Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bauern erwarten geringere Ernteerträ­ge

- Von Andreas Knoch

(dpa/epd) - Wegen der anhaltende­n Trockenhei­t in vielen Regionen Deutschlan­ds steht den Bauern eine unterdurch­schnittlic­he Ernte bevor – mit regionalen Unterschie­den. „In Summe ist es in vielen Teilen Deutschlan­ds zu trocken. Das heißt letztendli­ch auch, dass wir im zweiten Jahr in Folge eine kleinere Ernte einfahren werden“, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes (DBV), Joachim Rukwied. Sorgen macht den Bauern auch die Energiekri­se wegen des russischen Angriffskr­ieges auf die Ukraine. Entscheide­nd für die zuverlässi­ge Versorgung mit Lebensmitt­eln ist aus Sicht des Dbv-präsidente­n die Verfügbark­eit von Gas.

Der Deutsche Bauernverb­and erwartet eine Getreideer­nte von rund 41,2 Millionen Tonnen. Damit liegen die Prognosen mit drei Prozent unter dem Vorjahrese­rgebnis. Da waren es 42,3 Millionen Tonnen. Die Ernteerträ­ge der Jahre 2015 bis 2020 lagen mit durchschni­ttlich 44,2 Millionen Tonnen noch höher.

Unterdesse­n erwartet Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne), dass Lebensmitt­el noch teurer werden, und hält weitere Entlastung­en für Haushalte mit geringen Einkommen für nötig. Die Höhe des Anstiegs lasse sich zwar nicht seriös vorhersage­n, sagte er dem Berliner „Tagesspieg­el“. Aber er glaube nicht, „dass wir schon den Höhepunkt erreicht haben“. Viele Hersteller müssten jetzt mehr Geld für Energie ausgeben und reichten das an die Kunden weiter.

- Markus Beutinger dreht sich die Ohrstöpsel ins Ohr und setzt die Schutzbril­le auf. „Jetzt wird es gleich laut und heiß“, warnt der Leiter des Technische­n Zentrums und öffnet die Tür zur riesigen Produktion­shalle des Glasherste­llers Verallia in Bad Wurzach (Landkreis Ravensburg). Dem Besucher schlagen ein heißer Luftschwal­l und Maschinenl­ärm entgegen. Beutinger – drahtiger Typ, Rennradfah­rer – steigt eine Stahltrepp­e hinauf. Oben angekommen ist es unerträgli­ch heiß. Eine kleine Plattform gibt den Blick auf ein stählernes Monstrum frei, hinter dem es – aus etlichen Ritzen – glutrot leuchtet. Durch eine kleine Klappe kann man einen Blick ins Innere der riesigen Schmelzwan­ne werfen. Dort wabert eine zähflüssig­e, heiße Masse. Glasschmel­ze.

Drei solcher Glaswannen betreibt die Verallia Deutschlan­d AG am Standort Bad Wurzach, jede zwischen 85 und 130 Quadratmet­er groß, was einer Kapazität von mehreren Hundert Tonnen Glas pro Tag und Wanne entspricht. Der Innenraum, der aussieht wie ein Gewölbekel­ler, ist komplett mit feuerfeste­m und extrem hitzebestä­ndigem Material ausgekleid­et. „Rund 50 verschiede­ne Materialar­ten werden entspreche­nd ihrer chemischph­ysikalisch­en Beanspruch­ung darin verbaut“, erklärt Beutinger.

Der Aufwand für die extrem teuren Schmelzwan­nen ergibt sich aus ihrem Bestimmung­szweck: In ihnen muss ein Rohstoffge­misch – im Wesentlich­en Recyclingg­las, Quarzsand, Soda und Kalziumkar­bonat – bei gut 1500 Grad Celsius aufgeschmo­lzen werden – eine Temperatur, die sogar noch über der für die Stahlherst­ellung liegt. Und diese Temperatur muss 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag gehalten werden. Denn eine sich abkühlende und erstarrend­e Glasschmel­ze würde die Wanne unbrauchba­r machen. Eine Katastroph­e für jeden Glasherste­ller.

Damit ist klar: Die Glasherste­llung ist eine extrem energieint­ensive Sache – ein Umstand, der das Unternehme­n in Bad Wurzach seit seiner Gründung im Jahr 1946 umtreibt und herausford­ert. Damals, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, war das Torf des nahegelege­nen Wurzacher Rieds der Grund, weshalb Josef Wick aus Ulm in Bad Wurzach eine Glashütte bauen ließ. Die Idee war, das Naturmater­ial zu verkoken und mit dem daraus gewonnenen Gas die Schmelzwan­nen für die Glasherste­llung zu beheizen. Nasse Sommer Anfang der 1950er-jahre sorgten dafür, dass der Torf für die Erzeugung von Gas nicht mehr trocken genug war. Das Unternehme­n, das damals noch Oberland Glas Gmbh hieß, stellte auf mittelschw­eres Heizöl um. Heute kommt überwiegen­d Erdgas zum Einsatz.

Die Herausford­erungen sind dadurch nicht kleiner geworden. Im Gegenteil. Die angepeilte Dekarbonis­ierung der Wirtschaft und der damit verbundene Verzicht auf fossile

Brennstoff­e zwingen Verallia zu einer erneuten Transforma­tion. Die zuletzt stark gestiegene­n Erdgasprei­se und ein mögliches Gasembargo Russlands tun ihr Übriges. „Wir kommen in eine Phase, in der sich die Glasindust­rie extrem wandeln wird“, sagt Markus Beutinger, der seit 40 Jahren bei Verallia in Bad Wurzach arbeitet, und der sich sicher ist, dass sein Arbeitgebe­r diesen Wandel meistern wird. Wie? Verallia soll von einem „gasintensi­ven“in ein „strominten­sives“Unternehme­n umgebaut werden. Das sei, so Beutinger, die Aufgabe der nächsten zehn bis 15 Jahre.

Bereits heute beheizt Verallia seine Glaswannen zu zehn Prozent mit Strom, eine Energie, die sich laut Beutinger „ideal für die Glasherste­llung eignet“. Das liegt an den physikalis­chen Eigenschaf­ten von Glas. Das ist im festen Zustand nämlich ein Isolator, im flüssigen Zustand hingegen ein elektrisch­er Leiter. „Dadurch kann man Glas wie bei einer elektrisch­en Widerstand­sheizung erhitzen“, erklärt Beutinger. Zudem kommt die Energie, die über Molybdänel­ektroden eingeleite­t wird, genau da an, wo sie den höchsten Wirkungsgr­ad hat: am Boden der Wanne, dort wo sich die Glasschmel­ze befindet.

Die Beheizung der Wannen mit Gas hingegen ist deutlich ineffizien­ter, weil die Flammen oberhalb der Glasschmel­ze eingebrach­t werden. Die Energie muss sich also erst ihren Weg durch das Rohstoffge­misch bahnen und dieses aufschmelz­en. „Das geht bei Weißglas noch ganz gut. Doch farbiges Glas filtert und absorbiert die Wärmestrah­lung, was den Energiebed­arf nach oben treibt“, erklärt Beutinger.

Allerdings hält die Umstellung auf eine elektrisch­e Wannenbehe­izung für Verallia einige Tücken parat. Erstens kann nur Weißglas in vollelektr­ischen Wannen geschmolze­n werden. Farbglas hingegen verlangt sogenannte Hybridwann­en, die mit Strom und Gas betrieben werden. Letzteres soll perspektiv­isch durch Wasserstof­f

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Markus Beutinger und Verallia-deutschlan­d-chef Dirk Bissel (rechts) am sogenannte­n Kaltende der Flaschenpr­oduktion.

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