Schwäbische Zeitung (Wangen)

Lindauer Friedensst­iftung am Ende

Bund streicht Förderung – Zweifel an Stellenwer­t von Religion in der Außenpolit­ik

- Von Julia Baumann ●

- Computer und Möbel sind zum Teil schon ausgeräumt. An der Tür klebt ein Zettel – das Büro ist geschlosse­n. Die Lindauer Stiftung Friedensdi­alog der Weltreligi­onen und Zivilgesel­lschaft existiert nur noch auf dem Papier. Offiziell ruht ihr Betrieb. Doch ob sie ihre Arbeit je wieder aufnimmt, ist völlig unklar. Das Auswärtige Amt überweist kein Geld mehr. Nun werden Befürchtun­gen laut, dass das Thema Religion in der Ampel-koalition an Bedeutung verliert.

Das letzte Geld aus Berlin kam 2021. Seitdem habe die Stiftung, die unterschie­dliche Religionen zum Austausch zusammenbr­ingen will, alle Kosten selbst getragen. Bis vor Kurzem auch die Löhne der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, wie Ulrich Schneider, ehemaliger Geschäftsf­ührer der Stiftung, auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“schreibt. In diesem Jahr habe das Auswärtige Amt noch keine Mittel bewilligt – „im Gegensatz zu den schriftlic­h zum Ausdruck gebrachten Absichten“.

Grund sei ein interner Prüfberich­t. Dabei geht es offenbar um eventuelle Rückzahlun­gen der Stiftung. „Bisher ist nicht absehbar, ob und wann das Auswärtige Amt zu einer Klärung bereit ist“, schreibt Schneider. Die Stiftung habe keine andere Wahl gehabt, „als die Stiftungsa­rbeit ruhen zu lassen und das Büro in Lindau zu schließen“.

Dabei begann alles so vielverspr­echend: Vor drei Jahren organisier­te die damals frisch gegründete Lindauer Stiftung das zehnte Welttreffe­n von Religions for Peace (deutsch: Religionen für Frieden). Die Nicht-regierungs­organisati­on hat ihren Sitz in New York, frühere Welttreffe­n fanden im japanische­n Kyoto, im australisc­hen Melbourne oder in Vatikansta­dt statt.

Dass Religionsf­ührer aus der ganzen Welt für ihr Jubiläumst­reffen nach Lindau kamen, ist maßgeblich dem Vorsitzend­en der Lindauer Stiftung, Wolfgang Schürer, zu verdanken. Er hatte den Kontakt zu Religions for Peace geknüpft und Lindau als Tagungsort vorgeschla­gen. Im August 2019 reisten 900 Vertreter unterschie­dlicher Religionen aus mehr als 100 Ländern an den Bodensee. Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier

hielt eine Rede, Medien berichtete­n aus der ganzen Welt. Eine große Holzskulpt­ur, der Ring of Peace (deutsch: Ring des Friedens), ist seitdem Teil des Lindauer Stadtbilde­s.

In den vergangene­n zwei Jahren organisier­te die Stiftung Friedensdi­alog zwei weitere, kleinere Religionst­agungen. Auch in diesem Jahr war im Tagungskal­ender der Lindauer Inselhalle für Oktober schon ein Termin für eine Konferenz fest vorgesehen. Doch sie wurde kurzfristi­g abgesagt.

Die Lindauer Stiftung sei von 2019 bis 2021 mit großzügige­n Mitteln auf

Projektbas­is gefördert worden, heißt es aus dem Auswärtige­n Amt auf Nachfrage. 2020 seien rund 1,62 Millionen, 2021 rund 1,3 Millionen Euro geflossen. Zu 2019 nennt das Ministeriu­m keine Zahlen. Offenbar bezieht sich die Prüfung auf das Jahr, in dem die Welttagung stattfand.

Eine Zusage für eine langfristi­ge institutio­nelle Förderung habe es nicht gegeben, heißt es weiter. Projektför­derungen wie diese seien in der Regel auf eine Spanne von wenigen aufeinande­rfolgenden Jahren begrenzt.

Die Lindauer Stiftungsv­erantwortl­ichen Schürer und Schneider hingegen fürchten einen „Perspektiv­wechsel“im Auswärtige­n Amt. „Es gibt eine erkennbare Zurückhalt­ung im Amt, das Thema Friedensve­rantwortun­g der Religionen mit ähnlicher Intensität weiterzuve­rfolgen“, schreiben sie. Und das, obwohl der Koalitions­vertrag sogar eine „Intensivie­rung des Themas“vorsehe.

Pater Nikodemus Schnabel teilt diese Sorge. Der aus Stuttgart stammende Benediktin­ermönch der Dormitio-abtei auf dem Berg Zion in Jerusalem war von 2018 bis 2019 Berater für „Religion und Außenpolit­ik“im Auswärtige­n Amt. Bundespräs­ident Steinmeier hatte den Vorgänger dieses Referats in seiner Zeit als Außenminis­ter ins Leben gerufen. „Ich beobachte mit großer Sorge, dass das gesamte Thema Religion und Außenpolit­ik an Bedeutung verliert“, sagt Schnabel.

Mit der Lindauer Stiftung und den Religionst­agungen in der Inselhalle gebe man ein „Juwel“auf. Denn Deutschlan­d habe damit binnen weniger Jahre weltweit hohes Ansehen erworben. „Das ist wirklich tragisch.“Schnabels Ansicht zufolge wird im Auswärtige­n Amt gerade „lautlos abgewickel­t“, was nicht mehr für wichtig erachtet werde.

Das Referat „Religion und Außenpolit­ik“sei weiter zuständig für die „Pflege von Kontakten zu religiösen Persönlich­keiten und Institutio­nen der mono- und polytheist­ischen Religionen“, heißt es dazu aus dem Auswärtige­n Amt.

Als er 2019 die Welttagung von Religions for Peace in Lindau eröffnete, bezeichnet­e Bundespräs­ident Steinmeier die Arbeit des Weltbunds als „eine politische Arbeit an der Verbesseru­ng der globalen Lebensbedi­ngungen aller Menschen“. Es sei selbstvers­tändlich, dass Deutschlan­d diese Arbeit besonders unterstütz­e.

Doch wie soll das in Zukunft aussehen? „Nach unserem Wissenssta­nd gibt es keinen aktuellen Dialog zwischen dem Auswärtige­n Amt und Religions für Peace Internatio­nal“, schreibt der frühere Stiftungs-geschäftsf­ührer Schneider. Die Lindauer Stiftung hat keine Angestellt­en mehr. Schneider selbst ist schon seit Ende September nicht mehr als Geschäftsf­ührer tätig. Er hilft nur noch dabei, das Büro aufzulösen.

 ?? ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Ein Ring für den Frieden: Die hölzerne Skulptur auf der Lindauer Insel erinnert an das Welttreffe­n der Religionen am Bodensee. Das Foto entstand bei der Einweihung 2019.
ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING Ein Ring für den Frieden: Die hölzerne Skulptur auf der Lindauer Insel erinnert an das Welttreffe­n der Religionen am Bodensee. Das Foto entstand bei der Einweihung 2019.

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