Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die rostende Zeitbombe im Roten Meer

Vor Jemens Küste schwimmt ein maroder Öltanker – Eine ökologisch­e Katastroph­e droht

- Von Johannes Sadek

(dpa) - Der Tanker wirkt gespenstis­ch. Verwahrlos­t schwimmt der 350 Meter lange Koloss vor der Küste des Jemen, Rost hat sich in den rotbraunen Stahl gefressen. Im Inneren der Safer: 1,1 Millionen Barrel Rohöl und damit eine Menge, die das Rote Meer und seine Küsten bei einem Leck oder Unfall über Hunderte Kilometer mit schwarzem Schlick überziehen könnte. Mit einer Konferenz am Mittwoch versuchen die Vereinten Nationen im Wettlauf gegen die Zeit, eine drohende Umweltkata­strophe noch zu verhindern.

Der Tanker war im Jemen seit den 1980er-jahren eigentlich als fest ankernde, schwimmend­e Lagereinhe­it (FSO) im Einsatz. Er speicherte Öl, das über eine Pipeline von Feldern im Landesinne­ren kam und dann exportiert wurde. Aber nachdem der Jemen 2015 in einem Bürgerkrie­g versank, wurden Produktion und Export gestoppt. Die staatliche Ölfirma SEPOC stellte die teure Wartung ein, 2016 wurde die Safer außer Dienst gestellt – mit 1,1 Millionen Barrel Öl an Bord.

Inzwischen hat sich das 45 Jahre alte Schiff mit seiner Ladung in eine ökologisch­e Zeitbombe verwandelt. Das „Risiko einer massiven Ölpest“stehe unmittelba­r bevor, warnte der Un-nothilfeko­ordinator für den Jemen, David Gressly. Er sagt eine „massive Katastroph­e“für Umwelt und Menschen voraus rund um ein Land, das mit den Folgen eines jahrelange­n Bürgerkrie­gs kämpft.

Am Mittwoch sammelten die UN gemeinsam mit den Niederland­en bei einer Geberkonfe­renz Geld, um die Krise noch abzuwenden. „Wir müssen jetzt handeln“, sagte Kitack Lim, Generalsek­retär der Weltschiff­fahrtsorga­nisation IMO. „Es ist jetzt an der Zeit. Die Risiken sind hoch.“

Die UN schätzen die Kosten für die Rettung auf 144 Millionen Dollar (136 Mio. Euro). 80 Millionen Dollar (etwa 76 Mio. Euro) wären nötig, um das Öl aus der Safer über mehrere Monate in ein anderes Schiff zu pumpen. Der alternde Tanker würde dann in eine Werft geschleppt und verkauft. Nach vielen Warnungen und Verzögerun­gen auch wegen des Konflikts kommt Bewegung in den Rettungspl­an: Die Huthi-rebellen, die nahe liegende Häfen seit ihrem Vormarsch im Jemen kontrollie­ren, stimmten dem Un-vorschlag grundsätzl­ich zu.

Die Zeit drängt. Rost und die verschlepp­te Wartung könnten jederzeit zu Öllecks führen, oder das in den Tanks angesammel­te Gas könnte sich entzünden und eine Explosion samt Großfeuer verursache­n. Es würde dann etwa eine Woche dauern, bis der Ölteppich die Küsten erreicht. Die ohnehin leidende Fischerei, Lebensgrun­dlage für 1,7 Millionen Menschen, wäre vorerst am Ende, verdreckte Entsalzung­sanlagen würden die Wasservers­orgung gefährden. Die wichtigen Häfen Hudaida und Salif müssten wohl Monate schließen. Auch das wäre verheerend für das Land, das 90 Prozent seiner Lebensmitt­el importiert.

Umweltschü­tzer erinnern an die Ölkatastro­phe mit dem Tanker Exxon Valdez vor Alaska 1989. Im Fall der Safer könnte nun bis zu vier Mal so viel Öl austreten. Die Organisati­on Greenpeace sagt ein dramatisch­es Szenario voraus für Tiere, Pflanzen und Korallen im Roten Meer. Das Analysepro­jekt ACAPS schätzt, dass bei einem Brand auf der Safer 500 Quadratkil­ometer Agrarfläch­en verunreini­gt würden. Ruß würde Papaya-, Zitrus- und Mangofrüch­te bedecken und Ernten von Mais, Tomaten oder Süßkartoff­eln gefährden.

Säuberungs­arbeiten nach solch einer Katastroph­e mit Kosten von rund 20 Milliarden Dollar (18,9 Mrd. Euro) könnte der Jemen sich niemals leisten. Ein Ölteppich bis hoch nach Saudi-arabien und zur anderen Seite der Meerenge Bab al-mandab könnte noch ganz andere Folgen haben: Die wichtige Schifffahr­tsstrecke und Zufahrt zum Suezkanal müsste womöglich geschlosse­n werden. Für Logistik und Handel wäre es eine dramatisch­e Neuauflage des Falls Ever Given – das Containers­chiff, das tagelang den Suezkanal blockierte. Durch die Wasserstra­ße laufen täglich zwölf Prozent des weltweiten Handels.

 ?? FOTOS (2): UMWELTORG. HOLM AKHDAR/DPA ?? Der verwahrlos­te Öltanker Safer liegt seit Jahren vor der Küste Jemens. Im Inneren des Tankers befinden sich 1,1 Millionen Barrel Rohöl und damit eine Menge, um eine Umweltkata­strophe am Roten Meer und seinen Küsten zu verursache­n.
FOTOS (2): UMWELTORG. HOLM AKHDAR/DPA Der verwahrlos­te Öltanker Safer liegt seit Jahren vor der Küste Jemens. Im Inneren des Tankers befinden sich 1,1 Millionen Barrel Rohöl und damit eine Menge, um eine Umweltkata­strophe am Roten Meer und seinen Küsten zu verursache­n.
 ?? ?? Rost hat sich in den Stahl des Öltankers Safer gefressen.
Rost hat sich in den Stahl des Öltankers Safer gefressen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany