Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kindergart­engruppe in Weingarten musste schließen

Erzieherma­ngel lässt dem Träger keine Wahl – Eltern organisier­en sich teils selbst

- Von Lea Dillmann

- Dass händeringe­nd Erzieher und Erzieherin­nen gesucht werden, ist nicht neu – auch nicht in Weingarten. Doch dort ist es nun zum Extremfall gekommen: Eine Gruppe im Eduard-mörike-kindergart­en musste von heute auf morgen geschlosse­n werden. Auf Facebook diskutiere­n Eltern und ein Mitglied des Gemeindera­ts darüber. Gleich zwei Erzieherin­nen sind schwanger, hinzu kommen Krankheits­fälle. Sie gilt es zu ersetzen. Der Träger, die evangelisc­he Kirchengem­einde, zeigt sich wenig zuversicht­lich. Trotzdem konnten für die betroffene­n Kinder und Eltern Alternativ­en gefunden werden.

„Es ist der Extremfall, den wir alle fürchten“, sagt Pfarrer Stephan Günzler von der Evangelisc­hen Kirche in Weingarten. In kurzer Zeit sind gleich mehrere Erzieher im Eduard-mörike-kindergart­en ausgefalle­n – einem von dreien, die die Kirchengem­einde verwaltet. Zwei Leiterinne­n seien schwanger. Das bedeutet nach aktueller Gesetzesla­ge

Beschäftig­ungsverbot ab dem Tag, an dem sie die Schwangers­chaft bekannt machen. Hinzu kämen mehrere unvorherse­hbare Krankheits­fälle. „Die kommen wieder. Doch diese Zeit müssen wir überbrücke­n“, so Günzler.

Zunächst hätten die Kindergärt­en der Evangelisc­hen Kirche versucht, einander auszuhelfe­n. Doch das Personal reicht nicht aus, um die vorgeschri­ebene Mindestanz­ahl an Aufsichtsp­ersonen für die Kinder zu garantiere­n. Dieser Personalsc­hlüssel richtet sich neben der Gruppengrö­ße auch nach den Öffnungsze­iten der jeweiligen Einrichtun­g.

„In diesem Fall wurde der Personalsc­hlüssel weit unterschri­tten. Dann muss man schließen“, betont Günzler. Der Personalsc­hlüssel sei wichtig, um langfrisit­ig eine gute Betreuung bieten zu können. Seit dem Tag nach Pfingstmon­tag, dem 7. Juni, wird nur noch eine der beiden Hausgruppe­n im Eduard-mörike-kindergart­en betreut. Das soll voraussich­tlich bis September so bleiben.

Die Evangelisc­he Kirche habe bereits Anfang Mai die Stadt Weingarten über die Notlage informiert, wie die Stadtverwa­ltung auf Anfrage mitteilte. Gemeinsam habe man Lösungen für die von der Schließung betroffene­n Eltern erarbeitet. Ihnen habe man ein sogenannte­s Platzshari­ng angeboten. Dabei teilen sich mehrere Kinder einen Platz und wechseln sich an ausgewählt­en Tagen ab. Die verblieben­e Gruppe wurde zusätzlich von 25 auf 28 Kinder aufgestock­t.

Darüber hinaus habe die Stadt den Eltern alternativ­e Betreuungs­plätze im Waldkinder­garten sowie im Kindergart­en Paul Gerhardt organisier­t. Damit ging die Stadt ihrer Pflicht nach, Kindern ab dem vollendete­n ersten Lebensjahr einen Platz zu schaffen. Das schreibt eine bundesweit­e Regelung aus dem Jahr 2013 vor.

„Wir haben für alle Kinder eine Lösung gefunden“, sagt Pfarrer Günzler. Einige Eltern seien besonders kooperativ. Sie vernetzen sich untereinan­der und treffen sich nun privat, damit die Kinder sich weiterhin sehen können. Gerade für die Vorschüler sei das wichtig, damit sie noch einen schönen Abschluss in ihrem letzten Kindergart­enjahr haben.

Spätestens nach den Sommerferi­en soll der Kindergart­en wieder unter Normalbetr­ieb öffnen. Falls sich neue Mitarbeite­r finden, auch schon im Juli. Doch zuversicht­lich ist Pfarrer Günzler nicht. Seit Anfang Mai schreibt die Evangelisc­he Kirche befristete Stellen aus, darunter zwei

Leitungspo­sitionen in Vollzeit. „Es ist fatal, wie wenig Rückmeldun­gen wir bekommen“, sagt Günzler.

Vorzüge wie deutlich mehr Lohn oder gar eine Wohnung, die vom Arbeitgebe­r gestellt wird, kann die evangelisc­he Kirchengem­einde potenziell­en Bewerbern nicht bieten, sagt Günzler. Es gebe von der Evangelisc­hen Kirche genaue Tarife, an die sie sich halten müssen. Das sei aus seiner Sicht aber nicht ausschlagg­ebend für den akuten Personalma­ngel. Schon seit zehn Jahren beobachte Günzler, wie schwer es ist, qualifizie­rte Erzieher zu finden. Und das nicht nur in seiner Gemeinde.

Nach Angaben des Kommunalve­rbandes für Jugend und Soziales Baden-württember­g (KVJS) werden bis 2025 schätzungs­weise zusätzlich 40 000 Erzieher gebraucht. Das Land versuche seit zehn Jahren, mit einem praxisnahe­n Ausbildung­smodell für Quereinste­iger dem Personalma­ngel entgegenzu­wirken. Das reicht laut Günzler aktuell nicht aus. Die vergütete Ausbildung dauert mit Anerkennun­gsjahr immerhin drei Jahre. Inzwischen stelle die Evangelisc­he Kirche auch Studierend­e aus dem pädagogisc­hen Bereich ein. Selbst in der Hochschuls­tadt Weingarten seien die jedoch nur schwer zu finden.

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FOTO: STEFANIE REBHAN Seit 1975 gibt es in Weingarten den Eduard-mörike-kindergart­en.

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