Bidens düstere Warnung
Der Us-präsident sieht vor den Midterms die Demokratie in Gefahr
WASHINGTON - Der Us-präsident hat sich im Wahlkampf rargemacht. Mit Zustimmungswerten um die 40Prozent-marke sahen viele der 435 Kandidaten der Demokraten für das Repräsentantenhaus und die knapp drei Dutzend Bewerber für den Senat Joe Biden eher als Belastung. Dass der Präsident sich dazu entschied, sechs Tage vor den Midterms eine live übertragene Rede an die Nation zu halten, löste in der eigenen Partei gemischte Gefühle aus. Er bezweifele sehr, so Barack Obamas ehemaliger Chefstratege David Axelrodt, „dass viele Demokraten in knappen Rennen heiß darauf waren, ihn im Fernsehen zu sehen“.
Dort konnten sie am Mittwochabend einen Präsidenten erleben, der sich unweit vom Schauplatz des Aufstands vom 6. Januar 2021 aus der Union Station mit einem leidenschaftlichen Appell an die Amerikaner richtete. „Ich wünschte, ich könnte sagen, dass der Angriff auf unsere Demokratie an diesem Tag endete“, erinnerte er vor einem Meer an Sternenbannern an den Sturm auf den Kongress. „Aber das kann ich nicht.“
Um zu illustrieren, für wie bedrohlich der Präsident die Lage einschätzt, schilderte er zu Beginn seiner Rede den Anschlag auf den Ehemann
der Speakerin im Kongress, Paul Pelosi (82). Der Angreifer habe fast identische Parolen gebraucht, wie die Aufständischen, die gewaltsam in den Kongress eingedrungen waren. „Wir müssen mit einer Stimme als Nation sprechen und sagen, es gibt keinen Platz für Wähler-einschüchterung oder politische Gewalt in Amerika."
Ohne Donald Trump beim Namen zu nennen, machte Biden diesen direkt für ein politisches Klima verantwortlich, das ein Memorandum des Heimatschutzministeriums zu den Midterms als bedenklich einstufte. Zahlreiche Republikaner, die für den Senat, das Repräsentantenhaus und Gouverneursposten antreten, haben es abgelehnt, sich auf die Anerkennung
der Ergebnisse festzulegen. Unzufriedenheit mit dem Wahlausgang, warnt das Memo, könnte „ideologische Gegner und Wahlhelfer zur Zielscheibe machen“.
Biden meinte in seiner Rede, die anhaltende Weigerung des Ex-präsidenten, seine Niederlage mit über sieben Millionen Stimmen anzuerkennen und stattdessen die „große Lüge“von den gestohlenen Wahlen zu verbreiten, sei der Kern des Übels. „Es ist eine gefährliche Lüge, die politische Gewalt und die Einschüchterung von Wählern über die vergangenen zwei Jahre geschürt hat.“
Die Parteichefin der Republikaner, Ronna Mcdaniel, hielt Biden vor, das Land spalten zu wollen. „Er verteufelt und verunglimpft Amerikaner, während er das Leben für uns alle teurer macht“, erklärte Mcdaniel, die den Auftritt des Präsidenten als Ablenkungsmanöver von Inflation und Benzinpreisen interpretierte.
„Wir müssen diese Lügen mit der Wahrheit konfrontieren“, appelliert Biden an seine Landsleute, den Schutz der Demokratie bei den bevorstehenden Midterms ganz oben auf die Prioritätenliste zu setzen.
Mehr als 370 republikanische Kandidaten, die bei den Midterms für den Kongress und andere Wahlämter antreten, schüren Zweifel oder unterstützen die „große Lüge“von den gestohlenen Wahlen 2020.