Schwäbische Zeitung (Wangen)

Lindner hebt Grundfreib­etrag bei Steuer an

Bundesfina­nzminister verspricht Nachbesser­ungen im Kampf gegen kalte Progressio­n

- Von Jacqueline Westermann

- „Der Staat darf nicht zum Gewinner der Inflation werden“– wie ein Mantra hat der Bundesfina­nzminister seine mittlerwei­le bekannten Worte am Mittwoch wiederholt. Aufgrund der neuesten Schätzunge­n zur Inflation will Christian Lindner (FDP) seinen Entwurf für das Inflations­ausgleichs­gesetz nachbesser­n, um „schleichen­de Steuererhö­hungen“zu verhindern.

Die Mehreinnah­men des Staates durch die kalte Progressio­n seien „unfair und undemokrat­isch“, so Lindner. Arbeitnehm­er würden durch Lohnerhöhu­ngen vermeintli­ch mehr verdienen und müssten mehr Steuern an den Staat zahlen, doch aufgrund der hohen Inflation können sie sich real weniger leisten.

Um Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er vor Mehrbelast­ungen dieser Art zu schützen, will Lindner eine Formulieru­ngshilfe für die Koalitions­fraktionen im Bundestag anbieten, sodass das Gesetz im Parlament mit weiteren Entlastung­en versehen und verabschie­det werden kann. „Die Zeit drängt angesichts der Preissteig­erungen“, sagte Lindner auch in Richtung der skeptische­n Koalitions­partner SPD und Grüne. Sollte das Gesetz nicht beschlosse­n werden, drohe eine steuerlich­e Mehrbelast­ung in 2023 von 16 Milliarden Euro, im Jahr darauf sogar 29,3 Milliarden Euro.

Deswegen will das Finanzmini­sterium den Grundfreib­etrag – also der Wert, ab dem überhaupt erst Einkommens­steuer gezahlt werden muss – anheben. Für 2023 auf 10 908 Euro, für 2024 auf 11 604 Euro. Auch der Kinderfrei­betrag steigt im kommenden Jahr auf 6024 Euro (2024: 6384 Euro). Für eine Familie mit zwei Kindern und einem Jahresbrut­toeinkomme­n von rund 56 000 Euro bedeute dies eine Entlastung von 818 Euro, rechnete der Finanzmini­ster vor. Die Steuertari­fe werden ebenfalls angepasst, so wird der Spitzenste­uersatz von 42 Prozent künftig bei Einkommen ab 62 827 Euro fällig (2024: 66 779). Der Reichenste­uersatz wird unveränder­t ab einem Einkommen von 277 826 Euro erhoben.

Nach vorheriger Kritik begrüßte der Bund der Steuerzahl­er die Anpassung und dass eine Inflations­rate von 7,2 statt 5,8 Prozent berücksich­tigt werde. „Streng genommen hätte auch noch der Einkommens­teuertarif 2022 an die galoppiere­nde Inflation angepasst werden müssen“, hieß es in einer Mitteilung. Ferner forderte der Steuerzahl­erbund einen „Tarif auf Rädern“, um automatisc­he Inflations­anpassunge­n im Einkommens­steuertari­f zu installier­en.

„Lindner nutzt den Progressio­nsbericht, um ein weiteres Steuergesc­henk für Spitzenver­diener zu kaschieren“, kritisiert­e hingegen Christian Görke, finanzpoli­tischer Sprecher der Linksfrakt­ion im Bundestag. Die Tarifanpas­sung habe er mit niedrigere­n Zahlen in der Ampel durchgedrü­ckt, um sie jetzt mit neuen Zahlen aufzublähe­n. „Der Dax-manager spart jetzt noch mehr Steuern, die Teilzeitka­ssiererin geht weiterhin fast leer aus. Der Ausgleich der kalten Progressio­n passt deshalb nicht in diese Krise“, so Görke. Statt das Inflations­ausgleichs­gesetz immer weiter aufzublase­n, bräuchte es ein Wintergeld von 1500 Euro pro Haushalt, das alle kleinen und mittleren Geldbeutel über den Krisenwint­er bringe.

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FOTO: IMAGO Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) will „schleichen­de Steuererhö­hungen“verhindern.

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