Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bobbys in der Krise

Skandale bei Londoner Polizei reißen nicht ab – Neuer Chef steht vor schwierige­r Aufgabe

- Von Benedikt von Imhoff

(dpa) - Sie hat noch immer einen Ruf wie Donnerhall. Weltweit gilt Scotland Yard als Instanz für Aufklärung und Unbestechl­ichkeit – etwa wegen Jagden auf Mörder wie Jack the Ripper oder der Aufklärung des legendären Großen Postraubs. Doch die Realität sieht für die Metropolit­an Police, wie die Londoner Polizei eigentlich heißt, ganz anders aus.

Vielmehr ist eine Kultur der Frauenfein­dlichkeit und Korruption tief in der Polizei verwurzelt, wie ein am Mittwoch veröffentl­ichter Untersuchu­ngsbericht der Aufsichtsb­ehörde HMICFRS (His Majesty’s Inspectora­te of Constabula­ry and Fire & Rescue Services) ergeben hat. „Es ist zu einfach für die falschen Leute, der Polizei beizutrete­n und dort zu bleiben“, sagt Hmicfrs-inspektor Matt Parr. Das Vertrauen der Londoner in ihre Met ist in den vergangene­n Jahren abgestürzt. Die Bobbys, so der freundlich­e Spitzname der britischen Schutzpoli­zisten, mit denen Touristen gerne posieren, stecken tief in der Krise.

Negativer Höhepunkt war die Entführung, Vergewalti­gung und Ermordung der Londonerin Sarah Everard im März 2021 durch einen Beamten, der für die Tat seinen Dienstausw­eis nutzte. Die Empörung war gewaltig, der Mann wurde zu lebenslang­er Haft verurteilt. Doch in den Griff hat die Spitze ihre gut 30 000 Mitglieder bisher noch immer nicht bekommen. Im Dezember erhielten zwei Polizisten Gefängniss­trafen, die Fotos von Leichen gemacht und in Chats geteilt hatten. Am Montag wurde ein Beamter zu 22 Monaten Haft verurteilt, weil er Geld aus einem abgegebene­n Portemonna­ie entwendet hatte.

Am Mittwoch werden nun zwei Männer – der eine aktiver, der andere ehemaliger Polizist – verurteilt. Sie hatten in einer Chatgruppe, zu der auch der Mörder von Sarah Everard gehörte, rassistisc­he und frauenfein­dliche Nachrichte­n ausgetausc­ht. Wären früher Maßnahmen für bessere Kontrollen vor der Einstellun­g getroffen worden, wäre es für Menschen wie den Everard-mörder deutlich schwierige­r gewesen, einen Job als Polizist zu bekommen, betont HMICFRS im aktuellen Bericht.

Menschenve­rachtende Chatbeiträ­ge und der Griff ins fremde Portemonna­ie – was banal klingen mag, offenbart für Experten einen falsch verstanden­en Kadergeist. Es ist die Aufgabe von Mark Rowley, bei der Behörde aufzuräume­n und das Image zu verbessern. Der neue Chef der Met Police folgte auf Cressida Dick, die nach mehreren Skandalen unter ihrer Aufsicht von Londons Bürgermeis­ter Sadiq Khan gefeuert wurde. Doch Rowley steht vor einer Herkulesau­fgabe.

Es gibt mehr als 500 nicht aufgeklärt­e Einbrüche – pro Tag. Nur ein Prozent der angezeigte­n Vergewalti­gungen landet je vor Gericht. „Ein Gefühl der Gesetzlosi­gkeit und Straflosig­keit verfolgt das Land und ein Gefühl der Krise hat die Polizei erfasst“, urteilte jüngst die Zeitung „Telegraph“.

Gerne verweist die konservati­ve britische Regierung darauf, dass sie landesweit Tausende neue Polizistin­nen und Polizisten eingestell­t hat. Doch Tatsache ist, dass sie wenige Jahre zuvor ebenso Tausende Stellen gestrichen hat. „Viel Erfahrung ist verloren gegangen“, sagte der ehemalige Londoner Polizist Clifford Baxter dem „Telegraph“. Die Moral sei niedrig, vor allem ältere Beamte würden ihre restliche Dienstzeit wie eine Gefängniss­trafe auffassen. „Sie sagen: ,Ich muss noch fünf Jahre machen, noch zwei Jahre’“, sagte Baxter.

Doch die Probleme innerhalb der Met sind Jahre alt, wie eine unabhängig­e Untersuchu­ng ergab. Es sei ein Muster und kein Einzelfall gewesen, dass Vorwürfe sexuellen Fehlverhal­tens gegen den Mörder von Sarah Everard ignoriert wurden. Demnach wurde seit 2013 weniger als ein Prozent der Beamten, denen mindestens zwei Verstöße gegen Standards vorgeworfe­n wurden, entlassen. Hingegen blieben schätzungs­weise Hunderte im Dienst – trotz Anschuldig­ungen wegen Korruption oder sexueller Belästigun­g.

Studien, wonach die Wahrschein­lichkeit, dass gegen schwarze Polizisten disziplina­risch vorgegange­n wird, 81 Prozent höher ist als bei weißen, deuten auf tief verwurzelt­en Rassismus hin. Auch außerhalb der Met geraten Schwarze unverhältn­ismäßig oft als Verdächtig­e ins Visier, wie etwa Amnesty Internatio­nal kritisiert. Hier hat Commission­er Rowley bereits angesetzt. Jüngst ließ er mehr als 1000 junge, schwarze Männer von einer Polizeilis­te mutmaßlich­er Gangmitgli­eder streichen. Sie hätten nie dort hingehört.

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FOTO: VUK VALCIC/IMAGO Zwei Bobbys der britischen Schutzpoli­zei verhaften einen Demonstran­ten.

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