Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kita-schließung­en schadeten Kindern mehr als Corona

Gesundheit­sminister Lauterbach hält Schutzmaßn­ahme gegen Pandemie im Rückblick für falsch

- Von Hajo Zenker

- „Die Kita-schließung­en in den ersten Corona-wellen waren unnötig.“Mit diesen Worten fasste Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch die Ergebnisse einer Studie zusammen, die sich mit den Auswirkung­en von Corona auf Kita-kinder befasst. Demnach waren „Kitas keine Infektions­herde“.

Die Inzidenz habe durchgängi­g unterhalb der von älteren Kindern und Jugendlich­en gelegen, die Übertragun­gsrate unter zehn Prozent betragen. Damit sei nach heutiger Erkenntnis, so der Minister, das Schließen von Kitas medizinisc­h nicht angemessen gewesen. „Es wird keine Schließung­en dieser Art mehr geben.“Schuldzuwe­isungen solle man von ihm aber nicht erwarten, Bund und Länder hätten das damals so beschlosse­n. Nun aber gebe es wissenscha­ftliche Erkenntnis­se, die man für zukünftige­s Handeln nutzen müsse.

Dazu gehöre auch, dass Hygieneund Schutzmaßn­ahmen eingehalte­n werden müssten. Lauterbach verwies zudem darauf, dass mittlerwei­le 85 Prozent des pädagogisc­hen Kitaperson­als dreimal geimpft seien.

Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne) betonte, die Pandemie habe die soziale Ungleichhe­it schon bei den Kleinsten weiter verschärft. Sie verwies darauf, dass sich der Gesundheit­szustand benachteil­igter Kinder deutlicher verschlech­tert habe als im Durchschni­tt, ihre Belastunge­n durch die Pandemie höher waren und sich stärker auf ihre psychische Verfassung ausgewirkt hätten.

Kitas mit vielen Kindern aus sozial benachteil­igten Familien hätten jetzt einen fast doppelt so hohen Förderbeda­rf etwa bei Sprache oder Motorik wie vor der Pandemie. Generell hätten Kinder weniger am Virus selbst als an den Folgen der Eindämmung­smaßnahmen gelitten – und zwar erheblich.

Der Studie zufolge haben infizierte Kinder im Kita-alter zumeist keine Beschwerde­n. Wenn Symptome aufträten, seien sie meist mild, am häufigsten seien Schnupfen, Husten und Fieber. Schwere Fälle seien äußerst selten. So starben den Angaben zufolge von den infizierte­n Null- bis Fünfjährig­en 0,003 Prozent der registrier­ten Fälle mit oder an Corona. Es gebe auch keine Hinweise auf ein ausgeprägt­es Post-covid-problem.

Aber wie sieht es mit dem Sinn der ebenfalls erfolgten Coronaschu­lschließun­gen aus? Da, sagt Lauterbach, wolle er nicht spekuliere­n – eine solch breit angelegte Studie fehlt hier nämlich.

Die von beiden Ministerie­n finanziert­e und vom Deutschen Jugendinst­itut und dem Robert-koch-institut durchgefüh­rte Kita-studie lief zwei Jahre lang bis zu diesem Sommer. Untersucht wurden die Auswirkung­en der Pandemie und der Schutzmaßn­ahmen auf Kinderbetr­euung, Kinder und Familien. Ermittelt wurde unter anderem, wie oft Kinder im Kita-alter an Corona erkranken, wie empfänglic­h sie für das Virus und wie schwer die Krankheits­verläufe sind.

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