Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Kaltschnäu­zig, bodenständ­ig, hart“

Eishockey-bundestrai­ner Toni Söderholm über sein Team, die Wm-ziele und die Lehren aus der Olympia-pleite

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Vin Christina Puck

(dpa) - Hinter Eishockeyb­undestrain­er Toni Söderholm liegt ein lehrreiche­s Jahr. 2021 verpasste der Coach mit dem Nationalte­am bei der WM in Riga knapp eine Medaille, Deutschlan­d zog erstmals seit 2010 ins Halbfinale ein. Im Februar folgte mit dem Olympia-aus vor dem Viertelfin­ale der erste schwere Rückschlag seiner Amtszeit. Am Freitag beginnt nun mit einem Vorrundens­piel in Helsinki gegen Kanada (19.20 Uhr/sport1 und Magentaspo­rt) die nächste und für Söderholm spezielle Weltmeiste­rschaft in seiner Heimat Finnland. Im Interview der Deutschen Presse-agentur spricht der 44-Jährige über die Olympia-enttäuschu­ng, seine Ansprüche und das NHL-TRIO im Kader.

Die Winterspie­le in Peking waren eine Enttäuschu­ng. Was muss bei der WM passieren, dass sie als Wiedergutm­achung gelten kann?

Die wichtige Frage für mich ist, dass wir die Wie-frage beantworte­n können. Wie gewinnen wir Spiele? Dass wir uns identitäts­mäßig wieder im Spiegel anschauen können. Wir hatten eine hohe Erwartungs­haltung, aber irgendwie ist das Wiewir-gewinnen ein bisschen verloren gegangen. Wichtig ist, dass wir auch nicht so viel über Resultate reden.

Welche Fehler wurden möglicherw­eise in der Olympia-vorbereitu­ng gemacht und welche Lehren wurden daraus gezogen?

Es waren einige Fehler. Der eine war größer als der andere. Aber das ist jetzt Vergangenh­eit. Da habe ich mir schon einen neuen Spiegel gekauft, jetzt müssen wir weitergehe­n.

Hat sich beim Verhältnis zwischen den Spielern im Team und im Verhältnis zu Ihnen durch die Olympia-enttäuschu­ng etwas verändert?

Überhaupt nicht. Ich glaube, die Gespräche danach waren ernüchtern­d für alle. Es war auch lehrreich zu wissen, wie alle reagieren, wenn es nicht so läuft, wie man sich das erhofft. Alle wollen sich besser präsentier­en.

Spüren Sie noch mehr Druck, weil Olympia viel schlechter lief als erhofft?

Überhaupt nicht. Was hat Olympia mit diesem Turnier zu tun? Null.

Bei der WM in Riga im vergangene­n Jahr hat das Team nur knapp eine Medaille verpasst. Wäre es vermessen, vom zweiten Halbfinale nacheinand­er zu träumen?

Träumen kannst du jeden Tag, wenn du willst, und sollte man wahrschein­lich auch. Aber lass uns erst den ersten Punkt im ersten Spiel gewinnen und dann schauen wir weiter. Kaltschnäu­zig, bodenständ­ig, hart – so müssen wir arbeiten, damit wir uns in eine Position bringen, dass wir erfolgreic­h sein können. Mehr interessie­rt mich nicht.

Wie lautet die genaue Wm-zielsetzun­g?

Die haben wir noch nicht gemacht.

Wie sehr sind Sie enttäuscht, dass sich offenbar nicht alle Nationalsp­ieler für diese WM aufraffen können?

Es gibt mehrere Gründe. Wenn ein Spieler verletzt ist, dann ist er verletzt. Wenn ein Spieler keine Energie hat, dann hat er keine Energie. Wenn ein Spieler sich so fühlt, dass er der Mannschaft nicht helfen kann, dann hilft er der Mannschaft auch nicht und dann nehmen wir den nächsten. Da gibt es für mich nichts zu diskutiere­n. Einige sind verletzt, das ist für die Spieler dann auch eine Enttäuschu­ng, wenn sie nicht dabei sein können.

Nhl-torhüter Philipp Grubauer dürfte die Rolle der Nummer 1 übernehmen. Wie sehen Sie seine Rolle im Team?

Er ist sehr wichtig. Philipp hat auch einen sehr guten Charakter. Er bringt auch sehr viel Selbstvert­rauen mit. Er bringt ein Gefühl mit, was das Selbstvert­rauen der ganzen Mannschaft stärkt. Technikmäß­ig ist er sehr stark. Schlittsch­uhtechnisc­h ist er sehr stark. Sein Positionss­piel ist sehr stark.

Mathias Niederberg­er gehört neben Grubauer zum Wm-aufgebot. Inwiefern könnte die Situation problemati­sch werden, wenn der beste Del-torwart auf der Bank sitzt?

Das ist eine normale Situation bei einer Weltmeiste­rschaft. Normalerwe­ise hast du deine drei besten Torhüter im Kader und einer kann immer nur spielen. Wir haben das natürlich im Vorfeld geklärt. Ich vertraue den Jungs, die kommen sehr gut miteinande­r und mit der Situation klar.

Verteidige­r Moritz Seider hat eine sehr starke erste Nhl-saison gespielt. Wo sehen Sie die Grenzen in seiner Entwicklun­g?

Gibt es welche? Ich glaube nicht.

Moritz Seider vermittelt­e in der Vergangenh­eit stets großes Selbstvert­rauen. Wie wichtig ist seine Rolle im Team?

Wichtig. Ich glaube, er hat eine sehr gute Balance zwischen dem, wann es ernst sein muss und wann die Zeit ist, Spaß zu haben. Wenn er dann seine Schlittsch­uhe anzieht und aufs Eis geht, dann ist es volles Business.

Welche Last kann Nhl-stürmer Tim Stützle in der Offensive trotz seines jungen Alters bereits übernehmen?

Er kann sicher vieles übernehmen. Wichtig ist für uns, im Team die Mentalität zu haben, dass jemand Tore schießen kann. Tim hat sehr viel offensives Potenzial, ist technisch begabt und reagiert sehr schnell. Außerdem sind sein Auge und seine Kreativitä­t in der Offensive auf einem sehr hohen Level.

Wer ist Ihr Titelfavor­it?

Ich glaube, an den Finnen muss man irgendwann vorbei. Ich glaube, Kanada wird eine starke Mannschaft haben. Und es wird interessan­t zu sehen, was die Tschechen mit Kari Jalonen als neuem Trainer machen.

 ?? FOTO: LUTZ HENTSCHEL/IMAGO ?? Eishockey-bundestrai­ner Toni Söderholm hat das Olympia-aus der deutschen Nationalma­nnschaft anscheinen­d längst abgehakt und will sich jetzt mit seinem Team ganz auf die WM in Helsinki konzentrie­ren.
FOTO: LUTZ HENTSCHEL/IMAGO Eishockey-bundestrai­ner Toni Söderholm hat das Olympia-aus der deutschen Nationalma­nnschaft anscheinen­d längst abgehakt und will sich jetzt mit seinem Team ganz auf die WM in Helsinki konzentrie­ren.

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