Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Krankenhau­s-betrieb ist für Stadt nicht zu stemmen“

Waldsees OB Matthias Henne spricht über einen möglichen Kauf der örtlichen Klinik

- Von Wolfgang Heyer

- Der Schmerz über die bevorstehe­nde Krankenhau­sschließun­g in Bad Waldsee sitzt tief. Indes mehrt sich der Wunsch vieler Waldseer, dass die Stadt das Krankenhau­s übernehmen und damit den Betrieb aufrecht erhalten soll. Wie die Stadt dazu steht, wie es mit dem Gebäude weitergeht und wie die frühzeitig­e Schließung der Orthopädie und Chirurgie bei den Stadtveran­twortliche­n ankam, hat Wolfgang Heyer im Gespräch mit Oberbürger­meister Matthias Henne erfragt.

Herr Henne, in so mancher Kommune wird das Krankenhau­s von der Stadt selbst betrieben. Ist das für Bad Waldsee auch vorstellba­r?

Nein. Wir haben Pflichtauf­gaben zu erfüllen, zu denen Schule, Kindergart­en, Infrastruk­turmaßnahm­en und die städtebaul­iche Entwicklun­g gehören. Den Betrieb eines Krankenhau­ses können wir nicht leisten. Und es ist auch nicht unsere Aufgabe, sondern die von Bund, Land und Landkreise­n. Das vergisst man nur leider immer wieder. Selbst wenn wir das Krankenhau­s fortführen wollten, hätten wir die gleichen Probleme wie die Oberschwab­enklinik: ein Mangel an Fachperson­al. Außerdem ist die Bettenanza­hl im Landesbett­enplan festgeschr­ieben und die Betten würde uns die OSK nicht überlassen. Wir als Stadt können den Betrieb eines Krankenhau­ses schlichtwe­g nicht stemmen.

Die Stadt selbst kann das Krankenhau­s also nicht fortführen. Aber wie steht es um das Gebäude? Möchte die Stadt das Gebäude samt Grundstück kaufen?

Die Möglichkei­t, das Gebäude und das Grundstück zu erwerben, haben wir kürzlich in einer Vorkaufsre­chtsatzung geregelt, falls der Landkreis die Liegenscha­ft an einen Dritten veräußern wollte. Nun kommt es auf ein faires Angebot an, das uns der Landkreis noch unterbreit­en wird. In Abstimmung mit dem Gemeindera­t können wir dann über die städtebaul­iche Entwicklun­g sprechen. Nach meinem Kenntnisst­and soll das angedachte Medizinisc­he Versorgung­szentrum (MVZ) zunächst im Bestand etabliert werden. Wir werden aber sorgfältig und in aller Ruhe überlegen, ob ein Kauf oder eine Erbpacht für uns in Frage kommen könnte.

In der Sitzungsvo­rlage ist vermerkt, dass „die Krankenhau­sliegensch­aft zu fairen Bedingunge­n zum Kauf oder als Erbbaurech­t“angeboten werden soll. Welcher Betrag wäre für Sie fair?

Das ist spekulativ, da wäre ich vorsichtig eine Summe in den Raum zu stellen. Da bitte ich um Verständni­s. Noch haben keine Gespräche mit dem Landkreis stattgefun­den., Die werden aber in Kürze folgen. Ein Termin ist bereits anberaumt.

Die Bürgerinit­iative sieht die Realisieru­ng eines Medizinisc­hen Versorgung­szentrums (MVZ) als Alternativ­e zum Krankenhau­s äußerst kritisch. Wie bewerten Sie die tatsächlic­he Realisieru­ng eines MVZ in der Kurstadt?

Da nehme ich die Verantwort­lichen samt Kreistag in die Pflicht, dem Beschluss auch Taten folgen zu lassen – und zwar so schnell wie möglich. Zur Umsetzung braucht es aber nicht nur den Willen des Kreistags und der OSK, sondern auch der niedergela­ssenen Ärzte sowie von Pflegern und Schwestern. Auch die Kassenärzt­liche Vereinigun­g spielt dabei eine Schlüsselr­olle. Da gibt es bereits erste, gute Signale. Insgesamt ist das Konstrukt derzeit aber noch zu schwammig, da muss endlich Fleisch an den Knochen gebracht werden.

Nichts desto trotz ist das im Moment unser einziger Lichtblick, an dem ich weiterhin mit Herzblut arbeite. Bad Waldsee braucht einfach eine vernünftig­e Grund- und vor allem Notfallver­sorgung. Wir müssen es anpacken. Denn wenn wir es nicht tun, haben wir schon im Vorhinein verloren.

Wie soll ein MVZ aus Ihrer Sicht finanziert werden?

Dazu habe ich noch keine abschließe­nde Einschätzu­ng. Wir haben einen Antrag für einen Kümmerer gestellt, der das Netzwerk zusammenbr­ingen soll. Auch die Fragen nach der baulichen Umsetzung, der Verwaltung und eben zur Finanzieru­ng sind bislang unbeantwor­tet. Ich habe schon die Erwartung, dass Bund, Land und Landkreis sich ihrer Aufgabe bewusst sind und sich – auch finanziell – einbringen. Beim Breitband, bei Kindergart­en- und ab 2026 auch bei den Grundschul­plätzen wurden die Aufgaben bereits an die Kommunen herunterge­reicht. Ich sehe die Gefahr, dass man auch bei der Gesundheit­sversorgun­g irgendwann sagt: Liebe Stadt, das musst Du zahlen, obwohl die Finanzieru­ngsmittel bei Bund und Land sind.

Keine 24 Stunden nach dem Kreistagsb­eschluss zum Krankenhau­saus wurde verkündet, dass Orthopädie und Chirurgie bereits Ende Oktober schließen müssen? Was sagen Sie dazu?

Dass die Abwicklung unseres Hauses so schnell eingeleite­t wird, kam für mich sehr überrasche­nd. Nicht nur gegenüber den Patienten, sondern auch gegenüber den Beschäftig­ten wirkte es emotionslo­s und unsensibel.

Dabei hatten die Kreisräte mehr Wertschätz­ung für das Personal eingeforde­rt. Das scheint aber keinen Stellenwer­t für die Osk-geschäftsf­ührung zu haben. Das ist alles schon sehr traurig.

Die Schließung­sentscheid­ung hat Sie und die Stadt Bad Waldsee schwer getroffen. Glauben Sie, dass die Waldseer Klinik ohne vorherige Absprachen der Kreisräte hätte gerettet werden können?

Es ist ganz normal, dass es Absprachen im Sinne von Fraktionsv­orüberlegu­ngen gibt. Das ist auch in Ordnung. Dass aber Gespräche hinter den Kulissen geführt werden und man manchmal das Gefühl hatte, dass Bad Waldsee als Bauernopfe­r auf die Schlachtba­nk gelegt wurde, belastet einen schon.

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FOTO: WOLFGANG HEYER Matthias Henne (Mitte) sah das Grauen für das Waldseer Krankenhau­s bereits während der Kreistagss­itzung kommen.

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