Wenn die Inflation auch das Wohnen verteuert
Steigende Preise spüren Mieter vor allem bei Nebenkosten – Lage wird zum doppelten Problem
- Eigentlich ist ein Indexmietvertrag eine simple Sache: Anstatt die Miete alle paar Jahre zu erhöhen, richtet sie sich nach der Inflation. Steigt in Deutschland der Verbraucherpreisindex, mit dem das Statistische Bundesamt die Lebenshaltungskosten der Haushalte misst, erhöht sich in diesem Umfang auch die Miete. Für Menschen, die zur Miete wohnen, schien das Risiko in den vergangenen Jahren überschaubar. So lag die Inflation beispielsweise im Jahr 2019 bei 1,4 Prozent, 2015 und 2016 gar nur bei 0,5 Prozent. Derzeit sieht dies jedoch ganz anders aus.
So kletterte die Inflationsrate nach Angaben des Statistischen Bundesamts im April auf 7,4 Prozent, im Mai lag sie vorläufigen Angaben zufolge bei 7,9 Prozent. „Wer einen Indexvertrag hat, muss mit deutlich steigenden Kaltmieten rechnen, zusätzlich zu den steigenden Heizkosten“, warnt Maximilian Klug, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Mietervereins Kempten. Denn Vermieter können hier die Inflation an die Mieter weiterreichen – dafür muss die Miete allerdings zwölf Monate unverändert sein und die Berechnung offengelegt werden.
„Für Vermieter ist das eine komfortable Situation“, sagt Klug. Mieterhöhungen seien hier einfacher als bei normalen Mietverträgen und bedürfen keiner weiteren Begründung. Eine Kappungsgrenze, die Steigerungen auf einen bestimmten Prozentsatz oder Inflationswert limitiert, gibt es bisher nicht. „Das ist aus Mieterperspektive sozial schwierig. Wenn neben den Heizkosten die Kaltmiete rasant steigt, bringt das manche sicherlich in Schwierigkeiten“, sagt Klug.
Auf der Vermieterseite sieht man das anders. „Solange es keine andere Regelung gibt, ist die derzeitige in Ordnung. Auch, dass es keine Kappungsgrenze gibt“, sagt Ottmar Huffschmid, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins Kaufbeuren. Wenn der Index steige, sei das ein gewisser Ausgleich für Zeiten, in denen der Index niedriger geworden sei. „Das ist in Ordnung so.“
Auch Klug räumt ein, dass Mieter in den vergangenen Jahren mit Indexverträgen „gar nicht so schlecht gefahren sind“. Denn die Mieten in der Region Allgäu hätten um drei bis fünf Prozent angezogen.
Wenn die Verbraucherpreise weniger stark steigen als die Mieten, könne man hier besser fahren. „In den letzten Jahren war das der Fall, das kehrt sich gerade mit Vehemenz um.“
Trotz einiger Vorteile ist Hausbesitzer-vorsitzender Huffschmid kein Freund des Indexmodells. „Der Index schwankt. Bei einer Staffelmietvereinbarung haben beide Seiten klare Verhältnisse und wissen, ab wann die Miete um welchen Betrag steigt.“Derzeit spreche man viel darüber, Mieterhöhungen zu deckeln. „Meines Wissens steigen die Mieten aber geringer als die Löhne“, sagt Huffschmid. Hier sei viel Augenwischerei dabei. „Das ist nicht das größte Problem, das wir derzeit haben.“
Durch Indexverträge steigende Mieten treffen Mieter in der Region – direkt oder indirekt. In Kempten, schätzt Klug, dürfte deren Anteil unter zehn Prozent liegen. In Memmingen, glaubt Michael Ballentin, Jurist beim dortigen Mieterverein, dürfte der Anteil bei zehn bis 15 Prozent liegen. Sie seien bereits vor der hohen Inflation bei Vermietern beliebter geworden. Auch Ballentin sieht eine drohende Schieflage. „Gerade bei kleinen und mittleren Einkommen kann man hohe Verbraucherpreise kaum abfedern.“Das sei bei vielen Mietern der Fall. „Diese Menschen sind von der Inflation sehr stark betroffen.“Gleichzeitig gibt es eine indirekte Auswirkung. „Wenn alle Mieten bei Indexverträgen erhöht werden, steigt das allgemeine Mietniveau“, warnt Klug. Das spürten dann auch andere Mieter durch steigende Vergleichsmieten.
Ballentin rät Mietern mit Indexverträgen, den Kontrakt wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzufechten. Die Verbraucherpreise seien die Grundlage des Vertrages. „Die gemeinsame Geschäftsgrundlage war nicht, dass der Mieter mit Verbraucherpreis-erhöhungen von acht Prozent rechnen muss.“Es wäre recht und billig, dass Indexvereinbarungen in normale Mietverträge geändert werden. „Natürlich leiden auch Vermieter unter den steigenden Preisen“, sagt Ballentin. Mieter litten aber deutlich stärker.