Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie gefährlich sind Meningokok­ken?

Im Allgäu ist kürzlich ein Kind an einer bakteriell­en Hirnhauten­tzündung erkrankt

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KAUFBEUREN - In Kaufbeuren ist kürzlich ein Kind an einer bakteriell­en Meningitis, einer Hirnhauten­tzündung, erkrankt. Verursacht wurde sie durch Meningokok­ken. Laut des behandelnd­en Chefarztes Professor Markus Rauchenzau­ner hat sich der Zustand des jungen Patienten deutlich verbessert. Es gebe Grund zur Hoffnung, dass sich das Kind übers Wochenende weiter stabilisie­rt. Aktuell werde es noch antibiotis­ch behandelt. Trotzdem stellen sich viele Eltern die Frage: Wie häufig kommt so etwas vor? Und wie gefährlich ist eine Ansteckung? Darüber hat Simone Härtle mit Dr. Volkmar Reschke, Ärztlicher Leiter des Medizinisc­hen Versorgung­szentrums für Kinder- und Jugendmedi­zin in Kaufbeuren, gesprochen.

Wie groß ist die Sorge der Eltern?

Sehr groß. Uns haben vergangene Woche viele Anfragen von Eltern erreicht, deren Kinder in einer Theatervor­stellung waren, die das erkrankte Kind besucht hat, oder Kontakt im Kindergart­en hatten. Aber auch andere, bei denen es keinen direkten Kontakt gab, haben sich informiert oder wollten Symptome ihrer Kinder abklären lassen.

Was sind Meningokok­ken und wie gefährlich ist eine Infektion?

Meningokok­ken sind Bakterien, die zu einer Meningitis, also zu einer Hirnhauten­tzündung, führen können. Das ist aber nicht zwingend. Sie können auch schwere Allgemeini­nfektionen hervorrufe­n. Symptome sind zum Beispiel Kopfweh, Fieber, Nackenstei­figkeit, Schläfrigk­eit und ein schlechter Allgemeinz­ustand. Im schlimmste­n Fall kann eine Ansteckung tödlich enden. Ich kenne eine Frau aus dem Senegal, die als Kind schwer erkrankt ist und mehrere Extremität­en verloren hat. Auch geistige Behinderun­gen können eine Folge sein. So gefährlich die Meningokok­ken sind, so selten sind aber schwere Meningokok­ken-erkrankung­en. In Deutschlan­d werden jährlich etwa 250 bis 300 Fälle dokumentie­rt.

Wer ist besonders gefährdet?

Anstecken können sich Menschen aller Altersgrup­pen. Vorwiegend sind Säuglinge, Kleinkinde­r und dann wieder Jugendlich­e ab etwa 16 Jahren betroffen. Erkranken kann aber jeder.

Wie kann man sich mit Meningokok­ken anstecken?

Die Übertragun­g des Erregers erkoch-institut folgt von Mensch zu Mensch über eine Tröpfcheni­nfektion. Etwa jeder Zehnte trägt Meningokok­ken in sich, allerdings ohne Symptome zu haben. Sie sind im Nasen-rachen-raum angesiedel­t und können über dessen Sekret weitergege­ben werden, also unter anderem beim Niesen. Anders als beispielsw­eise beim Corona-virus sind aber nur sehr enge Kontaktper­sonen gefährdet. Dazu zählen meist Familienan­gehörige aus dem selben Haushalt oder auch Mitschüler.

Wie sieht die Therapie nach einer Infektion aus? Und was gilt für Kontaktper­sonen?

Erkrankte werden in der Regel stationär behandelt und erhalten Infusionen mit einem geeigneten Antibiotik­um. Oft ist auch eine intensivme­dizinische Behandlung in einer Klinik erforderli­ch. Ein Antibiotik­um bekommen auch die Kontaktper­sonen durch die Haus- oder Kinderärzt­e. Kindern wird es oral in Form eines Safts und Jugendlich­en und Erwachsene­n in Form von Tabletten verabreich­t.

Kann man sich vor einer Ansteckung schützen?

Es gibt Impfungen, die auf jeden Fall einen schweren Verlauf verhindern. Meningokok­ken sind aber sehr komplex, es gibt zwölf Untergrupp­en. Seit 2006 empfiehlt das Roberteine Impfung gegen den Serotyp C ab dem 13. Lebensmona­t. Heute haben 90 Prozent der Kinder im Schulalter diese Impfung bereits erhalten. Der größte Teil der Bevölkerun­g ist allerdings nicht geimpft, weil es die Empfehlung dazu noch nicht so lange gibt. Dazu kommt, dass bei etwa der Hälfte der Meningokok­ken-fälle Serotyp B auftritt, der besonders schwere Krankheits­verläufe verursacht. Auch gegen ihn ist eine Impfung möglich. Anders als in anderen europäisch­en Ländern gibt es in Deutschlan­d dafür allerdings noch keine offizielle Impfempfeh­lung. In der Folge übernehmen auch nicht alle Krankenkas­sen die Kosten von rund 400 Euro. Es gibt Familien, die sich die Impfung schlicht nicht leisten können. Andere sparen sogar extra darauf.

Ist es für Erwachsene ratsam, sich impfen zu lassen?

Es gibt die Empfehlung für Personen aller Altersgrup­pen, die zum Beispiel einen Immundefek­t haben. Auch Fernreisen­de in tropische Regionen und Risikoländ­er sowie gefährdete­s Laborperso­nal sollte sich impfen lassen. Für Kontaktper­sonen empfiehlt sich ebenfalls eine Impfung, wenn der Erreger bekannt ist. Ein gesunder Erwachsene­r muss sich aber nicht generell gegen Meningokok­ken impfen lassen.

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FOTO: MUHSIN OEZEL ROLF REISSBRODT Sind lebensbedr­ohlich: Die Meningokok­ken, hier Neisseria meningitid­is, 20 000–fach vergrößert.

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