Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bunte Quilts im Comptoirge­bäude

Originalst­offe kommen als textile Bilder zurück in die ehemalige Baumwollsp­innerei

- Von Paulina Stumm

- Wenn am kommenden Wochenende das Comptoirge­bäude beim Erba-kamin seine Türen öffnet, wird darin so mancher Besucher möglicherw­eise zweimal hinschauen: Dort werden anlässlich des zehnjährig­en Jubiläums des Erba-museumsver­eins Stoffkunst­werke aus original Erba-stoffen ausgestell­t – in Patchworkt­echnik hergestell­t von den Schwungrad­quilterinn­en um Künstlerin Verena Mathes. Zur Verfügung gestellt haben die Ausgangsst­offe Wangener und Wangenerin­nen, die noch Stoffreste bei sich zu Hause lagerten. Und wer nicht seine eigenen Stoffe wieder entdeckt, der erkennt vielleicht den Stoff vom Tischtuch der Oma oder der Bluse der Tante in den textilen Bildern wieder.

Zehn Jahre gibt es ihn bereits, den Fördervere­in Erba-museum, der die Erinnerung an die ehemalige Baumwollsp­innerei und -weberei in Wangen wach hält. Im Juli 2012 wurde er mit 17 Mitglieder­n gegründet. Angeregt hatte die Gründung seinerzeit, rund 20 Jahre nach dem Konkurs der Spinnerei, der Altstadt- und Museumsver­ein, der 2011 eine Erba-ausstellun­g in der Alten Spinnerei organisier­t hatte. Hermann Schneller, damals Ortsheimat­pfleger der Stadt, nahm sich der Idee an und wurde der erste Vorsitzend­e des Museumsver­eins, der ehemaligen Mitarbeite­nden und Freunden der Wangener Industrieg­eschichte eine Heimat bot.

Helga Mayer, heute Vorsitzend­e des Vereins, freut sich, dass sich unter den aktuell 70 Mitglieder­n auch einige der Investoren und Architekte­n befinden, die dieser Tage der ehemaligen Industrieb­rache neues Leben einhauchen. „Ich bin froh über deren Interesse, Dinge aufzubewah­ren und wieder sichtbar zu machen“, sagt Mayer. Sie hofft, dass so die „Erba auf Schritt und Tritt“wiederzuer­kennen sein wird.

Jüngst ist der Verein mit seiner Sammlung von Erba-gegenständ­en – wieder einmal – umgezogen, nun aus der Alten Spinnerei in neue Räume in der Alten Schmiede. Dort allerdings fehlt es noch an einem neuen Konzept, wie Garnrollen, Stoffe, Webstuhl und Co. präsentier­t werden sollen. Was auch damit zu tun hat, dass diese „Zeitzeugen der Erbageschi­chte“Teil einer Ausstellun­g während der Landesgart­enschau (LGS) werden könnten. Irina Leist wird diese im Auftrag der Landesgart­enschau Gmbh kuratieren, der Museumsver­ein beteiligt sich an der Konzeption. Noch ist nicht klar, wie genau die Ausstellun­g, die auch die Wechselbez­iehung zwischen Stadt und Erba in den Blick nehmen werde, aussehen wird. „Aber es wird eine völlig andere Ausstellun­g sein, als das, was wir bislang hatten“, sagt Mayer, denn sie werde sich nicht vornehmlic­h an ehemalige Erba-leute richten, sondern an alle Gartenscha­ubesucher.

Die Ausstellun­g zum Jubiläum verlegt der Verein daher ins Comptoir-gebäude. Dabei greift er eine Aktion aus dem Jahr 2018 auf. Seinerzeit waren die „Schwungrad­quilterinn­en“, eine Gruppe von zwölf handarbeit­saffinen Frauen aus dem Raum Wangen, auf der Suche nach Erba-stoffen auf den Verein zugegangen. Ein Aufruf in der Zeitung, original Erba-stoffe zur Verfügung zu stellen, ließ seinerzeit das Telefon von Helga Mayer nicht mehr still stehen. Nicht nur ehemalige Erba-mitarbeite­nde hatten noch Stoffe. In so manchem Haushalt fanden sich noch sogenannte „Puppenlapp­en“-pakete aus dem damaligen Werksverka­uf, Stoffreste in Überraschu­ngsbündeln, „mitunter nur noch für Puppenklei­der

zu gebrauchen, manchmal aber hat es auch noch für eine Bluse gereicht“, sagt Mayer.

Nun also ziehen diese alten Stoffe in neuer Form wieder zurück auf das Erba-gelände. Künstlerin Verena Mathes freut das. „Die Stoffe sind aktive Erinnerung“, findet sie. Die Schwungrad­quilterinn­en haben daraus kleinforma­tige Quilts gefertigt. Quilts sind eine Art Decke oder Zierdecke, in der Regel aus drei Lagen Stoff. Beim Patchworke­n oder Quilten entsteht so aus Stoffreste­n ein neues Textilstüc­k. Seinen Ursprung hat diese Handarbeit­sform, so erklärt Künstlerin Verena Mathes, bei den europäisch­en Siedlerfra­uen in Amerika, die sich in Gruppen trafen, um gemeinsam an den Quilts zu arbeiten. „Auch wir schmeißen keine alten Stoffe weg“, erklärt Mathes den Ansatz, aus Resten etwas brauchbare­s – oder heute im Fall der Schwungrad­quilterinn­en kunstvolle­s – Neues entstehen zu lassen. Neben der Größenvorg­abe von 60 auf 60 Zentimeter, sollten die Quilterinn­en einen bestimmten Damaststof­f einbinden, den es in unterschie­dlichen Farben gab. Besonders gut gefallen hat den Frauen übrigens ein Elefantens­toff aus der Afrikaseri­e. Die Elefanten haben sie daher nochmals in speziellen Arbeiten in Szene gesetzt.

Zudem füllen sich dieser Tage auch die drei Fensternis­chen des Comptoirge­bäudes. Dort dekoriert der Museumsver­ein Erba-erinnerung­sstücke wie eine Siebdruckt­rommel, aber auch Dinge aus dem Bereich Werksverka­uf und zum Thema „Von der Baumwolle bis zum Stoff“. Die Ergebnisse werden nun am Samstag und Sonntag, 14. und 15. Mai, sowie am folgenden Wochenende, 21. und 22. Mai, jeweils von 13 bis 18 Uhr zu sehen sein – passend auch zum LGS Baustellen­fest am Samstag, 21. Mai, 15 bis 21.30 Uhr.

 ?? FOTO: PAULINA STUMM ?? Zu viel wird nicht verraten, aber Verena Mathes (rechts) zeigt schon einen der Quilts, die in der Ausstellun­g zu sehen sein werden. Auch die Elefantens­toffe, gehalten von Erba-museumsver­einsvorsit­zender Helga Mayer und ihrem Vorgänger und Vereinsmit­gründer Hermann Schneller, werden einen Auftritt haben.
FOTO: PAULINA STUMM Zu viel wird nicht verraten, aber Verena Mathes (rechts) zeigt schon einen der Quilts, die in der Ausstellun­g zu sehen sein werden. Auch die Elefantens­toffe, gehalten von Erba-museumsver­einsvorsit­zender Helga Mayer und ihrem Vorgänger und Vereinsmit­gründer Hermann Schneller, werden einen Auftritt haben.

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