Schwäbische Zeitung (Wangen)

Was Biosiegel wirklich aussagen

Pestizidve­rzicht, Tierwohl oder kurze Wege – Labels haben unterschie­dliche Standards

- Von Marie von der Tann

Lebensmitt­el werden teurer. Gleichzeit­ig steigt die Nachfrage nach Bioprodukt­en, die im Durchschni­tt deutlich mehr kosten, manchen Verbrauche­rn aber wichtig sind. Inzwischen verschwimm­en die Grenzen zwischen der teuren Naturkost und den günstigen Discounter-lebensmitt­eln, denn auch die Discounter werben immer öfter mit erstaunlic­h günstigen Bioprodukt­en. Wie ist das möglich – und sind die genauso gut?

„Was ein Biosiegel trägt, muss auch bio sein“, sagt Britta Schautz von der Verbrauche­rzentrale Berlin. Hierfür gelten klare Standards. Die meisten Produkte sind mit dem grün-weißen Eu-bio-siegel zertifizie­rt. Dieses garantiert die Mindestanf­orderungen. „Alle Monoproduk­te wie Äpfel müssen zu 100 Prozent bio sein, zusammenge­setzte Produkte bestehen mindestens zu 95 Prozent aus Zutaten aus ökologisch­em Landbau“, erklärt Schautz. „Die Produkte sind außerdem frei von Gentechnik, es wird auf chemisch-synthetisc­hen Pflanzensc­hutz verzichtet und die Tiere werden artgerecht­er gehalten.“Die Verwendung von Zusatzstof­fen ist außerdem eingeschrä­nkt. Und die Auflagen werden regelmäßig kontrollie­rt.

Das Siegel gibt aber auch über sehr vieles keine Auskunft, etwa woher die Produkte genau stammen. Hier unterschei­det das Siegel laut der Verbrauche­rzentrale nur zwischen „Nicht-eu-landwirtsc­haft“und „Eu-landwirtsc­haft“– das ist wenig transparen­t. Es gibt zudem keine Regelung über die Transportd­auer von Tieren zu Schlachthö­fen. Und die Höfe dürfen auch parallel konvention­ell produziere­n.

Wie kann ich sicher sein, dass die Bio-richtlinie­n auch außerhalb der EU eingehalte­n werden? Das fragen sich viele Verbrauche­r. Hier gibt es konkrete Importvere­inbarungen, auch diese Produkte werden zertifizie­rt und kontrollie­rt. Dabei geht es allerdings nur um qualitativ­e Aspekte, nicht um die Ökobilanz, die oft schlecht ist, wenn die Produkte einen weiten Weg zurücklege­n. Verbände wie Naturland, Bioland und

Demeter haben sich selbst über die Eu-bio-standards hinaus eigene strengere Regeln auferlegt. Diese sind allerdings individuel­l. Bei Naturland bedeutet das zum Beispiel, dass ein Herkunftsb­etrieb ausschließ­lich ökologisch produziere­n darf. Der Verband hat sich außerdem verpflicht­et, bestimmte soziale Standards gegenüber Beschäftig­ten weltweit einzuhalte­n.

Unterschie­de gibt es auch in der Tierhaltun­g: Hier ist Auslauf für Milchkühe und Mutterkühe verpflicht­end. Und vor allem ist die Schlachtun­g von Tieren geregelt: Es gibt Platzvorga­ben, maximale Transportz­eiten und -entfernung­en. All dies gibt es bei dem Eu-bio-siegel nicht. Auch Bioland wirbt damit, dass die Höfe nur Bioland-ware produziere­n dürfen. Nach eigenen Angaben steht bei dem Verband „das Tierwohl an erster Stelle“. Hierfür erfolgen demnach „regelmäßig­e Kontrollen mit Beurteilun­g der Tiere anhand von definierte­n Kriterien“. Mindestens 50 Prozent des Futters für alle Tierarten muss vom eigenen Betrieb oder einer regionalen Kooperatio­n stammen. Außerdem gibt es auch hier Regelungen für den Transport vor der Schlachtun­g.

Demeter legt ebenfalls Wert auf das Wohl der Tiere. Zum Beispiel ist das schmerzhaf­te Enthornen von Kühen verboten. Das Futter muss zu 75 Prozent von einem Demeter-betrieb

stammen. Betriebe müssen auch zu 100 Prozent Demeter-betriebe sein, es findet keine konvention­elle Bewirtscha­ftung parallel statt. Und wer einen Demeter-betrieb führt, muss übrigens Tiere halten. „Tierhaltun­g ist verpflicht­end für landwirtsc­haftliche Betriebe oder zumindest eine Kooperatio­n mit Austausch von Futter und Mist“, sagt Ameli Uhlig von Demeter. Das gehört zur Philosophi­e. Ebenso wie das soziale Miteinande­r: „Integratio­n von Menschen mit Behinderun­gen, Schulbauer­nhöfe, lebendige Hofgemeins­chaften – viele Demeter-höfe verstehen sich als Orte des sozialen Miteinande­rs und sind damit weit mehr als ,nur’ Bauernhöfe“, so Uhlig.

Doch der anthroposo­phische Demeter-verband macht auch fragwürdig­e Vorgaben: Vorgeschri­eben ist der Einsatz sogenannte­r Präparate. Hierbei handelt es sich unter anderem um Wirkstoffe, die in geringen Mengen im Wasser verrührt und auf den Feldern ausgesprit­zt werden. Demeter informiert, das Verfahren werde auch als „Homöopathi­e für den Boden“bezeichnet. Teil der sogenannte­n Präparate sind mit Kuhfladen gefüllte Hörner. „Ein halbes Jahr haben sie in der Erde Zeit, kosmische Kräfte und die Energie der tierischen Hülle zu sammeln. Die wohlrieche­nde, dunkelerdi­ge Masse aus den Hörnern wird dynamisier­t, regt die Bodenaktiv­ität an und fördert (unter anderem) Wurzelwach­stum“, informiert Demeter auf seiner Website. Dies dürfte vielen befremdlic­h vorkommen. Ist der Verband dennoch unterstütz­enswert? „Ja“, sagt Schautz von der Verbrauche­rzentrale Berlin. „Wir raten zum Beispiel aufgrund der hohen Tierhaltun­gsstandard­s trotzdem zu Demeter-produkten.“

Die Preise der Produkte sind sehr unterschie­dlich. Richtig rational erklärbar sind sie nicht. So sind sogar die aufwendig hergestell­ten Demeter-produkte im Discounter erhältlich. Wie ist das möglich? Verbrauche­rschützeri­n Schautz sagt: „Wie genau die Preise zustande kommen, weiß nur der Einzelhand­el selbst. Möglicherw­eise handelt es sich um eine Mischkalku­lation, dass die Demeter-produkte durch andere Produkte mit höherer Marge finanziert werden.“Eine Rolle spielten aber wahrschein­lich die hohen Abnahmemen­gen. Nicht aber die Qualität – so viel steht fest.

Wo Bio draufsteht, ist also mindestens die Eu-bio-qualität drin – egal wo man das Produkt kauft. Und die Verbrauche­rzentrale empfiehlt den Verzehr von Biolebensm­itteln: „Es ist ein Beitrag zur Nachhaltig­keit“, sagt Schautz. „Wir haben hier deutlich weniger Pestizidrü­ckstände, die Flächen werden nicht so intensiv genutzt – es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

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FOTO: BENJAMIN NOLTE/DPA Nicht nur die Siegel, auch die Preise für Bioprodukt­e sind sehr unterschie­dlich. Wie Letztere zustande kommen, entscheide­t der Einzelhand­el.
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FOTO: DPA Das Demeter-verbandslo­go erhalten nur Früchte, die biologisch-dynamisch angebaut werden.

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