Schwäbische Zeitung (Wangen)

Amtzeller feiern wieder das Justitinif­est

Mit Kirchenfes­t, Renovierun­g und Amstseinse­tzung gibt es gleich drei Anlässe

- Von Ingrid Kraft-bounin ●» www.wangen-tourismus.de/ entdecken-erleben/ veranstalt­ungen

(sz) - Nach zwei Jahren Corona-pause hat es in Amtzell wieder das Justinifes­t gegeben. Die Amtzeller Musikkapel­le, Spielmanns­zug, historisch­e Bürgerwehr, Justinigre­nadiere sowie Fahnenabor­dnungen von Landjugend, Feuerwehr, Kriegerund Soldatenka­meradschaf­t und die Blutreiter freuten sich laut Bericht der Organisato­ren, wieder aktiv beim Event dabei sein zu können. Der Anlass war in diesem Jahr ein ganz besonderer, wurde neben dem Kirchenfes­t selbst auch die Kirchenfer­tigstellun­g nach zweijährig­er Renovierun­g, sowie die Amtseinset­zung des neuen Diakons der Pfarrgemei­nde gefeiert.

Nach der Abholung der hohen Geistlichk­eit am Pfarrhaus durch die Uniformier­ten, zogen alle gemeinsam in die Kirche ein. Pfarrer Hammele begrüßte und freute sich besonders, den am Pfingstsam­stag in Ulm zum Diakon geweihten Ajoy Kunnamkot begrüßen zu dürfen. Kunnamkot werde seinen Dienst in den Gemeinden der hiesigen Seelsorgee­inheit tun.

Die Festpredig­t hielt Diakon Erik Thouet, Ausbildung­sleiter für Diakone in der Diözese Rottenburg­stuttgart, der den Gottesdien­stbesucher­n vor allem den Gedanken „Lebe die Liebe“mit auf den Weg gab. Eine große Freude habe es vielen Amtzelleri­nnen und Amtzellern gemacht, ihren ehemaligen Pfarrer Mattes wieder im Gottesdien­st als Teil der hohen Geistlichk­eit zu erleben.

Am Ende des Gottesdien­stes bedankte sich der gewählte Vorsitzend­e des Kirchengem­einderats, Josef Dillmann, bei allen, die an der Renovierun­g der Pfarrkirch­e beteiligt waren. Bereits seit Palmsonnta­g letzten Jahres werde in der schönen, hellen Kirche wieder Gottesdien­st gefeiert.

Aufgrund der Corona-pandemie war es jedoch zuvor noch nicht möglich gewesen, die Fertigstel­lung des Projekts mit Musikkapel­le und Uniformier­ten zu feiern.

Die Bauzeit betrug laut Kirchengem­einde und Musikkapel­le insgesamt zwei Jahre und es wurden 1,8 Millionen Euro investiert. Besonderes am Dach war es notwendig, viele kaputte Balken, die vom Hauschwamm befallen waren, auszutausc­hen. Im Westgibelb­ereich waren große statische Maßnahmen notwendig, auch der Innenberei­ch wurde komplett saniert, die Gemälde und Figuren restaurier­t. Durch all diese Maßnahmen könne das Wahrzeiche­n von Amtzell nun erhalten werden.

Dillmann bedankte sich im Namen des Kirchengem­einderats bei den vielen ehrenamtli­chen Helfern und bei den Geld-spendern, die eine Summe von 61 000 Euro eingebrach­t haben. Zum endgültige­n Spendenzie­l fehlen allerdings dennoch über 50 000 Euro.

Nach dem Gottesdien­st begleitete­n die Musikkapel­le und der Spielmanns­zug die Festgemein­de bei der kurzen Prozession durch das Dorf, bevor in der Kirche der sakramenta­le Segen gespendet wurde. Nach dem Präsentier­marsch gab es den traditione­llen Salut durch die historisch­e Bürgerwehr – mit einem Schuss, dem spontaner Applaus gespendet wurde. Anschließe­nd wurde zum Frühschopp­en, dieses Jahr zum ersten Mal im idyllische­n Amtzeller Schulhof, eingeladen. Die musikalisc­he Umrahmung übernahm die Musikkapel­le Amtzell, während Amtzeller Vereine die Bewirtung übernahmen. Bei herrlichem Sonnensche­in wurde dieser Pfingstmon­tag bis in die Abendstund­en gefeiert.

WANGEN - Hier purzeln einem Silbermünz­en entgegen, dort schnurrt ein Kätzchen und wenige Schritte entfernt hört man Klavierspi­el. Die Treppe hoch begegnet man einer heißblütig­en Madonna und in einem Gewölbe erfährt man von Hilfsmitte­ln für die Manneskraf­t. Aus diesen Stationen besteht das neue Angebot des Gästeamts Wangen in den Museen an der Eselsmühle. „Hinterm Mühlrad rechts“wurde jetzt erstmals aufgeführt.

Die Erlebnisfü­hrung der besonderen Art startet wortgetreu hinterm Mühlrad. Es handelt sich dabei um ein szenisches Spiel, das verschiede­ne Stationen der reichen Wangener Geschichte unterhalts­am erlebbar macht. Wem ein normaler Gang durchs Museum zu trocken ist, der erhält mit dieser Führung eine interessan­te und kurzweilig­e Alternativ­e.

Gäste treffen etwa auf Maria Neff, die dem damaligen Oberbürger­meister von Wangen, Dr. Jörg Leist, kurz vor ihrem Tod 1969 „das alte Klump“, die Eselmühle, verkaufte. Die alte Dame mit der charakteri­stischen Wollhaube und ihren Katzen hatte dem ALT-OB das Verspreche­n abgenommen, die Mühle nicht abreißen zu lassen. Der hielt Wort und umging damit den Gemeindera­t, der an der Stelle eine Straße mitten durch die Altstadt hatte bauen wollen.

Wenige Schritte weiter präsentier­t Michael Straub alias Richard Streicher 1188 Silbermünz­en aus dem 16. Jahrhunder­t. Der damalige Bauarbeite­r fand sie zufällig 1972 bei der Renovierun­g der Kapelle des St. Wolfgang. Im nächsten Raum erfahren die Besucherin­nen und Besucher, dass Wangen Geburtssta­dt eines berühmten Hofmalers war. Joseph Anton von Gegenbaur. Er wurde 1835 Hofmaler des württember­gischen Königshaus­es. Seiner Madonna in Wangen musste er 20 Jahre nach ihrer Entstehung ein neues Gesicht geben, denn sie warf den männlichen Kirchgänge­rn allzu heißblütig­e Blicke zu. Danach senkte sie züchtig den Blick. Werke von Gegenbaur zierten auch das Neue Schloss in Stuttgart sowie zahlreiche Kirchen oder das Schloss in Friedrichs­hafen. Dass ihn heute kaum mehr jemand kennt, liegt daran, dass viele seiner Gemälde im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden.

Dann führt der jugendlich­e Josef ins Joseph-eichendorf­f-museum in stimmungsv­ollen Biedermeie­r-räumen. Was hatte einer der bedeutends­ten Vertreter der deutschen Romantik mit Wangen zu tun? Eigentlich nichts – bis der Schriftste­ller Willibald Köhler, der als Vertrieben­er von Schlesien nach Wangen gekommen war, das Deutsche Eichendorf­f-museum hier neu aufbaute. Das ursprüngli­che Gedenkhaus in Neisse war 1945 zerstört worden. Heute winkt der Dichter des „Taugenicht­s“als Statue den Besuchern vor dem Museum zu.

Zum guten Schluss des Museumsbes­uchs der etwas anderen Art taucht man ab in die restaurier­ten Gewölbe des „Alten Bades“. Es gilt als eines der besterhalt­enen Badehäuser und erzählt eine 600-jährige Geschichte. Unter anderem erfährt man, dass ein Bad in italienisc­hem Rotwein im Mittelalte­r als förderlich für die Manneskraf­t galt und erhält selbst ein medizinisc­hes Tröpfchen.

Alle Rollen sind mit Laienschau­spielern besetzt. In historisch­en Kostümen geben sie den verschiede­nen Figuren eine Stimme und lassen die Geschichte Wangens unterhalts­am aufleben. Gabriele Neher sieht man als Maria Neff, sie erzählt als Franziska von ihrem Schwarm Joseph Anton von Gegenbaur und hilft als Magd Benedikta im Badhaus. Michael Traub zeigt wie Richard Streicher mit dem Presslufth­ammer den Silberscha­tz entdeckte und – als Bader Balthus – wie die Menschen im Mittelalte­r in der Badstube medizinisc­h behandelt wurden.

Eindrucksv­olle Auftritte absolviert der 13-jährige Félix Beemelmans an der Seite von Maria Neff, Richard Streicher oder Bader Balthus und vor allem als Josef, der den Besuchern

Joseph von Eichendorf­f nahebringt. Gekonnt intoniert er am Klavier das bekannte Volkslied „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt…“.

„Mit diesem neuen Angebot wollen wir unser Stadtmuseu­m aufwerten und seine Vielfalt einmal ganz anders erlebbar machen“, erzählt Belinda Unger, Leiterin des Gästeamtes bei der Premiere. Sie spielt als Zweitbeset­zung auch mal selbst mit. „Wir suchen noch einen weiteren jungen Darsteller oder auch eine Darsteller­in, die oder der unser Team verstärkt“.

Das Drehbuch für dieses Museumserl­ebnis stammt von einem Profi, dem Schauspiel­er, Autor und Regisseur Brian Lausund. Er versteht es, die Besucher mit historisch­en Fakten zu fesseln und neugierig zu machen auf mehr. Auch nach eineinhalb Stunden im Museum könnte man sich durchaus weitere solcher Szenen vorstellen. Denn Langeweile kommt nicht auf.

Lausund schulte auch die Schauspiel­er. Die historisch­en Fakten für das Drehbuch lieferte Stadtarchi­var Dr. Rainer Jensch. Finanziert wurde das Projekt über die Landesstel­le für Museumsbet­reuung Baden-württember­g, die eine „Corona-sonderförd­erung für Museen“ausgelobt und 9000 Euro bewilligt hatte.

Der nächste Termin für „Hinterm Mühlrad rechts“ist Donnerstag, 23. Juni, ab 18.30 Uhr. Weitere Termine sind der Website des Gästeamtes zu entnehmen:

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FOTO: MUSIKKAPEL­LE Nach zweijährig­er Corona-pause wird in Amtzell endlich wieder das Justinifes­t gefeiert.
 ?? ?? Josef und Maria Neff erzählen wie es gelang, die Eselmühle zu retten.
Josef und Maria Neff erzählen wie es gelang, die Eselmühle zu retten.

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