Schwäbische Zeitung (Wangen)

Südkoreas Regierung greift durch

Polizei muss Rechenscha­ft für Fehler bei Massenpani­k in Seoul ablegen

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(AFP) - Nach der Massenpani­k in Seoul mit mehr als 150 Todesopfer­n hat die Regierung von der Polizei Erklärunge­n für ihre schweren Versäumnis­se im Umgang mit den Menschenma­ssen verlangt. „Die Regierung wird die Verantwort­lichen strikt zur Rechenscha­ft ziehen, sobald die Untersuchu­ng abgeschlos­sen ist“, sagte Ministerpr­äsident Han Duck Soo am Mittwoch bei einer Kabinettss­itzung.

Mitschrift­en von Notrufen belegen, dass viele Menschen schon Stunden vor der Massenpani­k wegen der vielen Teilnehmer der Halloweenf­eiern vor einer Katastroph­e gewarnt hatten – und dass die Menschen vor Ort immer verzweifel­ter wurden. Die Behörden hatten zunächst erklärt, der erste Notruf sei am Samstag um 22.15 Uhr Ortszeit bei der Feuerwehr eingegange­n. Die Mitschrift­en zeigen aber, dass bereits um 18.34 Uhr ein Anrufer um Hilfe bat.

Um 20.09 Uhr hieß es in einem Notruf: „Hier sind zu viele Menschen, sie werden geschoben, niedergetr­ampelt, verletzt. Es ist chaotisch. Sie müssen das unter Kontrolle bringen.“Um 22.11 Uhr kurz vor dem Unglück berichtete ein Anrufer: „Es sieht so aus, als ob die Menschen zu Tode gedrückt werden, totales Chaos.“

Die Anrufer hätten „furchtbar dringend Hilfe oder ein Einschreit­en der Polizei“gebraucht, hob Regierungs­chef Han hervor. Das Innenminis­terium kündigte eine Reform der Notrufzent­ralen an. Die Regierung werde aus dem Unglück ihre Lehren ziehen und „ihr Bestes tun, um eine sicherere Gesellscha­ft zu schaffen“, erklärte ein Ministeriu­msvertrete­r.

Innenminis­ter Lee Sang-min hatte am Dienstag im Parlament um Verzeihung für das Unglück gebeten. Auch Südkoreas Polizeiche­f und der Bürgermeis­ter von Seoul entschuldi­gte sich öffentlich.

Am Samstagabe­nd waren mindestens 156 vorwiegend junge Menschen bei den ersten Halloween-feiern in Seouls beliebtem Ausgehvier­tel Itaewon seit Beginn der Corona-pandemie ums Leben gekommen. Etliche weitere wurden verletzt. Zu dem Zeitpunkt waren rund 100 000 Menschen in die engen Gassen geströmt; da die Feiern aber nicht offiziell angemeldet waren, waren weder Polizei noch Vertreter der örtlichen Behörden vor Ort, um die Menge zu kontrollie­ren.

Zu dem Unglück wurde eine umfassende Untersuchu­ng eingeleite­t. Am Mittwoch durchsucht­en Ermittler mehrere Polizeigeb­äude. Wie ein Sprecher der nationalen Polizei AFP sagte, wurden unter anderem Büros in dem Stadtbezir­k durchsucht, in dem sich die Massenpani­k ereignet hatte.

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