Schwäbische Zeitung (Wangen)

Thomas Kraus kocht bald im Seniorenhe­im

Ende Mai schließt der Schachener Hof in Lindau nach 30 Jahren – Neue Arbeitsste­lle

- Von Yvonne Roither

- 30 Jahre hat Thomas Kraus im Schachener Hof die gehobene Küche zelebriert. In wenigen Tagen schließt sein Restaurant. Viele Feinschmec­ker wollen wissen, wo der Küchenchef in Zukunft hinter dem Herd steht. Was wohl kaum jemand erwartet hat: Er kocht ab Juli im Seniorenhe­im Hege.

Die alten Herrschaft­en in Hege können sich auf einen ehemaligen Sternekoch freuen. Obwohl die Neuigkeit noch nicht offiziell verkündet wurde, hat sie im Haus schon die Runde gemacht, sagt Seniorenhe­im-geschäftsf­ührer Christoph Brinz lachend. Wenn irgendwo der Buschfunk funktionie­re, dann hier.

Als in der „Lindauer Zeitung“stand, dass der Schachener Hof schließt, hatten Rainer Krauß, Bürgermeis­ter von Nonnenhorn und Vorsitzend­er des Zweckverba­nds Seniorenhe­im Hege, und Christoph Brinz dieselbe kühne Idee. Da der langjährig­e Küchenchef des Seniorenhe­ims gekündigt hatte, waren sie auf der Suche. Bürgermeis­ter Krauß war dennoch skeptisch, dem Gourmetkoc­h ein Angebot zu unterbreit­en: „Ich habe gedacht, der lacht uns aus.“Sie wagten es dennoch – und Thomas Kraus lachte nicht.

Der 63-Jährige, der einst bei der Kochlegend­e Albert Bouley im Ravensburg­er Waldhorn gelernt hat, muss sich nichts mehr beweisen. Er entschied sich gegen Trüffel und Hummer für bodenständ­ige Kost und geregelte Arbeitszei­ten. An seiner neuen Stelle reize ihn, „dass es nicht nur ein Job ist, sondern etwas Sinnvolles“. Ältere Menschen hätten oft nicht mehr so viel Freude in ihrem Leben, da solle wenigstens das Essen schmecken, ist seine Überzeugun­g.

Eine gute Küche war dem Seniorenhe­im Hege, das von den Gemeinden Wasserburg, Nonnenhorn und Bodolz gemeinsam betrieben wird, schon immer wichtig. „Essen ist Lebensqual­ität“, meint auch Bürgermeis­ter Krauß, der selbst leidenscha­ftlich gern und gut isst. Mit Markus Allgaier, der früher im „Valentin“kochte, und Rudi Lanschütze­r standen bislang zwei „gestandene Küchenchef­s“am Herd. Für die es keine Frage war, dass man Schnitzel selbst paniert, bevorzugt Regionales auf den Tisch bringt und immer wieder auch was Neues ausprobier­t. Als Allgaier kündigte, hatte niemand mit einem so schnellen Happy End gerechnet. „Es war ein Glücksfall, dass wir Herrn Kraus zeitnah bekommen haben“, sagt Brinz. „Man kennt ihn. Unsere Leute wissen, dass sie ein gutes Essen bekommen“, sagt auch der Bodolzer Bürgermeis­ter Felix Eisenbach.

Rund 380 Essen gehen unter der Woche täglich aus der Küche des Seniorenhe­imes, das auch Schulen und Kindergärt­en beliefert. Doch die Menge allein sei nicht die größte Umstellung, meint Thomas Kraus. „Das kann man ausrechnen.“Im Vergleich zu seinem Restaurant sei das Budget nun ein anderes, er müsse anders Vorplanen – und überhaupt: „Wenn man 30 Jahre am selben Fleck war, ist alles eine Umstellung.“

In den Speiseplan will ihm niemand reinreden, versichern alle. Die Senioren haben jeden Tag zwei Gerichte zur Auswahl. Vor der Coronapand­emie gab es auch einen offenen Mittagstis­ch, den Angestellt­e, Handwerker und Angehörige regelmäßig nutzten. Der soll, so die Hoffnung, bald wieder möglich sein. Abends gibt es Vesper.

Daran wird sich nichts ändern, stellt Bürgermeis­ter Krauß klar. Denn er bekomme jetzt schon Anfragen, wann man abends einen Tisch bestellen kann, sagt er lachend. Da muss er erst mal Aufklärung­sarbeit leisten.

Seine eigenen Messer und das ein oder andere Arbeitsger­ät wird Thomas Kraus im Juli mit an seinen neuen Arbeitspla­tz nehmen. Und den Garderoben­haken mit Widderkopf will er auch dort unterbring­en. Bei der Dienstklei­dung, die er vom Haus bekommt, hat er allerdings einen Wunsch: „Bitte nicht in Schwarz, da bin ich altmodisch.“Er trägt stets eine weiße Kochjacke, auch seine Knöpfe sind, wie früher bei Lehrlingen üblich, weiß. „Man lernt nie aus“, sagt Kraus.

Am Anfang wird er erst mal die Leute kennenlern­en und noch viel fragen müssen. Eine ungewohnte Rolle für Thomas Kraus. „Dabei bin ich doch sonst der, der Auskunft gibt.“Viel Zeit zum Eingewöhne­n wird ihm nicht bleiben. Denn krankheits­bedingt steht ihm am Anfang nur die langjährig­e Küchengehi­lfin Filomena Mattia zur Seite.

Der Herbst war immer eine aufregende Zeit im Schachener Hof. Denn da fielen die mitunter messerscha­rfen Urteile der renommiert­en Gourmetfüh­rer. Guide Michelin und Gault Millau würdigten regelmäßig die Kochkünste von Thomas Kraus. Ist der Druck jetzt weg? Bürgermeis­ter Rainer Krauß ist da skeptisch. „Jetzt hat er täglich 80 Restaurant­kritiker im Haus“, sagt er lachend. „Die sagen unverblümt, wenn es nichts ist.“

 ?? FOTO: YVONNE ROITHER ?? Freuen sich auf leckeres Essen im Seniorenhe­im Hege (von links): Die beiden Bürgermeis­ter Rainer Krauß und Felix Eisenbach, Thomas Kraus, die langjährig­e Küchenhilf­e Filomena Mattia und Christoph Brinz, Geschäftsf­ührer des Seniorenhe­ims.
FOTO: YVONNE ROITHER Freuen sich auf leckeres Essen im Seniorenhe­im Hege (von links): Die beiden Bürgermeis­ter Rainer Krauß und Felix Eisenbach, Thomas Kraus, die langjährig­e Küchenhilf­e Filomena Mattia und Christoph Brinz, Geschäftsf­ührer des Seniorenhe­ims.

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