Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie aus einem lahmen Typen ein lustvoller Pascha wird

Burgbühne Neuravensb­urg spielt „Der Mustergatt­e“– Jetzt war Premiere

- Von Vera Stiller

NEURAVENSB­URG - Obwohl das Theaterstü­ck bereits 1915 unter dem Namen „Fair and Warmer“des amerikanis­chen Lustspiela­utors Avery Hopwood veröffentl­icht wurde und

Heinz Rühmann im Juli 1937 gedrehten Film schon den „Mustergatt­en“gab, hat die Geschichte nichts von ihrem Reiz verloren.

Zumal Regisseur German Bader den Stoff nach einer Aufführung der Wiener Kammerspie­le für die Burgbühne

Neuravensb­urg neu bearbeitet­e. Der ideale Gatte ist treu und zuverlässi­g, raucht und trinkt nicht, ist pünktlich und ordentlich? „Nein!“, findet Elisabeth Winkler, von Maria Schmehl mit der bekannten Leidenscha­ft für temperamen­tvolle Rollen ausgestatt­et. Und dass ihr Mann Friedrich sie bei jeder Gelegenhei­t „Schätzle“nennt, will sie nach zehn Ehejahren erst recht nicht mehr hören. Sie langweilt sich und fordert die Scheidung. Friedrich Winkler (Wolfgang Roth), dieser gutmütige und prinzipien­treue Landwirt, versteht die Welt nicht mehr. Ihm hat bislang sein gemütliche­s Heim, sein Sofa am Abend und das Lesen der Schwäbisch­en Zeitung genügt. Doch die Liebe? Die scheint bei ihr verflogen.

Nun ist guter Rat teuer. Dieser kommt alsbald in Gestalt seines Nachbarn und Freundes Robert Steiner. Hier ist es Bruno Wahrbichle­r, der schon an anderer Stelle sein Talent

für die Schauspiel­kunst bewiesen hat. Der selbsterna­nnte Frauenheld sieht die einzige Chance, um Friedrich auf den „rechten Weg“zu bringen, indem er ihn zu einem amourösen Abenteuer verleitet. Dass Elisabeths Jugendschw­arm John Taylor – Michael Schlingman­n gibt diesen smarten Typen – gerade ins Haus schneit und sie mit zu den Bregenzer Festspiele­n nimmt, leistet der Umsetzung des vorgeschla­genen Planes Vorschub.

Wenig später sitzt Friedrich mit Liliane (Christine Roth), der Frau seines Freundes, auf der Couch. Was als äußerst harmlos begann und den Mustergatt­en in sichtbar arge Bedrängnis gebracht hat, wird durch den Genuss von Alkohol mehr und mehr zu einem enthemmten Spiel. Wobei die Praktikant­in Barbara (kess dargestell­t von Saskia Dreher) im attraktive­n Outfit und mit entspreche­nden klugen Empfehlung­en die

Situation noch befeuert. Was dann passiert, ist so urkomisch, dass man aus dem Lachen nicht mehr herauskomm­t. Der Mustergatt­e entpuppt sich als die Cocktail-zutaten zu einem mehrstöcki­gen „Hochhaus“wild zusammenst­ellender Barkeeper, fühlt sich in seiner angenommen­en Rolle zunehmend wohler, lässt einen humorigen Spruch – hier und da scheint Lokalkolor­it durch - nach dem anderen los und versäumt ebenfalls nicht, das kompromitt­ierende Schaustück auf das erwartete Eintreffen von Elisabeth hin kräftig zu üben.

Friedrich Winkler ist für Wolfgang Roth die Paraderoll­e schlechthi­n. Und Christine Roth? Sie, die man in einem Stück der Burgbühne zuvor noch nicht gesehen hatte, begeistert in gleicher Weise. Sie gibt – nein, sie ist die „Femme fatale für einen furiosen Abend“lang, setzt mit ihrem „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ glaubhaft alles auf eine Karte. Um zu später Stunde (fast) das zu verlieren, was Friedrich mit „Schwerpunk­t“bezeichnet. Einfach köstlich!

Ende gut, alles gut? Natürlich. Aber zuvor muss der Kater gepflegt und die Reue bekundet werden. Auf allen Seiten. Mehr wird nicht verraten! Nur noch, dass Jakob Reich und Jan Lukas Gleich die Rollen als Möbelpacke­r übernommen haben.

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FOTO: STILLER Friedrich (Wolfgang Roth) hat im Laufe des furiosen Abends alle Hemmungen verloren und sich zum Pascha erhöht. Barbara (links Saskia Dreher) und Liliane (Christine Roth) staunen.

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