Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wangens Togo-hilfe löst sich bald auf

Seit der WM 2006 wurde viel Gutes bewirkt – Die Gründe für das Ende sind vielschich­tig

- Von Susi Weber

- Entstanden ist die Togohilfe Wangen in Folge der Fußballwm 2006 in Deutschlan­d und dem damaligen Aufenthalt der togolesisc­hen Nationalma­nnschaft in Wangen. Jetzt steht fest: Bald endet die Geschichte der wohltätige­n Organisati­on für das afrikanisc­he Land. Das hat mehrere Gründe.

Hermann Selbherr war seinerzeit nicht nur Dfb-spielaussc­hussvorsit­zender und -Afrikabeau­ftragter. Der Wangener hatte auch maßgeblich­en Anteil daran, dass die Nationalma­nnschaft des Togo 2006 ihr Wm-quartier in der Allgäustad­t bezog.

Und er gründete zusammen mit anderen damals die Togo-hilfe Wangen.

Die machte sich Bildung zum Auftrag und verwendete dafür Gelder aus Freundscha­ftsspielen im Vorfeld der WM als Grundstock. Über die Jahre flossen etwa 200 000 Euro nach Togo. In zwei Jahren wird damit Schluss sein: Die Verantwort­lichen werden die Togo-hilfe auflösen. Das wurde jetzt bei der Mitglieder­versammlun­g bekannt. Bis dahin soll aber weiterhin Geld in Schulspeis­ungen und einen Brunnenbau investiert werden.

Doch weshalb steht die Organisati­on vor dem Ende? „Wir haben uns im Vorstand den Entschluss nicht einfach gemacht“, sagt Johannes Sontheim, seit sechs Jahren Nachfolger von Hermann Selbherr als Vorsitzend­er.

Die Problemati­k liege auf der Hand: In den vergangene­n Jahren kooperiert­e die Togo-hilfe Wangen mit einer vergleichb­aren Organisati­on, die sich in Fürstenfel­dbruck für das afrikanisc­he Land einsetzt, und deren Vorsitzend­er Margret Kopp. „Sie hat in der Zwischenze­it auch ein gewisses Alter erreicht, in Togo ihre Lagerräume aufgelöst, nur noch ein kleines Büro und die Lage wird immer schwierige­r“, erläutert Sontheim.

Auch für die Wangener. Denn bis 2020 hatte die Egidius-braun-stiftung jährlich jeweils eine 5000 Eurospende verdoppelt. Sontheim: „Sie hat ihren Schwerpunk­t zwischenze­itlich auf Südamerika verlegt.“Containerl­ieferungen, die es in früheren Jahren schon gegeben hat, haben sich zudem nach Angaben des Selbherr-nachfolger­s exorbitant verteuert und sind kaum mehr bezahlbar.

Und auch das Spendenauf­kommen ging in den vergangene­n Jahren deutlich zurück: Laut Schatzmeis­ter Claus Hepp erzielte der Verein 2020 und 2021 gerade noch 1600 beziehungs­weise 3800 Euro an Plus – nach knapp je 20 000 Euro in den Jahren davor. Und auch die Bereitscha­ft, im Ehrenamt tätig zu sein, beziehungs­weise angesichts der Altersstru­ktur des Vereins neue Ehrenamtli­che zu finden, gehe merklich zurück.

Doch noch ist nicht aller Tage Abend: Neben Schulspeis­ungen soll in Nassiogou, einem etwa 2000 Einwohner

Dietmar Weber

großen Dorf im strukturel­l sehr schwachen Norden Togos, noch ein etwa 10 000 Euro teurer Tiefbohrbr­unnen finanziert werden. Und in Tolong sind noch Tische für die Schule in Planung, die in Togo gefertigt werden.

Johannes Sontheim blickte bei der Mitglieder­versammlun­g auch auf die vergangene­n vier Jahre zurück, zeigte Bilder der verschiede­nen Aktionen in den Jahren 2018 bis 2021. Und ja, auch in Togo sei die Ernährungs­lage „katastroph­al“: „Das liegt nicht nur daran, dass die Menschen in der Corona-krise ihre Früchte und Erzeugniss­e nicht mehr in die Städte transporti­erten, sondern vor allem an der Klimaerwär­mung.“

Immer unberechen­barer wird laut Sontheim für die Bauern der Regen – und ihre Lage immer schwierige­r: „Auch die Abhängigke­it von der Ukraine spielt da mit rein und es kommt nichts ins Land.“Von einer Hungersnot wollte Sontheim nicht sprechen: „Eine Mangelernä­hrung bahnt sich aber immer mehr an.“Genau deshalb sei das Mittagesse­n an Schulen auch ein „Dauerbrenn­er“für die Togo-hilfe.

Margret Kopp aus Fürstenfel­dbruck hat in Togo die Zehn-dörferstra­tegie ins Leben gerufen. Sontheim: „Eines davon, Timbou, an der Grenze zu Burkina Faso, unterstütz­en wir.“Die Hälfte der Bevölkerun­g ist dort unter 21 Jahren alt, jedes fünfte Kind besitzt keine Geburtsbes­cheinigung.

In Timbou konnte Sontheim im Juni 2018 die Kantine ihrer offizielle­n Bestimmung übergeben: „Von den 15 000 Euro haben wir den Löwenantei­l getragen.“Die Schule dort sei auch deshalb „so rappelvoll“, weil es dort ein Schulessen gebe. Ebenfalls finanziert hat die Togo-hilfe Wangen in den vergangene­n vier Jahren einen Tiefbohrbr­unnen in Tolong, der der Schule und der Bevölkerun­g dient – und Schulbänke, die von dortigen Schreinern gefertigt werden und so auch eine Wertschöpf­ung vor Ort darstellen.

Wie er sich das Ende der Togohilfe Wangen vorstelle, beschreibt Sontheim mit diesen Worten: „Es soll einen Abschluss geben, bei dem wir aus der vollen Kraft heraus einen geordneten Rückzug machen – und nicht getrieben werden von außen.“

Für Dietmar Weber, zweiter Vorsitzend­er, ist die Togo-hilfe nach wie vor „eine runde Sache“: „Wir haben direkte Entwicklun­gshilfe in Afrika geleistet und es ist etwas Vernünftig­es aus den Anfängen geworden.“Seiner Meinung nach habe das Interesse an Togo, das 2006 noch in aller Munde war, aber nachgelass­en: „Heute muss man die Jungen erst

„Wir haben direkte Entwicklun­gshilfe in Afrika geleistet und es ist etwas Vernünftig­es aus den Anfängen geworden.“

einmal aufklären, was damals eigentlich gewesen ist.“

Zur Erinnerung: An der Fußballwm 2006 in Deutschlan­d nahmen 32 Mannschaft­en teil. Ihre Stammquart­iere während der Zeit des „Sommermärc­hens“waren über ganz Deutschlan­d verteilt. Und so kam es einer Sensation gleich, dass Wangen seinerzeit Gastgeber eines dieser Teams sein durfte. Die Togelesen übernachte­ten damals übrigens im Hotel Waltersbüh­l. Der bisherige

Vorstand der Togo-hilfe mit Johannes Sontheim als Vorsitzend­em, Dietmar Weber als dessen Stellvertr­eter, Klaus Dongus als Schriftfüh­rer, Claus Hepp als Schatzmeis­ter sowie Hermann Selbherr, Siegbert Wucherer und Dieter Kieninger als Beisitzer wird auch die kommenden beiden Jahre noch im Amt bleiben und wurde einstimmig wiedergewä­hlt. Wucherer und Franz-anton Blank begleiten auch weiterhin die Funktion als Kassenprüf­er.

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FOTO: NEEF, KATRIN Empfang der Nationalma­nnschaft des Togo im Sommer 2006 auf Wangens Marktplatz. Deren Aufenthalt war die Geburtsstu­nde der hiesigen Togo-hilfe, deren Geschichte bald zu Ende geht.
 ?? FOTO: SUSI WEBER ?? Noch zwei Jahre, dann wird Schluss sein mit der Togo-hilfe Wangen. Der Vorstand von links: Dietmar Weber, Claus Hepp, Dieter Kieninger, Klaus Dongus, Hermann Selbherr, Johannes Sontheim und Siegbert Wucherer.
FOTO: SUSI WEBER Noch zwei Jahre, dann wird Schluss sein mit der Togo-hilfe Wangen. Der Vorstand von links: Dietmar Weber, Claus Hepp, Dieter Kieninger, Klaus Dongus, Hermann Selbherr, Johannes Sontheim und Siegbert Wucherer.

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