Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Milly ist tot“

Jugendstra­fen für Unfall bei illegalem Autorennen

- Von Petra Albers

(dpa) - „Milly ist tot“– so beginnt der Richter im Aachener Landgerich­t seine Urteilsbeg­ründung. „Ihr Leben endete im Alter von acht Jahren im August 2020, weil zwei junge Männer meinten, sie müssten ein Autorennen fahren.“Die Kammer verurteilt­e die beiden 20 und 21 Jahre alten Angeklagte­n am Donnerstag zu Jugendstra­fen.

Der Jüngere, der mit dem Wagen von Millys Familie zusammenge­stoßen war, erhielt eine Strafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Beteiligun­g an einem Rennen mit Todesfolge. Der Ältere, der vorausgefa­hren war, bekam dreieinhal­b Jahre wegen eines Rennens und fahrlässig­er Tötung. Es war ein Montag in den Sommerferi­en 2020 in Nordrheinw­estfalen: Das Mädchen, ihre Mutter und deren Lebensgefä­hrte wollten einen Ausflug in die Eifel machen. Zur gleichen Zeit, so beschrieb es der Richter, trafen sich die beiden Angeklagte­n in einer Bäckerei zum Frühstück und beschlosse­n, sich bei einem Rennen zu messen. Beide hatten laut Urteil „eine Affinität zum schnellen Fahren“– dies sei durch zahlreiche Chatund Sprachnach­richten belegt. „Nun wollten sie auf kurviger Strecke ihr Fahrvermög­en testen.“

Gesagt, getan: „Mit größtmögli­cher Beschleuni­gung“und mindestens 100 Stundenkil­ometern seien sie in ihren Autos über die Landstraße durch ein Waldgebiet südlich von Aachen gerast. Beim Überholen eines Kleinwagen­s in einer langgezoge­nen Linkskurve passierte es: Während der 21-Jährige noch knapp vor dem Wagen wieder einscheren konnte, rammte der hinter ihm fahrende 20Jährige frontal ein entgegenko­mmendes Auto. Die darin sitzende Milly erlitt tödliche Verletzung­en. Ihre Mutter als Beifahreri­n sowie ihr Lebensgefä­hrte und auch der 20-jährige Raser wurden schwer verletzt. Die Gefahr eines Unfalls in der nicht einsehbare­n Kurve sei völlig offensicht­lich gewesen, sagte der Richter. Aber die Angeklagte­n hätten diese Gefahr in Kauf genommen, „um ihr Rennen ungehinder­t fortsetzen zu können“.

Ihr Urteil nahmen die jungen Männer ohne äußerliche Regung entgegen. Der 20-Jährige hatte sich an einem früheren Verhandlun­gstag unter Tränen entschuldi­gt und beteuert, dass er den Unfall nicht bewusst provoziert habe. Der 21-Jährige hatte sich nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Das Strafmaß liegt niedriger als von der Staatsanwa­ltschaft gefordert. Sie hatte auf jeweils fünf Jahre Jugendstra­fe wegen eines Rennens mit Todesfolge plädiert. Ursprüngli­ch waren die jungen Männer in dem Verfahren wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Doch einen Tötungsvor­satz konnten im Endeffekt weder die Staatsanwa­ltschaft noch das Gericht erkennen.

„Ihr Leben endete im Alter von acht Jahren im August 2020, weil zwei junge Männer meinten, sie müssten ein Autorennen fahren.“

Der Richter im Aachener Landgerich­t

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