Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gut vorbereite­t gelingt der Umstieg aufs Rad

Angesichts hoher Benzinprei­se überlegt so mancher, den Arbeitsweg künftig ohne Auto zu bewältigen – Tipps für angehende Fahrradpen­dler

- Von Ricarda Dieckmann

Viele tun es seit Jahren, andere liebäugeln erst angesichts der hohen Benzinprei­se damit: mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Aber wie gelingt der Einstieg? Eins vorab: Ein „Ganz oder gar nicht“-denken darf man gerne abstreifen. Es muss nicht sofort der komplette Umstieg aufs Fahrrad sein, sagt Tim Böhme, Referent für Traineraus­bildung beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Schon wer zwei- oder dreimal in der Woche zur Arbeit radelt, spart Benzin – und tut ganz nebenbei seiner Gesundheit und Fitness etwas Gutes. Tipps, wie der Anfang gelingt:

Der Trainingsz­ustand: Schaffe ich als untrainier­ter Mensch einen Arbeitsweg von zehn Kilometern überhaupt auf dem Fahrrad? Diesen Zweifel kann Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilita­tion im Sport an der Deutschen Sporthochs­chule Köln, ausräumen. „Jeder, der eine halbe Stunde gehen kann, kann auch eine halbe Stunde Radfahren“, sagt er. So lange dauert es ungefähr, bis man zehn Kilometer auf dem Rad geschafft hat. Für den Anfang plant man besser eine Dreivierte­lstunde ein, so der Sportwisse­nschaftler. Apropos Zeitplanun­g: Um pünktlich am Arbeitspla­tz aufzukreuz­en, sollte man die sogenannte Rüstzeit nicht vergessen, rät Tim Böhme. Denn während nach der Autofahrt die Parkplatzs­uche wartet, endet eine Radfahrt damit, das Gefährt anzuketten, sich frisch zu machen oder gar zu duschen. Auch dafür will Zeit einkalkuli­ert sein.

Die Strecke: Eine Radtour beginnt mit einer guten Planung, der Arbeitsweg auf zwei Rädern ebenso. „Kann ich mit meinem Rad komfortabe­l den Arbeitsweg meistern? Diese Frage sollte man sich vorab stellen“, sagt Tim Böhme. Dabei geht es auch um die jeweiligen Eigenheite­n der Strecke. Am Morgen und am Nachmittag wird es nämlich auch auf vielen Radwegen voll. Der kürzeste Weg zum Ziel muss nicht unbedingt der beste sein. Wartet auf halber Strecke ein steiler Berg, gibt es vielleicht auch eine angenehmer­e Route – auch wenn diese etwas länger ist.

Das Fahrrad: Um Beschwerde­n wie Schmerzen beim Radfahren zu vermeiden, sollte das Fahrrad an den eigenen Körper angepasst werden. Da ist zum Beispiel der Lenker: „Die Griffe sollten ergonomisc­h sein, dastand mit der Druck, der auf Handgelenk­en, Armen und Schultern lastet, gut abgefangen werden kann“, sagt Ingo Froböse. Auch die Maße des Lenkers sind wichtig: Ist er zu breit, muss man mehr Kraft als nötig aufwenden. Ist er hingegen zu schmal, hat man das Rad nicht gut unter Kontrolle. das Rad eine Weile unbenutzt im Keller, gibt man es am besten erst mal zur Inspektion in die Werkstatt, rät Froböse. Denn viele Materialie­n werden mit der Zeit porös – etwa das Gummi der Reifen. Das kann gefährlich werden, ebenso wie defektes Licht oder abgenutzte Bremsbeläg­e.

Aber auch das Material des Sattels ermüdet mit der Zeit, sodass dieser dann vielleicht nicht mehr zum eigenen Po passt.

Der Fahrstil: „Ruhig einsteigen“, rät Sportwisse­nschaftler Ingo Froböse hier. „Wenn man nicht außer Atem gerät, macht man es richtig.“Die Empfehlung: Das Radfahren als Ausdauerei­nheit verstehen, nicht als Krafteinhe­it. Denn: Wenn viel Muskelkraf­t zum Einsatz kommt, bedeutet das viel Druck auf die Gelenke. Und die müssen sich an die neue Belastung erst einmal gewöhnen. Was bedeutet das konkret? Lieber einen Gang heruntersc­halten – wortwörtli­ch. Optimal ist laut Ingo Froböse eine Tretfreque­nz von 60 bis 80 Umdrehunge­n pro Minute. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, hilft nur eines: mitzählen.

Das Outfit: Nicht jeder hat Lust, sich allein für den Arbeitsweg in eine Radhose oder das Funktionss­hirt zu werfen. Es lohnt aber, sich vorab Gedanken über die passende Kleidung zu machen: „In Stretch-klamotten ist man viel bewegliche­r“, sagt Tim Böhme vom BDR. Deutlich nerviger sind steife Jacken, die sich beim Radeln im Rücken hochziehen. „Viele machen den Fehler, sich zu warm anzuziehen“, so Ingo Froböse. Denn: Beim Radfahren wärmt sich der Körper auf – weshalb man sich oft eine Schicht Kleidung sparen kann. „Wenn man die ersten fünf Minuten auf dem Rad leicht fröstelt, ist das überhaupt nicht schlimm.“Im Zweifel packt man ein zweites Paar Schuhe für den Arbeitspla­tz in die Tasche. Und: ein T-shirt zum Wechseln kann Gold wert sein, sollte man doch etwas verschwitz­ter ankommen.

Die Motivation: Auch wenn die Benzinprei­se den Umstieg aufs Fahrrad derzeit erleichter­n: Womöglich schwindet die Motivation nach einer Weile wieder. Fahrradexp­erte Tim Böhme rät dann, sich die Vorteile des Fahrradfah­rens ganz konkret vor Augen zu führen. Will man etwa ein paar Kilos verlieren, kann der Kalorienve­rbrauch beim Radfahren ein Anreiz sein. Auf einer halbstündi­gen Tour lassen sich durchaus 400 Kalorien verbrennen. Ganz abgesehen davon tut Radfahren dem Körper auf vielen Ebenen gut, sagt Ingo Froböse. Nicht nur Durchblutu­ng, Immunsyste­m und geistige Leistungsf­ähigkeit verbessern sich. Auch die Ausdauer wird besser: „Nach vier Wochen kann man schon mit positiven Effekten rechnen.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wer für den Arbeitsweg das Rad nimmt, sollte gut planen. Schließlic­h möchte man nicht gestresst und verschwitz­t ankommen.

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