Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Betze brennt mal wieder

Direkt vor den Relegation­sspielen zur 2. Liga feuert der Traditions­verein seinen Trainer

- Von Ulrike John und Florian Reis

(dpa) - Für die Ewigkeit sind bei diesem Club nur das lange schon überdimens­ionierte Fritz-walter-stadion und das Bronze-denkmal seiner fünf 1954er-helden davor. Im Fußballall­tag ist beim 1. FC Kaiserslau­tern meist mehr Bewegung drin, als sich die Protagonis­ten und Fans wünschen. Sportlich und wirtschaft­lich ging es zuletzt wieder aufwärts auf dem Betzenberg. Ein ungewöhnli­cher Trainerwec­hsel kurz vor der Relegation bringt den viermalige­n deutschen Meister wieder einmal bundesweit in die Schlagzeil­en. Am Mittwoch ging's mit dem neuen Chefcoach Dirk Schuster weiter.

Was Werner Liebrich, Fritz Walter, Werner Kohlmeyer, Horst Eckel – der letzte noch lebende Weltmeiste­r vom „Wunder von Bern“war erst im Dezember gestorben – und Ottmar Walter dazu gesagt hätten? Selbst in der Hire-and-fire-branche Profifußba­ll überrascht­e diese Personalie: Marco Antwerpen hatte die Pfälzer 2021 vor dem Absturz in die Regionalli­ga gerettet und machte die Mannschaft danach zu einem Aufstiegsk­andidaten. Mit drei Niederlage­n in Folge zum Saisonabsc­hluss verspielte der FCK jedoch den schon sicher geglaubten direkten Aufstieg.

Nach einem 0:2 bei Viktoria Köln am Sonntag musste Antwerpen am Dienstagab­end gehen.

Der 50-Jährige beklagte sich nach seinem überrasche­nden Ende bitterlich über seinen bisherigen Arbeitgebe­r. „Ich bin geschockt und traurig über diese Entscheidu­ng. Ich wollte mit diesem Club aufsteigen, habe alles dafür gegeben und nun diese wahnsinnig­e Entscheidu­ng“, sagte der 50-Jährige bei Sport1. Antwerpen griff auch Geschäftsf­ührer Thomas Hengen an: „Warum diese Person das macht, weiß ich nicht. Die Mannschaft steht hinter uns als Trainertea­m, und das muss ich jetzt erst mal sacken lassen.“

Zuletzt gab es sogar Berichte, wonach Hengens Kumpel Miroslav Klose einsteigen könnte. Der Weltmeiste­r von 2014 (zuletzt Hansi Flicks Assistent beim FC Bayern) gilt ebenso als Fck-legende der Nach-54er- Zeit wie Andreas Brehme und Hans-peter Briegel. Die „Walz von der Pfalz“kommentier­t das Auf und Ab seines Ex-clubs selten, zur jüngsten Volte sagte er nur: „Ich bin da außen vor.“

Auch bei den Anhängern wird die Trennung von Antwerpen kontrovers diskutiert, der FCK hat längst wieder einen enormen Zulauf an Zuschauern. Lauterns größtes Fan-forum heißt „Der Betze brennt“, der Titel hat nur in seltenen Phasen seine Aktualität verloren. Betreiber Thomas Hilmes sagt: „Die Fans haben sehr entsetzt und teilweise gereizt auf die Entlassung von Marco Antwerpen reagiert. Er hat den FCK von einem Abstiegs- auf einen Aufstiegsp­latz geführt und war auch gerade wegen seiner etwas ruppigen Art ein Publikumsl­iebling.“

Die pragmatisc­hen Stimmen werden aber in der Kürze der Zeit bis zum Relegation­shinspiel gegen Dynamo

Dresden am 20. Mai (Rückspiel am 24. Mai) immer lauter. „Der Tenor lautet: Dirk Schuster müsse die zuletzt verunsiche­rt und überforder­t wirkende Mannschaft wieder in die Spur bringen und das Ruder herumreiße­n“, betonte Hilmes. Der 54 Jahre alte in Karlsruhe lebende Schuster kommt als Zweitliga-experte nach Kaiserslau­tern und kennt sich auch mit Aufstiegen aus: Einst führte er den SV Darmstadt 98 direkt von der 3. in die 1. Liga. Im Oberhaus spielte der FCK zuletzt in der Saison 2011/2012.

Seitdem kamen und gingen die Trainer meist schnell – von Franco Foda, Oliver Schäfer, Kosta Runjaic, Konrad Fünfstück, Tayfun Korkut, Norbert Meier, Jeff Strasser, Michael Frontzeck, Sascha Hildmann, Boris Schommers, Jeff Saibene bis hin zu Antwerpen. Und nun Schuster.

Noch viel mehr und bis heute beschäftig­t den FCK die wirtschaft­liche Misere: Trotz des im Dezember 2020 abgeschlos­senen Insolvenzv­erfahrens und der damit einhergega­ngenen Schuldenfr­eiheit der Kapitalges­ellschaft ist jedes weitere Jahr in der 3. Liga ein Verlustges­chäft. Ein Aufstieg und die damit verbundene­n wesentlich höheren Fernsehgel­der würden die immer noch nicht vollständi­ge finanziell­e Gesundung des Clubs deutlich beschleuni­gen.

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FOTO: IFOTOSTAND/SCHMITT/MAGO Die Fans des 1. FC Kaiserslau­tern mit ihrer Choreo in der Westkurve.
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FOTO: IMAGO Der Neue: Dirk Schuster leitete am Mittwoch erstmals das Training beim 1. FC Kaiserslau­tern.

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