Region diskutiert über Biosphärengebiet
Bei erstem Treffen sollen Fragen aufgenommen und geklärt werden
- Noch sieht es recht kahl aus im Büro von Franz Bühler im Kreishaus des Landratsamtes in Bad Waldsee. Die Regale und die Wände sind leer. Nur vor seinem Schreibtisch stapeln sich einige Unterlagen. Eine kleine Vase mit ein paar Blümchen bringt Farbe in den Raum. Der Schreibtisch gegenüber ist noch leer. Doch auch dort soll bald eine Kollegin sitzen, die zusammen mit ihm den Prozess zum Biosphärengebiet Oberschwaben begleiten, koordinieren und steuern soll. Nächste Woche wird es eine Auftaktveranstaltung in der Durlesbachhalle in Reute-gaisbeuren für geladene Gäste geben.
Dabei ist die Ausdrucksweise „Prozess zum Biosphärengebiet“eigentlich nicht ganz richtig. Denn ob es eine solche Modellregion in Oberschwaben geben wird, ist noch lang nicht klar. „Das wissen wir erst am Ende dieses Prozesses, denn wenn die Region das nicht will, dann wird es auch nicht umgesetzt werden können“, sagt Franz Bühler vom Prozessteam.
Seine Stelle wird wie die von seiner künftigen Kollegin vom Land Baden-württemberg finanziert. Denn das Biosphärengebiet war Teil des Koaltionsvertrags zwischen Grünen und CDU. So soll in Oberschwaben geprüft werden, ob die Region ein solches Gebiet will.
Doch was ist nun ein solches Biosphärengebiet? Das Bundesnaturschutzgesetz sieht in diesen Gebieten einheitlich zu schützende und zu entwickelnde Flächen, die für einen bestimmten Landschaftstyp charakteristisch sind. Dabei spielen sowohl die Themen Naturschutz, Kultur und eine nachhaltige Wirtschaftsweise eine Rolle. In Baden-württemberg gibt es bislang im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb zwei Biosphärengebiete. Diese Gebiete sind Modellregionen, die auch von der Unesco anerkannt werden können.
Allein, dass das Biosphärengebiet eine gesetzliche Grundlage hat, macht vielen Landbewirtschaftern Angst. Sowohl Land- als auch Forstwirtschaft befürchten große Einschränkungen in ihrer Wirtschaftsweise. Im Januar sagte etwa Franz Schönberger, der Vorsitzende des Bauernverbandes Allgäu-oberschwaben, dass die Diskussion „auf dem Rücken der Bauern“ausgetragen werde. Er befürchtet weitere Restriktionen, die den Landwirten wirtschaftliche Sorgen bereiten könnten. Schönberger: „Ein Landwirt kann nur sinnvoll Naturschutz betreiben, wenn er wirtschaftlich erfolgreich ist.“
Franz Bühler vom Prozessteam kennt die Sorgen gut. „In der Landund Forstwirtschaft kommt der Druck von allen Seiten“, sagt er. Bevor er diese Stelle in Bad Waldsee antrat, war er im Landwirtschaftsamt des Landkreises beschäftigt, wo ihm die Nöte begegneten. „Wir wollen in einem ersten Schritt Ängste aufnehmen und Fragen sammeln und versuchen Antworten zu geben“, sagt Bühler. Genau dazu sei auch die Veranstaltung, zu der Vertreter aus allen von dem Thema berührten Bereichen eingeladen sind, in der nächsten Woche da.
Was Land- und Forstwirtschaftsbetreibern Angst macht, sind vor allem die Zonen, die ein Biosphärengebiet hat. Je nach Zone gibt es nämlich Verbote. So gibt es eine Kernzone, in der der Mensch nicht eingreifen darf; eine Pflegezone, in der der Mensch eingeschränkt handeln darf, und eine Entwicklungszone, wo das übliche Leben und Wirtschaften stattfindet. Vor allem die Kern- und die anschließenden Pflegezonen lösen Ängste aus, denn dort befürchten die Bewirtschafter Einschränkungen.
Man sei jedoch noch weit davon entfernt, ein konkretes Gebiet abzustecken, sagt Bühler: „Das wird erst ganz am Ende kommen, wenn es überhaupt kommen wird.“Was man kenne, sei lediglich der sogenannte Suchraum. Und der erstreckt sich vom Federsee im Landkreis Biberach im Norden, bis zur Adelegg bei Isny im Südosten und zum Pfrungerburgweiler Ried im Westen. Und das hat auch seinen Grund: Denn das verbindende Thema sollen die für Oberschwaben charakteristischen Moore sein.
Diese Moorgebiete könnten dann auch die Kernzone ausmachen, und diese sind schon heute größtenteils Naturschutzgebiete, zum Beispiel der Federsee oder das Wurzacher Ried. Als Kernzone sind in einem Biosphärengebiet mindestens drei Prozent der Fläche vorgesehen. Pflegezone und Kernzone zusammen sollen 20 Prozent der Fläche ausmachen.
Jetzt folgt also ein langer Prozess, in dem das Prozessteam mit den jeweiligen Regionen, Gemeinden und Akteuren spricht und diskutiert. Etwa fünf Jahre sind dafür angedacht. Letztlich wird dann jeder Gemeinderat der angedachten Region darüber entscheiden, ob die Gemeinde Teil des Biosphärengebiets wird und damit auch darüber, ob das Gebiet überhaupt kommt.
Franz Bühler weist auch darauf hin, welche Vorteile das Biosphärengebiet hat. Nicht zuletzt gehe es dabei auch um Natur- und Klimaschutz. „Moore speichern genauso viel Kohlenstoff wie Wälder, obwohl diese nur vier Prozent der Fläche von Deutschland einnehmen. Wälder hingegen nehmen rund 30 Prozent ein“, so Bühler.
Aber auch auf finanzieller Seite gebe es Vorteile: So gebe es beispielsweise zusätzliche Fördertöpfe für Projekte. Großes Thema ist nachhaltiges und regionales Wirtschaften. Bühler nennt dabei den Begriff einer Regionalmarke. Dabei denkt er nicht nur an klassische landwirtschaftliche Produkte, sondern auch an den touristischen Bereich – all das könnte von so einer Marke profitieren.
Ein Biosphärengebiet könne auch neue Optionen schaffen. Bühler nennt es „ein integrierendes Projekt“, bei dem die vorhandenen Strukturen und Potenziale voll ausgeschöpft werden können. Er denkt etwa an neue regionale Lieferkooperationen in der Lebensmittelherstellung oder in der Gastronomie, einen Ausbau der Nahversorgung mit lokalen Produkten. „Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass die Regale immer voll gefüllt sind. Es geht beispielsweise auch darum, wie wir unabhängiger werden vom Weltmarkt“, so Bühler. Und außerdem: Kann die regionale Landwirtschaft vielleicht auch auf Ernährungstrends reagieren und davon profitieren? Oder lassen sich gar Energieprojekte wie auf der Schwäbischen Alb realisieren?
Wie man ein solches Biosphärengebiet gestalten und wer davon wie profitieren könnte, soll in den nächsten Jahren nun Aufgabe für das Prozessteam sein. Der Startschuss fällt am 20. Juni.