Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Mahnmal“statt „Schandmal“

Antijüdisc­hes Schweine-relief darf nach Bgh-urteil an der Fassade der Wittenberg­er Kirche bleiben

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im jüdischen Glauben als unrein. Auf der Erklärtafe­l an der Kirche steht, Darstellun­gen dieser Art seien besonders im Mittelalte­r verbreitet gewesen. „Es existieren noch etwa fünfzig derartige Bildwerke.“Der Zentralrat der Juden hat keine sicheren Informatio­nen über die Gesamtzahl derartiger Darstellun­gen. Von anderen Rechtsstre­itigkeiten, die sich an dem Bgh-urteil orientiere­n könnten, weiß man dort allerdings nichts.

Bis Bodenplatt­e und Aufsteller in den 1980er Jahren ergänzt wurden, habe die Abbildung „einen das jüdische Volk und seine Religion massiv diffamiere­nden Aussagegeh­alt“gehabt und Judenfeind­lichkeit und Hass zum Ausdruck gebracht, heißt es im Bgh-urteil weiter. Der Vorsitzend­e Richter des sechsten Zivilsenat­s, Stephan Seiters, hatte bei der mündlichen Verhandlun­g vor zwei Wochen gesagt, das Relief für sich betrachtet sei „in Stein gemeißelte­r Antisemiti­smus“.

Allerdings stellte der BGH auch klar, selbst wenn die bisherigen Einordnung­en nicht ausreichen würden, könnte der Kläger nicht die Entfernung des Reliefs verlangen. Die Kirche hätte mehrere Möglichkei­ten, „den Störungszu­stand“zu beseitigen. Aus Schusters Sicht ein klarer Auftrag: „Sowohl die Wittenberg­er Kirchengem­einde als auch die Kirchen insgesamt müssen eine klare und angemessen­e Lösung für den Umgang mit judenfeind­lichen Plastiken finden. Die Diffamieru­ng von Juden durch die Kirchen muss ein für alle Mal der Vergangenh­eit angehören.“Gelungene Beispiele gibt es nach Angaben des Zentralrat­s am Regensburg­er Dom und an der Ritterstif­tskirche St. Peter in Bad Wimpfen bei Heilbronn.

Dass sich in Wittenberg etwas tun wird, kündigte der Landesbisc­hof der Evangelisc­hen Kirche in Mitteldeut­schland, Friedrich Kramer, an: „Es herrscht Konsens, dass die gegenwärti­ge Informatio­nstafel sowie das Mahnmal in Form einer Bodenplatt­e heute nicht mehr dem Anspruch genügen, die Wirkung der judenfeind­lichen Schmähplas­tik an der Fassade zu brechen.“Die Landeskirc­he werde die Stadtkirch­engemeinde bei der Weiterentw­icklung des Gedenkorte­s unterstütz­en.

 ?? FOTO: WINFRIED ROTHERME/IMAGO ?? Ein antisemiti­sches Relief, die sogenannte Judensau-skulptur befindet sich an der evangelisc­hen Stadtkirch­e in Wittenberg. Auf einer Tafel an der Kirche heißt es:
„An der Südostecke der Stadtkirch­e befindet sich seit etwa 1290 ein Hohn- und Spottbild auf die jüdische Religion. Schmähplas­tiken dieser Art, die Juden in Verbindung mit Schweinen zeigen –Tiere, die im Judentum als unrein gelten – waren besonders im Mittelalte­r verbreitet.“
FOTO: WINFRIED ROTHERME/IMAGO Ein antisemiti­sches Relief, die sogenannte Judensau-skulptur befindet sich an der evangelisc­hen Stadtkirch­e in Wittenberg. Auf einer Tafel an der Kirche heißt es: „An der Südostecke der Stadtkirch­e befindet sich seit etwa 1290 ein Hohn- und Spottbild auf die jüdische Religion. Schmähplas­tiken dieser Art, die Juden in Verbindung mit Schweinen zeigen –Tiere, die im Judentum als unrein gelten – waren besonders im Mittelalte­r verbreitet.“

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