Am liebsten ganz ohne Geld leben
Kißlegger Paddy Schmitt zeigt Film über die „Stangenbohnenpartei“aus Rempertshofen
- Der Stadel in Bärenweiler platze aus allen Nähten: Mit über 400 Besuchern waren weit mehr Menschen als erwartet vor Kurzem zur Premiere des Films „Die Stangenbohnenpartei“in die Event-location bei Kißlegg gekommen.
Ebenfalls ein Stadel, genau genommen ein kleiner Bauernhof, steht am anderen Ende der 9000-Einwohner-gemeinde. Dort, im Weiler Rempertshofen, leben und arbeiten Jared Rust und Serena Engel.
Das Paar, das als Band unter dem Namen „Stangenbohnenpartei“auftritt, schreibt Lieder, pflanzt Gemüse an und verschenkt es. Noch können sie vom Verschenken nicht leben. Was nach einem Widerspruch als Ziel klingt, haben sie aber fest vor. Jeden Tag wollen sie das „bedingungslose Geben“, wie sie es nennen, etwas mehr verwirklichen.
Der Fotograf und Filmer Paddy Schmitt hat sie dabei knapp zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet. Im Gespräch mit Schwäbische.de hat er erklärt, warum er nicht wie die Protagonisten leben möchte – und was man trotzdem von dem Paar lernen kann.
Zunächst zum Film: „Ich komponiere zwischen zwei Uhr nachts und fünf Uhr morgens“, erzählt der großgewachsene Jared Rust in den ersten Minuten der Dokumentation. „Das klingt nach dem klassischen crazy Künstler“, fällt ihm seine Partnerin ins Wort. Und so hätte „crazy Künstler“auch als Überschrift für den Film gepasst.
Die Bandproben finden in der Küche des Hofs in Rempertshofen statt. „Aber erst, wenn auf dem Acker alles fertig ist“, erklärt die gebürtige Australierin, Serena Engel, die Prioritäten.
Der Acker sei ihre „Autoritätsfigur Nummer eins“. Ob es darüber hinaus eine zweite gibt, bleibt am Ende des 90-minütigen Films zu bezweifeln. Doch die Begründung, warum der Acker Autorität sei, klingt schlüssig: „Man kann mit ihm nicht argumentieren“, sagt Serena Engel.
Gewissermaßen ernährt der Acker die beiden – teilweise zumindest. Am liebsten verschenken sie, was in Rempertshofen wächst. „Jeder kann kommen und ernten“, lautet ihre Aufforderung. Doch weder Gemüseanbau noch Bandauftritte können für ein ausreichendes Einkommender beiden sorgen. Deshalb verkaufen sie einen Teil des Gemüses. „Ungern“, wie Jared Rust in einer Szene betont, als man ihn Gemüsekisten zu einem Leutkircher Gastronomen liefern sieht.
Viel lieber, sagen beide an mehreren Stellen im Film, würden sie das Gemüse „bedingungslos“zur Verfügung stellen. Genauso, wie sie den Hof „zur Verfügung gestellt bekommen“haben. Von wem, bleibt für die Zuschauer offen.
Das Säen, Jäten und Ernten scheint dem Paar jedenfalls Freude zu bereiten. Am deutlichsten wird das, wenn im Film nicht geredet, sondern gearbeitet wird. Wenn sich Rust und Engel etwa über die 15 Meter von der Gartenmitte bis zur Schubkarre
Hokkaidos wie Handbälle zuwerfen.
Doch die Gärtnerei bereitet den beiden nicht immer nur Freude. Wie anstrengend Gemüseanbau auch 2022 noch sein kann, zeigen Szenen vom Pflügen oder Dreschen von Hand. Bei manchen Sequenzen hat der einheimische Premierenbesucher gar den Eindruck, sie hätten problemlos auch im zehn Kilometer entfernten Bauernhausmuseum in Wolfegg gedreht werden können.
Auf moderne, technische Gerätschaften oder gar Dünger und Pflanzenschutzmittel verzichtet das Paar komplett – auch wenn die Kürbisse, wie im Film zu sehen, fünfmal angepflanzt werden müssen, um ein Mal nicht den Schnecken zum Opfer zu fallen.
Die Arbeit steht auch als Stilmittel im Zentrum der Dokumentation. Der Autor, Paddy Schmitt, zeigt die Protagonisten fast ausschließlich im Garten, in der Küche oder beim Musizieren. Drohnenaufnahmen, eine Leidenschaft des Filmers, setzt er nur dosiert ein: Wenn der Winter im Allgäu Einzug hält oder um zu zeigen, dass die Beete rund um den Hof stets als Kurven, nie in gerader Linie angelegt werden.
Mittig im Garten stehen die Stangenbohnen. Sein Lieblingsgemüse hat das Musikerpaar zum Bandnamen gemacht. „Die wachsen immer weiter“, erklärt Jared Rust. „Wenn ich drei Meter hohe Stangen setze, hab‘ ich auch auf drei Metern Bohnen.“
„Einen richtigen Dokumentarfilm drehen, und nicht immer nur Werbung, wollte ich schon seit 15 Jahren.“
Länger als erwartet wurden nicht nur die Bohnen, sondern auch der Film, erklärt Paddy Schmitt nach der Premiere im Gespräch mit Schwäbische.de. „Ich bin zu den beiden geradelt und habe gefragt, ob ich ein Kurzporträt über sie drehen kann“, sagt der Kißlegger, der als Werbefotograf und -filmer selbstständig ist.
„Relativ schnell habe ich gemerkt, dass ein Kurzfilm mit einem strukturierten Konzept bei diesen Protagonisten nicht funktioniert.“Also habe er die Idee verworfen und eine neue entwickelt: „Ich habe das Projekt dann als Hobby neben der normalen Arbeit gesehen und bin so an die Geschichte rangegangen.“Geld habe er damit bis heute keines verdient. „Einen richtigen Dokumentarfilm drehen, und nicht immer nur Werbung, wollte ich schon seit 15 Jahren.“Ergänzt hat er den Film durch eine Fotoausstellung.
„Unverfälscht“wollte er das Leben des außergewöhnlichen Paars zeigen. Wann und wo man Dokumentation und Ausstellung als Nächstes sehen kann, steht noch nicht fest. „Ich hatte nach zwei Jahren Arbeit daran einfach das Bedürfnis, das Projekt als Heimspiel in Kißlegg zu zeigen“, erklärt er die Beweggründe für die Premiere in Bärenweiler.
Einen Auftraggeber habe es nie gegeben. Bei Filmfestivals und Fernsehsendern will er die Dokumentation nun aber einreichen. „Dafür muss es natürlich erstmal noch ein bisschen exklusiv bleiben.“Früher oder
Paddy Schmitt später möchte Schmitt den Film aber auch in Kinos der Region zeigen.
Seine Motivation? „Die beiden ackern sich dumm und dämlich, um der Nachwelt und der Umwelt etwas Gutes zu tun“, findet Schmitt. „Meine Aufgabe war es, das zu zeigen.“
Eine Herausforderung bei den Dreharbeiten sei gewesen, „dass die beiden schon ziemlich eigen sind“. Immer wieder habe er darauf achten müssen, sich von den Protagonisten „nicht zu viel reinreden“zu lassen. „Ich wollte ja keinen Imagefilm für sie machen.“Ganz ohne Diskussionen habe das nicht funktioniert.
„Sich gegenseitig mal wieder einen Gefallen tun, nicht nur an Geld denken“, das sei laut Schmitt die Kernaussage des Films. Er wolle nicht dazu aufrufen, dass alle Zuschauer ein Leben wie die „Stangenbohnenpartei“führen.
„Für mich persönlich wäre das nicht möglich“, gibt Paddy Schmitt ohne zu zögern zu. Schließlich schotte man sich durch eine solche Lebensform ein Stück weit vom Rest der Gesellschaft ab. „Und es kriegt ja auch nicht jeder einen Acker und ein Haus umsonst.“
Wie konsequent Jared Rust und Serena Engel ihre Ideale verfolgen und umsetzen, wird in einer Szene im letzten Drittel des Films deutlich: Eine ältere Frau hilft beim Roggendreschen von Hand.
Als sie gefragt wird, ob sie diese Arbeit von früher kennt, antwortet sie trocken: „Nein, als ich ein kleines Kind war, hat man das mit dem Mähdrescher gemacht.“
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