie es aber nicht. Wenn es dazu käme, empfiehlt das BBK, schnell Schutz in einem Gebäude zu suchen – am besten im Erdgeschoss oder in einem Keller. Denn ionisierende Strahlung wird durch das Mauerwerk abgeschwächt. Deshalb sollte der Raum am besten auch keine Fenster haben. Ventilatoren und Klimaanlagen sollten abgeschaltet und Lüftungsschlitze geschlossen werden. Jodtabletten sollten erst eingenommen werden, wenn Behörden es anweisen. Denn für die Schutzwirkung der Tabletten ist der Zeitpunkt der Einnahme entscheidend.
Funktionieren die Warnsysteme ?
Da gibt es Luft nach oben, wie der Warntag im Jahr 2020 gezeigt hat. Sirenen wurden in den vergangenen Jahren abgebaut, die digitalen Helferlein konnten sie bislang nicht ersetzen. Das BBK unterstützt deshalb die Länder finanziell beim Ausbau einer Warninfrastruktur. Dazu gehören neben Sirenen und Warn-apps auch „Cell Broadcast“– die Warnung aller Bürger via Handynachrichten in einer Funkzelle. Der Bund habe viel für einen guten Warnmix getan, räumt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städteund Gemeindebundes, ein. Die Rückmeldungen aus den Kommunen zeigten jedoch, „dass etwa zur Ertüchtigung der Sirenen viel mehr Mittel benötigt werden“.
Informationen zur Notfall-vorsorge finden sich im Internet unter
und unter