In Leutkirch könnten sechs Windräder entstehen
Oberbürgermeister Hans-jörg Henle spricht über aktuelle Entwicklungen bei den geplanten Windkraftanlagen
- Die ENBW plant in Leutkirch seit einiger Zeit mehrere Windkraftanlagen. Betroffen ist sowohl der Stadtwald, der der Stadt Leutkirch gehört, als auch der Staatswald – im Besitz des Landes. Nach einigen Monaten Stillstand gibt es nun neue Erkenntnisse: Im Interview mit Sz-redakteur Simon Nill spricht Oberbürgermeister Hans-jörg Henle (Foto: Foto Faiss) über die aktuellen Entwicklungen beim Thema Windkraft.
Herr Henle, zuletzt wurde im Rathaus unter anderem auf die Ergebnisse einer Untersuchung des Luftfahrtbundesamtes gewartet. Mit dem Gutachten sollen mögliche Folgen von Windkraftanlagen auf den Verkehr am Flugplatz Unterzeil geklärt werden. Wann rechnen Sie mit Ergebnissen?
Wir hatten gehofft, dass die ENBW mit dem Luftfahrtbundesamt die offenen Fragen klären kann. Hier gibt es leider keine Fortschritte, weil das Luftfahrtbundesamt nur zu konkreten Bauanträgen Stellung bezieht. Da dreht man sich im Kreis. Um hier voranzukommen, werden wir im Gemeinderat noch vor der Sommerpause über das weitere Vorgehen beraten.
Wie könnte dieses weitere Vorgehen aussehen?
Wir müssen klären, welche Standorte weiterhin infrage kommen und wie wir eine Entscheidung über die möglichen Standorte herbeiführen. Denkbar ist eine Entscheidung im Gemeinderat oder ein Bürgerentscheid.
Wie viele Windkraftanlagen sind aktuell noch auf städtischen Flächen geplant?
Auf Flächen der Stadt waren bisher drei Standorte in der Diskussion. Bei einem gibt es gewisse Einschränkungen wegen der Einhaltung der Lärmwerte in der Nacht beim Wohngebiet Pfingstweide. Dieser Standort liegt auch am nächsten zur Flugplatzrunde. Die Verwaltung wird dem Gemeinderat vorschlagen, auf diese Anlage zu verzichten und nur noch die beiden anderen potenziellen Standorte im Stadtwald zu betrachten. Dadurch hätten wir deutlich mehr Abstand zur Pfingstweide und mögliche Auswirkungen auf die Flugplatzrunde wären verringert.
Wissen Sie, wie es um mögliche Standorte im benachbarten Staatswald, der sich auf Leutkircher Gebiet im Besitz des Landes Badenwürttemberg befindet, aussieht?
Ich hatte Forstbw um eine Auskunft gebeten, was das Land dort plant. Ganz aktuell haben wir nun neue Informationen erhalten. Es wird mit mehr Standorten geplant als uns bisher bekannt war. Das liegt daran, dass wir der ENBW zum Schutz der Betroffenen größere Abstände vorgegeben haben, als es gesetzlich notwendig ist. Das Land plant dagegen mit den Mindestabständen, die sich aus der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) ergeben. Dadurch hat sich eine neue Situation ergeben. Mir wurde von Forstbw mitgeteilt, dass die Stadt Leutkirch bei den Abständen im Staatswald kein Mitspracherecht hat.
Was bedeutet „mehr Standorte“konkret?
Das Land betrachtet zwei Standortbereiche. In einem für uns neuen Bereich im Osten Richtung Rotis könnten zwei Windräder entstehen. In dem bisher diskutierten Gebiet direkt im Anschluss an unseren Stadtwald sieht das Land bis zu drei Anlagen vor. Die Zahl hängt davon ab, ob auch im Stadtwald die vorgesehenen zwei Windräder entstehen. Ist das der Fall, so rechnet man beim Land mit zwei Anlagen. Verzichten wir als Stadt Leutkirch auf die Standorte im Stadtwald, könnte auf Staatswaldflächen ein drittes Windrad gebaut werden.
Sind die Flächen im Staatswald weiter entfernt von Wohngebieten als die möglichen Standorte im Stadtwald?
Durch die Lage des Staatswaldes östlich des „Unteren“Stadtwaldes sind die geplanten Anlagen des Landes etwas weiter von der Pfingstweide entfernt. Zu anderen Ortschaften könnten sich aber auch geringere Abstände ergeben. Weil wir im Allgäu keine homogene Siedlungsstruktur haben, ist es auch möglich, dass die Abstände der Windkraftanlagen auf den Landesflächen zu Einzelgehöften geringer ausfallen.
Was halten Sie von einem möglichen Bürgerentscheid über Windkraftanlagen auf Flächen, die sich im Besitz der Stadt Leutkirch befinden?
Grundsätzlich finde ich einen Bürgerentscheid gut, weil die Windkraft als Teil der Energieversorgung für unsere Zukunft wichtig ist. Klar ist aber auch, dass Windräder weit zu sehen sind und die Landschaft dadurch nicht schöner wird. Auch Lärmemissionen und Schattenschlag führen zu Beeinträchtigungen im näheren Umfeld der Anlagen. Deshalb ist das ein bedeutsames Thema, bei dem die Beteiligung der Bevölkerung sehr wichtig ist.
Wir müssen bei dieser Frage aber auch die neuen Planungen des Landes berücksichtigen. Unsere Entscheidungsoption lautet ja nicht, wollen wir Windräder im Wald nordöstlich von Leutkirch oder wollen wir sie nicht.
Wir können nur entscheiden, ob im Staats- und Stadtwald gemeinsam sechs Windräder entstehen sollen – statt bis zu fünf Anlagen, die sich nur auf Flächen des Landes befinden könnten. Der Gemeinderat muss abwägen, ob diese „eingeschränkte“Fragestellung den großen Aufwand für einen Bürgerentscheid rechtfertigt.
Bei der Stadt Leutkirch sind Unterschriftenlisten von Bürgern eingereicht worden, die die bisherigen Pläne der ENBW kritisch sehen. Welche Bedeutung haben solche Listen für Sie?
Für mich persönlich ist es sehr wich- tig zu erfahren, wie die Bürger dazu stehen und welche Ängste und Befürchtungen es gibt. Das zeigt sich auch daran, dass wir wegen den vorgebrachten Bedenken dem Gemeinderat vorschlagen werden, einen Standort nicht mehr weiter zu verfolgen. Ich bin überzeugt, dass die Bedenken der Bürger auch für den Gemeinderat eine wichtige Rolle spielen. Bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen werden daneben auch Fragen des Klimaschutzes und der Zukunft der Energieversorgung eine Rolle spielen.