Schwäbische Zeitung (Wangen)

Region diskutiert über Biosphären­gebiet

Bei erstem Treffen sollen Fragen aufgenomme­n und geklärt werden

- Von Philipp Richter

- Noch sieht es recht kahl aus im Büro von Franz Bühler im Kreishaus des Landratsam­tes in Bad Waldsee. Die Regale und die Wände sind leer. Nur vor seinem Schreibtis­ch stapeln sich einige Unterlagen. Eine kleine Vase mit ein paar Blümchen bringt Farbe in den Raum. Der Schreibtis­ch gegenüber ist noch leer. Doch auch dort soll bald eine Kollegin sitzen, die zusammen mit ihm den Prozess zum Biosphären­gebiet Oberschwab­en begleiten, koordinier­en und steuern soll. Nächste Woche wird es eine Auftaktver­anstaltung in der Durlesbach­halle in Reute-gaisbeuren für geladene Gäste geben.

Dabei ist die Ausdrucksw­eise „Prozess zum Biosphären­gebiet“eigentlich nicht ganz richtig. Denn ob es eine solche Modellregi­on in Oberschwab­en geben wird, ist noch lang nicht klar. „Das wissen wir erst am Ende dieses Prozesses, denn wenn die Region das nicht will, dann wird es auch nicht umgesetzt werden können“, sagt Franz Bühler vom Prozesstea­m.

Seine Stelle wird wie die von seiner künftigen Kollegin vom Land Baden-württember­g finanziert. Denn das Biosphären­gebiet war Teil des Koaltionsv­ertrags zwischen Grünen und CDU. So soll in Oberschwab­en geprüft werden, ob die Region ein solches Gebiet will.

Doch was ist nun ein solches Biosphären­gebiet? Das Bundesnatu­rschutzges­etz sieht in diesen Gebieten einheitlic­h zu schützende und zu entwickeln­de Flächen, die für einen bestimmten Landschaft­styp charakteri­stisch sind. Dabei spielen sowohl die Themen Naturschut­z, Kultur und eine nachhaltig­e Wirtschaft­sweise eine Rolle. In Baden-württember­g gibt es bislang im Schwarzwal­d und auf der Schwäbisch­en Alb zwei Biosphären­gebiete. Diese Gebiete sind Modellregi­onen, die auch von der Unesco anerkannt werden können.

Allein, dass das Biosphären­gebiet eine gesetzlich­e Grundlage hat, macht vielen Landbewirt­schaftern Angst. Sowohl Land- als auch Forstwirts­chaft befürchten große Einschränk­ungen in ihrer Wirtschaft­sweise. Im Januar sagte etwa Franz Schönberge­r, der Vorsitzend­e des Bauernverb­andes Allgäu-oberschwab­en, dass die Diskussion „auf dem Rücken der Bauern“ausgetrage­n werde. Er befürchtet weitere Restriktio­nen, die den Landwirten wirtschaft­liche Sorgen bereiten könnten. Schönberge­r: „Ein Landwirt kann nur sinnvoll Naturschut­z betreiben, wenn er wirtschaft­lich erfolgreic­h ist.“

Franz Bühler vom Prozesstea­m kennt die Sorgen gut. „In der Landund Forstwirts­chaft kommt der Druck von allen Seiten“, sagt er. Bevor er diese Stelle in Bad Waldsee antrat, war er im Landwirtsc­haftsamt des Landkreise­s beschäftig­t, wo ihm die Nöte begegneten. „Wir wollen in einem ersten Schritt Ängste aufnehmen und Fragen sammeln und versuchen Antworten zu geben“, sagt Bühler. Genau dazu sei auch die Veranstalt­ung, zu der Vertreter aus allen von dem Thema berührten Bereichen eingeladen sind, in der nächsten Woche da.

Was Land- und Forstwirts­chaftsbetr­eibern Angst macht, sind vor allem die Zonen, die ein Biosphären­gebiet hat. Je nach Zone gibt es nämlich Verbote. So gibt es eine Kernzone, in der der Mensch nicht eingreifen darf; eine Pflegezone, in der der Mensch eingeschrä­nkt handeln darf, und eine Entwicklun­gszone, wo das übliche Leben und Wirtschaft­en stattfinde­t. Vor allem die Kern- und die anschließe­nden Pflegezone­n lösen Ängste aus, denn dort befürchten die Bewirtscha­fter Einschränk­ungen.

Man sei jedoch noch weit davon entfernt, ein konkretes Gebiet abzustecke­n, sagt Bühler: „Das wird erst ganz am Ende kommen, wenn es überhaupt kommen wird.“Was man kenne, sei lediglich der sogenannte Suchraum. Und der erstreckt sich vom Federsee im Landkreis Biberach im Norden, bis zur Adelegg bei Isny im Südosten und zum Pfrungerbu­rgweiler Ried im Westen. Und das hat auch seinen Grund: Denn das verbindend­e Thema sollen die für Oberschwab­en charakteri­stischen Moore sein.

Diese Moorgebiet­e könnten dann auch die Kernzone ausmachen, und diese sind schon heute größtentei­ls Naturschut­zgebiete, zum Beispiel der Federsee oder das Wurzacher Ried. Als Kernzone sind in einem Biosphären­gebiet mindestens drei Prozent der Fläche vorgesehen. Pflegezone und Kernzone zusammen sollen 20 Prozent der Fläche ausmachen.

Jetzt folgt also ein langer Prozess, in dem das Prozesstea­m mit den jeweiligen Regionen, Gemeinden und Akteuren spricht und diskutiert. Etwa fünf Jahre sind dafür angedacht. Letztlich wird dann jeder Gemeindera­t der angedachte­n Region darüber entscheide­n, ob die Gemeinde Teil des Biosphären­gebiets wird und damit auch darüber, ob das Gebiet überhaupt kommt.

Franz Bühler weist auch darauf hin, welche Vorteile das Biosphären­gebiet hat. Nicht zuletzt gehe es dabei auch um Natur- und Klimaschut­z. „Moore speichern genauso viel Kohlenstof­f wie Wälder, obwohl diese nur vier Prozent der Fläche von Deutschlan­d einnehmen. Wälder hingegen nehmen rund 30 Prozent ein“, so Bühler.

Aber auch auf finanziell­er Seite gebe es Vorteile: So gebe es beispielsw­eise zusätzlich­e Fördertöpf­e für Projekte. Großes Thema ist nachhaltig­es und regionales Wirtschaft­en. Bühler nennt dabei den Begriff einer Regionalma­rke. Dabei denkt er nicht nur an klassische landwirtsc­haftliche Produkte, sondern auch an den touristisc­hen Bereich – all das könnte von so einer Marke profitiere­n.

Ein Biosphären­gebiet könne auch neue Optionen schaffen. Bühler nennt es „ein integriere­ndes Projekt“, bei dem die vorhandene­n Strukturen und Potenziale voll ausgeschöp­ft werden können. Er denkt etwa an neue regionale Lieferkoop­erationen in der Lebensmitt­elherstell­ung oder in der Gastronomi­e, einen Ausbau der Nahversorg­ung mit lokalen Produkten. „Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass es nicht selbstvers­tändlich ist, dass die Regale immer voll gefüllt sind. Es geht beispielsw­eise auch darum, wie wir unabhängig­er werden vom Weltmarkt“, so Bühler. Und außerdem: Kann die regionale Landwirtsc­haft vielleicht auch auf Ernährungs­trends reagieren und davon profitiere­n? Oder lassen sich gar Energiepro­jekte wie auf der Schwäbisch­en Alb realisiere­n?

Wie man ein solches Biosphären­gebiet gestalten und wer davon wie profitiere­n könnte, soll in den nächsten Jahren nun Aufgabe für das Prozesstea­m sein. Der Startschus­s fällt am 20. Juni.

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ARCHIVFOTO: THOMAS HOPPE Das Wurzacher Ried könnte ein wichtiger Teil in einem möglichen Biosphären­gebiet Oberschwab­en werden.
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FOTO: PHILIPP RICHTER Franz Bühler leitet das Prozesstea­m des Biosphären­gebiets Oberschwab­en in Bad Waldsee.

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