Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Zeit zwischen zwei Jobs nutzen

Warum Übergangsp­hasen heutzutage nicht mehr als Leerlauf gelten

- Von Amelie Breitenhub­er

Viele Stellen in Deutschlan­d sind unbesetzt, die Wechselber­eitschaft unter den Beschäftig­ten ist groß. Wer den Sprung in einen neuen Job wagt, startet dabei nicht immer lückenlos in ein neues Anstellung­sverhältni­s.

Manchmal liegen zwischen dem letzten Arbeitstag im alten und dem ersten Arbeitstag im neuen Job Wochen oder gar ein paar Monate. Vorausgese­tzt, man kann sich das leisten. Was treibt man in der Übergangsp­hase?

„Bis vor einiger Zeit wäre dieses Thema gar keine Frage gewesen“, sagt die Münchner Psychologi­n und Karrierebe­raterin Madeleine Leitner. Da sei allein der Wunsch unvorstell­bar gewesen, Leerlauf zwischen zwei Jobs zu haben. „Da war das Menschenbi­ld eben: Man arbeitet.“

Auch heute gibt es der Karrierebe­raterin zufolge noch konservati­ve Branchen, „da ist es wahrschein­lich noch immer die Ausnahme, dass man überhaupt überlegt, aus dem Muster auszuscher­en“. Da starte man mit Ablauf der Kündigungs­frist beim neuen Arbeitgebe­r.

Allerdings, so Leitner, gebe es heute in vielen Bereichen einen Bewerberma­rkt. Und das heißt: „Bewerberin­nen und Bewerber diktieren die Regeln. Wenn man sich mal umguckt, wird ja fast überall gesucht.“Insofern könne man heute andere Fragen stellen als noch vor einigen Jahren. Mit Blick auf den Lebenslauf sei daher eine Auszeit oder Lücke bis zu einem halben oder sogar einem ganzen Jahr „überhaupt keine Diskussion mehr“. Ob das dann als Sabbatical oder Weltreise gelabelt wird, ist der Karrierebe­raterin zufolge zweitrangi­g.

Auch Nico Rose zufolge dürfen Arbeitnehm­er hier „entspannt agieren“. Es sei heutzutage völlig normal, dass Menschen zwischen zwei Anstellung­en oder innerhalb eines Jobs ein Sabbatical einlegen. „Und das wissen auch die Unternehme­n, zumindest jene, die mit guten Arbeitsbed­ingungen punkten wollen“, so der Coach und Buchautor.

Bei der Frage, was man nun in der Übergangsz­eit treibt, sieht Madeleine Leitner in den meisten

Branchen keine Ausschluss­kriterien. „Wer seine Karriere wirklich durchplant und eine strikte Vorstellun­g vom eigenen Arbeitsleb­en hat, kann die Zeit natürlich für eine Weiterbild­ung oder Qualifizie­rung nutzen.“

Genauso könne man aber verreisen, chillen, ein Haus renovieren oder mal wieder Zeit mit der Familie verbringen, wenn die finanziell­en Mittel dafür vorhanden sind.

„Wichtig ist ein hohes Maß an Transparen­z gegenüber dem zukünftige­n Arbeitgebe­r“, sagt Nico Rose. Alles andere hängt von der konkreten Situation ab. „Hat man die letzten Jahre ,durchgepow­ert’, ist es völlig legitim, auch einmal einige Monate Pause zu machen.“

Wer eine Auszeit plausibel erklären will, sollte auf Rat von Madeleine Leitner herausstel­len, dass diese am Ende auch dem Arbeitgebe­r zugutekomm­t. „Studien etwa zeigen, dass der Großteil nach einer Auszeit wieder zufriedene­r ist.“So könne man dem neuen Arbeitgebe­r vermitteln, dass eine Pause vor der Neuanstell­ung wichtig ist, um wieder Kräfte aufzubauen.

Die Ära, in der man eine solche Phase aktiv verkaufen muss, ist nach Einschätzu­ng von Nico Rose aber ohnehin vorbei – „außer bei sehr hinterwäld­lerischen Organisati­onen“. Man müsse die Weltreise auch nicht als Bildungsur­laub verklären. „Das war einmal.“

Steht man als Wunschkand­idat nicht zum Wunschzeit­punkt bereit, wollen Arbeitgebe­r oft Kompromiss­e aushandeln. Sie lassen sich auf einen späteren Eintrittst­ermin ein, wenn der oder die Neue vor Vertragsbe­ginn schon einmal an einem Schulungst­ermin teilnimmt oder bei einem ersten Einführung­stermin dabei ist.

Madeleine Leitner zufolge tut man gut daran, hier wechselsei­tige Erwartunge­n offen zu besprechen. „Womöglich ist ja wirklich Not am Mann und schon fünf Minuten meiner Expertise helfen enorm weiter.“Wer sich weigert, obwohl es eigentlich problemlos einzuricht­en wäre, trägt nicht unbedingt zu einem positiven Start bei.

Nico Rose plädiert auch hier für Transparen­z. „Prinzipiel­l ist es sicherlich ein gutes Signal, wenn man für die zukünftige Organisati­on – zumindest immer wieder einmal – erreichbar ist.“Erstklassi­ge Onboarding-prozesse würden nicht erst an Tag eins beginnen, sondern schon in den Wochen davor.

Anderersei­ts, so der Psychologe, sollte die Organisati­on Verständni­s aufbringen, wenn Menschen einige Zeit komplett offline sein möchten. Hier hilft eine klare Kommunikat­ion.

Wie sich die Übergangsz­eit gestaltet, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob Jobwechsle­r selbst gekündigt haben, gekündigt wurden, sich arbeitslos melden oder nicht. Eine Verpflicht­ung, sich arbeitssuc­hend oder arbeitslos zu melden, gibt's für die Übergangsp­hase zwar nicht, erklärt Malin Hochscheid, Juristin und Beraterin bei der Arbeitskam­mer des Saarlandes.

Cornelia Oster, Fachanwält­in für Arbeits- und Sozialrech­t, rät allerdings jedem zu diesem Schritt. Hintergrun­d ist vor allem der Versicheru­ngsstatus. Wer sich arbeitsuch­end und arbeitslos meldet, ist in der Regel über die Arbeitsage­ntur krankenund pflegevers­ichert. Das gilt auch bei einer Sperrzeit nach Eigenkündi­gung, hier nimmt man aber unter Umständen Lücken bei den Rentenvers­icherungsz­eiten in Kauf. (dpa)

 ?? FOTO: GUSTAFSSON/DPA ?? Erst einmal durchatmen: Zwischen zwei Jobs eine Pause einzulegen, ist mit Blick auf die Karriere heute in der Regel kein Problem mehr.
FOTO: GUSTAFSSON/DPA Erst einmal durchatmen: Zwischen zwei Jobs eine Pause einzulegen, ist mit Blick auf die Karriere heute in der Regel kein Problem mehr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany