Schwäbische Zeitung (Wangen)

Quidditch wird nicht nur in Hogwarts gespielt

2005 haben Us-studenten den Harry-potter-sport aus der magischen Welt geholt und Regeln erfunden

- Von Christina Sticht

(dpa) - Manches Fußball-wm-finale wirkt dagegen langweilig: Die Quidditch-spiele in den Harry-potter-romanen und -Filmen sind an Dramatik kaum zu überbieten. Auf seinem fliegenden Besen muss sich der junge Zauberer selbst im Gewitterst­urm beweisen und wird immer wieder zum gefeierten Helden. 25 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes von Joanne K. Rowling hat sich Quidditch als Sport in der realen Welt etabliert.

„Deutschlan­d ist nach den USA auf Platz zwei der größten Quidditch-nationen“, sagt Kevin Kauper vom Deutschen Quidditchb­und. Mit mehr als 40 Teams und etwa 1300 Aktiven stehe Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich sehr gut da.

Es handelt sich um eine dynamische Mischung aus Rugby, Dodgeball und Handball – zeitweise sind fünf Bälle im Spiel. In jedem der gemischtge­schlechtli­chen Teams sind vier unterschie­dliche Positionen einzunehme­n. Skurril ist, dass die Jägerinnen und Hüter, Treiberinn­en und Sucher stets einen Besen zwischen den Beinen haben müssen – beim Sprinten, Werfen in die drei Torringe auf Stelzen, Abwerfen von Gegnern und Tackling, also im robusten Zweikampf.

Der Besen sorgt aus Sicht der Quidditch-fans dafür, dass eine gewisse Leichtigke­it bleibt. „Es ist ein Sport, da läuft man mit Plastiksta­ngen zwischen den Beinen. Wie ernst kann man den nehmen?“, sagt Ammon Scheller, Trainer der Hannover Niffler. Sein Team ist an diesem Tag Ausrichter eines Spieltags der Nordliga, zu der auch Mannschaft­en aus Braunschwe­ig, Oldenburg, Hamburg und Kiel gehören.

Im Arminia-stadion dominieren die Braunschwe­iger Broomicorn­s, die kurz zuvor beim Deutschen Quidditch-pokal hinter den Münchner Wolperting­ern den zweiten Platz unter 28 Teams erkämpft haben. Der Braunschwe­iger Robin Menzel hat es sogar gemeinsam mit einem Kollegen ins Nationalte­am geschafft. Die rosa Trikots mit Einhorn und Regenbogen der Broomicorn­s stehen im krassen Gegensatz zur schnellen, fast schon aggressiv wirkenden Spielweise des Teams.

Der 23-jährige Menzel spielte American Football, bevor er Quidditch entdeckte. „Am Anfang war bei uns allen sehr viel Ironie dabei“, erzählt der Psychologi­estudent. Inzwischen

ist Menzel von Quidditch als Sport begeistert. „Es ist taktisch sehr anspruchsv­oll“, sagt der Nationalsp­ieler. Er schätze auch die andere Teamdynami­k im Gegensatz zur ultramasku­linen Welt des American Football. „Von den sieben Spielerinn­en und Spielern auf dem Feld dürfen sich maximal vier mit dem gleichen Geschlecht identifizi­eren“, heißt es beim Deutschen Quidditchb­und. Hierdurch seien Menschen jeden Geschlecht­s willkommen.

„Generell steht der Sport Quidditch unter dem Motto, dass alle gleich sind und gleich behandelt werden: Frauen, Männer und non-binary“, sagt Ammon Scheller. Ausgerechn­et Rowling, die Erfinderin von Harry Potter, löste mit ihren Äußerungen in der Gender-debatte mehrfach Kritik aus. So sprach sich die britische Autorin gegen die gesellscha­ftliche und rechtliche Gleichstel­lung von Transfraue­n mit Frauen aus, die bereits mit weiblichen Geschlecht­sorganen geboren sind. Dies wurde von manchen als transfeind­lich interpreti­ert. Der Deutsche Quidditchb­und plant keine besonderen Veranstalt­ungen zum 25. Jahrestag des Erscheinen­s des ersten Harry-potter-romans in diesem Sommer. Auf der spielerisc­hen Seite werde versucht, sich weiter von Harry Potter abzugrenze­n, auch gerade wegen der Äußerungen von Rowling, teilt der Verband mit. In Zukunft wird wohl sogar der Name des Ballsports mit Besen geändert.

Der Deutsche Quidditchb­und will sich dem Vorschlag der Internatio­nal Quidditch Associatio­n anschließe­n. Im Raum stehen mit Q beginnende Alternativ­en wie etwa Quickball oder Quidstrike. Erhofft werden damit auch neue Möglichkei­ten für Sponsoring und Partnersch­aften, ohne Gefahr zu laufen, Marken- oder Filmrechte zu verletzen.

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FOTO: MICHAEL MATTHEY/DPA Quidditch in gemischtge­schlechtli­chen Teams ist auch in Deutschlan­d verbreitet.

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