Unglaubwürdige Wertschätzung
Nicht ohne Selbstbewusstsein weist Bauernpräsident Joachim Rukwied darauf hin, dass Lösungen bei Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Energiewende ohne die Landwirtschaft nicht möglich sind. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn bei nicht minder wichtigen Themen wie einer umweltschonenden Produktion und der Sicherstellung von Artenvielfalt und Tierwohl werden Landwirte die an sie gestellten Herausforderungen nicht ohne die Hilfe der Gesellschaft bewältigen können.
Auf der einen Seite hat der Ukraine-krieg auch in reichen Staaten wie der Bundesrepublik wieder ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln nicht selbstverständlich ist. Auch wenn in deutschen Märkten voraussichtlich kein Mangel droht, führt die Politik Moskaus in anderen Regionen der Welt zu Engpässen. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung legitim, befristet auf strengere Vorgaben zu verzichten und auf eigentlich für den Naturschutz vorgesehenen Flächen Nahrungsmittel anzubauen. Der Vorwurf grüner Aktivisten, dass Umweltschutz und Krieg gegeneinander ausgespielt werden, trifft nicht zu.
Auf der anderen Seite ist es mit der Wertschätzung für die Arbeit der Landwirte nicht weit her. Im Zuge der Krise und vor allem infolge der steigenden Inflation setzte eine Gegenbewegung im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten ein: Während die Verbraucher in den Coronamonaten die Biomärkte stürmten und hochwertige, regionale und umweltschonend produzierte Lebensmittel kauften, setzen sie nun wieder vor allem auf den Preis. Discounter gewinnen Marktanteile zurück, die billigen Eigenmarken sind Bestseller.
Klar ist, dass so eine Wertschätzung dem Bauernstand nicht hilft, die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen. Wenn die Betriebe nach der Krise hochwertige Lebensmittel produzieren und dabei den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden sollen, werden die Produkte teurer werden müssen. Die Preissteigerungen, die sich gerade andeuten, könnten dabei nur ein Vorgeschmack sein.