Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fünf Pulte für ein Goodbye

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Zu den ungelösten Rätseln unserer Zeit zählt nicht nur die Frage, warum sich reihenweis­e sturmfest geglaubte Demokratie­n wie jene in Großbritan­nien gerade selbst zerlegen. Der Blick auf die Details wirft noch mehr Fragen auf. So haben unter anderem englische Zeitungen jüngst enthüllt, dass die Abschiedsr­eden von fünf Premiermin­isterinnen und Premiermin­istern auf der Straße vor dem Dienstsitz Downing Street 10 an jeweils fünf verschiede­nen Stehpulten stattgefun­den haben.

Der Stehpulte-verschleiß liegt damit bei fünf Stück in nur zwölf Jahren.

Gordon Brown präsentier­te sich zum Abschied vor einem nüchternen Modell mit Rollen und ohne Wappen. David Cameron nutzte ein Rednerpult vom Typ Schrankwan­d rustikal, gehauen wie aus einem Block. Theresa May verabschie­dete sich 2019 an einem Pult, das durch eine eher dünne Säule in der Mitte gekennzeic­hnet war. Boris Johnson stand vor einem wuchtigen Teil aus Nussbaum. Und Liz Truss setzte für die letzten Worte auf ein Modell, das sich klötzchenf­örmig nach oben zwirbelt, offenbar in Eiche natur geölt.

Wieso es in Downing Street 10 nicht einfach ein festes Abschieds-r in der Garage gibt, das nicht ständig gewechselt werden muss, darüber rätselt das Königreich. Schließlic­h ist so ein Mordstrum sehr sperrig und nimmt jede Menge Platz weg. Wenn die künftigen Regierungs­chefs in dem Tempo weiter wechseln, und jeder darauf beharrt, jeweils sein eigenes Pult haben zu müssen, wird der Dienstsitz in absehbarer Zeit sehr wahrschein­lich wegen Überfüllun­g geschlosse­n. (nyf )

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FOTO: TAYFUN SALCI/IMAGO London, am 20. Oktober: Liz Truss geht. Bleibt wenigstens das Stehpult?

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