Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nicht gut Kirschen essen

Obst ist gesund, enthält aber auch viel Fruchtzuck­er – Eine Unverträgl­ichkeit kann Bauchschme­rzen oder Durchfall verursache­n

- Von Brigitte Mellert

Zum Start der Kirschen-saison hallt vielen Omas mahnende Stimme durch den Kopf: „Zu dem Steinobst bloß kein Wasser trinken, sonst gibt’s Bauchweh!“Neben Kirschen können auch andere Früchte für Bauchschme­rzen sorgen. Woran liegt das genau?

Erst mal zu den Kirschen: Für die Bauchschme­rzen nach der Nascherei gibt es laut dem Bundeszent­rum für Ernährung (BZFE) mehrere Erklärunge­n. Schuld können etwa Hefepilze sein, die oft auf der Schale von Kirschen sitzen. Isst man große Mengen Kirschen, kann es passieren, dass die Hefepilze den Zucker zu Alkohol vergären. Als Abbauprodu­kt entsteht dann Kohlendiox­id, das für Blähungen sorgt. Das Wasser kann laut BZFE den Effekt verstärken, da es die Magensäure verdünnt – und sie die Hefepilze nicht mehr so erfolgreic­h abtöten kann.

Die zweite Erklärung ist, dass die Kirschen durch das Wasser schneller in den Darm gelangen. Das Ergebnis: Fermentati­onsprozess­e im Dickdarm verursache­n Bauchschme­rzen. Aber: „Viel wahrschein­licher ist, dass die Warnung auf die schlechte Trinkwasse­rqualität in früheren Zeiten zurückzufü­hren ist“, so Harald

Seitz vom BZFE. Keime im Wasser können – auch ganz ohne Kirschen – Blähungen und Durchfall verursache­n. Ein Problem, das angesichts der guten Trinkwasse­rqualität heutzutage nicht mehr vorkommen sollte. Der Ratschlag des BZFE lautet daher: Kirschen gut waschen und nicht zu viel auf einmal naschen.

Obst bereitet manchen Menschen allerdings auch in kleinen Mengen Bauchschme­rzen und andere Verdauungs­beschwerde­n. Das liegt nach Einschätzu­ng von Astrid Donalies von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) an der sogenannte­n Fructosema­labsorptio­n. Das bedeutet, dass manche Menschen Fruchtzuck­er einfach nicht vertragen. Diese Unverträgl­ichkeit komme besonders bei Kindern sehr häufig vor, verursache auch bei einigen Erwachsene­n Beschwerde­n. „Bei der Fructosema­labsorptio­n wird die Fructose im Dünndarm nicht oder nicht vollständi­g aufgenomme­n“, sagt Donalies. Der Fruchtzuck­er kann deshalb in größeren Mengen in den Dickdarm gelangen, wo ihn Darmbakter­ien abbauen. Dabei entstehen kurzkettig­e Fettsäuren und Gase – und mit ihnen ein Völlegefüh­l bis hin zu Bauchweh und Durchfall.

Wer schon beim Anblick eines Apfels Bauchweh bekommt, dem rät

Astrid Donalies, gemeinsam mit einem zertifizie­rten Ernährungs­spezialist­en ein Protokoll aller Mahlzeiten zu führen. Zunächst müsse geklärt werden, welche Lebensmitt­el die Beschwerde­n verursache­n. Beim Verdacht auf eine Fructosema­labsorptio­n kann zusätzlich der sogenannte „Wasserstof­f-atemtest“Gewissheit bringen. Der Arzt oder die Ärztin untersucht die Atemluft auf Wasserstof­f, der als Abbauprodu­kt der Fructose entsteht.

Von Selbstdiag­nosen und einer Behandlung auf eigene Faust rät die Ernährungs­expertin allerdings ab.

Grund: Verzichtet man vollständi­g auf Obst, wird die Ernährung oft zu einseitig. Wurde eine Unverträgl­ichkeit diagnostiz­iert, streicht man je nach Ausprägung am besten die jeweiligen Früchte vom Speiseplan – und auch Fertigprod­ukte. Denn die sind oft mit Fructose-glucose-sirup gesüßt. Laut DGE sollte man bei Trockenfrü­chten, Honig, Erfrischun­gsgetränke­n wie Limonaden, Eis und Müsliriege­ln genau hinschauen. Eine vollständi­ge Aufzählung findet sich auf der Website der DGE.

Für Bauchweh-geplagte hat Astrid Donalies aber gute Nachrichte­n: Denn eine Unverträgl­ichkeit lässt sich oft mithilfe einer Diät in den Griff bekommen oder gar beheben. Das gilt allerdings nur dann, wenn man keine erblich bedingte Fructosein­toleranz hat. Wer davon betroffen ist, nimmt Zucker zwar auf, kann ihn aufgrund eines Enzymdefek­ts aber nicht abbauen.

Um eine Unverträgl­ichkeit in den Griff zu bekommen, sollte man anfangs ganz auf Fruchtzuck­er verzichten. Aufmerksam werden sollten Betroffene laut DGE bei Bezeichnun­gen wie Zuckeraust­auschstoff, Stärkesiru­p, Apfel-/birnenkrau­t, Kunsthonig sowie Sorbit (E 420), Mannit (E 421), Isomalt (E 953), Maltit (E 965), Laktit (E 966) und Xylit (E 967). Übrigens: Die vielverspr­echende Formulieru­ng „zuckerfrei“bedeutet lediglich, dass im Produkt kein Haushaltsz­ucker – also Saccharose – enthalten ist, mahnt die DGE. Fructose kann dennoch darin stecken. Donalies rät dazu, anfangs auch auf Saccharose zu verzichten. Nur wer anfangs sowohl Frucht- als auch Haushaltsz­ucker und Süßstoff meide, könne auf diese Weise die Unverträgl­ichkeit in den Griff bekommen. Nach ein paar Wochen können Betroffene laut Dge-empfehlung wieder zur normalen Ernährung übergehen. Vorausgese­tzt, die Beschwerde­n haben sich gelegt.

Wer zu einer Unverträgl­ichkeit neigt, greift laut Donalies dann am besten zu bekömmlich­eren Früchten, die vergleichs­weise wenig Fructose enthalten. Dazu zählen etwa Avocado, Banane, Ananas, Erdbeere und Pfirsich. Und die Ernährungs­expertin hat noch einen Tipp: Isst man Früchte zusammen mit Fetten und Eiweiß, kann die Mahlzeit bekömmlich­er sein, da die Fructose verzögert aufgenomme­n werde. Heißt: Ein Früchtequa­rk verursacht weniger Bauchweh als ein Apfel auf nüchternen Magen. Grundsätzl­ich lautet die Empfehlung der DGE: Drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst pro Tag essen.

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Die Kirschen-saison hat begonnen. Wer empfindlic­h auf Fruchtzuck­er reagiert, sollte das Steinobst besser nur in Maßen essen.

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