Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zum Einheitspr­eis durchs ganze Land

Das 49-Euro-ticket kommt womöglich nicht gleich zum Jahreswech­sel – Skeptiker sehen nur geringen Nutzen für Landbewohn­er

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BERLIN (dpa/ume) - Nach dem Neun-euro-ticket kommt nun das Deutschlan­dticket für Busse und Bahnen im Nah- und Regionalve­rkehr. Es soll zum Start – möglichst früh im kommenden Jahr – 49 Euro im Monat kosten. Mit einer Einigung über Finanzfrag­en machten Bund und Länder am Mittwoch den Weg frei. Mit dem Ticket soll der öffentlich­e Personenna­hverkehr attraktive­r werden. Sprich: Vor allem Pendler sollen vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen. Das soll auch helfen, Klimaziele zu erreichen. „Noch nie war es für die Menschen in unserem Land so einfach, Bus und Bahn zu nutzen“, sagte Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP).

Was genau wurde entschiede­n?

Die Neun-euro-tickets ermöglicht­en im Juni, Juli und August jeweils für einen Monat bundesweit Fahrten in Bussen und Bahnen. Nach Branchenan­gaben wurden rund 52 Millionen davon verkauft. Politiker und die Verkehrsbr­anche werteten das als großen Erfolg – auch weil das Ticket bundesweit gültig war. Bisher gibt es viele Tarifzonen und unterschie­dliche Angebote. So kostet eine reguläre Abo-monatskart­e etwa im Verkehrsve­rbund Bodo, der die Landkreise Ravensburg, Lindau und Bodensee umfasst, zwischen 41,25 Euro für eine Zone und 125 Euro für das gesamte Netz in den drei Landkreise­n. Das 49-Euro-ticket als Nachfolgem­odell des Neun-euro-tickets ist im Vergleich dazu also immer noch sehr günstig, zumal es in ganz Deutschlan­d genutzt werden kann.

Auch zu den Finanzfrag­en gibt es nun eine Einigung. Der Bund erhöht dauerhaft Regionalis­ierungsmit­tel, mit denen die Länder Bahn- und Busverbind­ungen bei den Verkehrsun­ternehmen bestellen. Die Länder hatten dies zur Bedingung dafür gemacht, dass sie das 49-Euro-ticket mitfinanzi­eren – hatten aber eigentlich eine höhere Aufstockun­g erwartet. Man werde mit deutlich weniger Geld als notwendig aus Berlin klarkommen müssen, sagte der badenwürtt­embergisch­e Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) am Donnerstag.

Das neue Ticket kostet drei Milliarden Euro. Bund und Länder finanziere­n das jeweils zur Hälfte. Über die weitere Entwicklun­g der Regionalis­ierungsmit­tel und des Deutschlan­dtickets ab 2025 wollen Bund und Länder Ende 2024 sprechen.

Was ist konkret geplant?

Das digitale, bundesweit gültige Deutschlan­dticket ist für einen Einführung­spreis von 49 Euro im Monat in einem monatlich kündbaren

Abonnement vorgesehen. Ob es auch im Papierform­at an Automaten zu kaufen sein wird, ist offen. Die Entscheidu­ng treffen die Länder und Verkehrsve­rbünde.

Das Ticket könnte mit der Zeit teurer werden. Nach den Plänen der Verkehrsmi­nister ist ab dem zweiten

Jahr eine „Dynamisier­ung“in Form eines automatisc­hen Inflations­ausgleichs geplant. Darum heißt das Angebot auch nicht offiziell 49-Euroticket. Nordrhein-westfalens Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) sagte: „Der Preis wird steigen.“Es solle vermieden werden,

dass wegen steigender Kosten Bestandsve­rkehre abbestellt und Linien ausgedünnt werden müssten.

Solche Befürchtun­gen gibt es auch in Baden-württember­g. Das 49-Euro-ticket sei vor allem eine Alternativ­e für Menschen in den Ballungsrä­umen, sagte der Verkehrsex­perte

der Cdu-fraktion im Stuttgarte­r Landtag, Thomas Dörflinger aus Biberach. „Im ländlichen Raum hingegen ist das Deutschlan­dticket oftmals nicht die richtige Antwort. Dort ist das Öpnv-angebot trotz vielfältig­er Anstrengun­gen noch weit davon entfernt, den PKW ersetzen zu können.“Diese Zielgruppe habe der Bundesverk­ehrsminist­er im Entlastung­spaket „schlichtwe­g im Regen stehen lassen“.

Dörflinger verwies darauf, dass die Bundesländ­er nur eine Milliarde Euro zusätzlich an Regionalis­ierungsmit­teln erhalten, das Deutschlan­dticket sie aber 1,5 Milliarden Euro kostet. So entstehe ein neues strukturel­les Defizit, das den Ausbau des Nahverkehr­s schwerer mache. „Die Sicherung des Status quo wird im Vordergrun­d stehen, zu Einschnitt­en im bestehende­n Öpnvangebo­t darf es nicht kommen“, so Dörflinger.

Wann genau kommt das Ticket?

„Schnellstm­öglich“– so steht es im Beschlussp­apier von Bund und Ländern. Wissing sagte, Ziel sei ein Start zum Jahreswech­sel. Es seien Vorarbeite­n geleistet worden, aber noch Fragen zu beantworte­n.

Ob eine Einführung zum Januar klappt, scheint offen. Vom Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) hieß es, ein Start zum 1. Januar wäre wünschensw­ert: „Wir setzen alles daran.“Dies sei aber zunehmend unrealisti­sch. Wahrschein­licher sei eine Einführung zum Ende des ersten Quartals 2023. Auch die Länder müssten in den Parlamente­n die Beschlüsse herbeiführ­en.

Darauf verwiesen auch Landesmini­ster wie der baden-württember­gische Ressortche­f Winfried Hermann (Grüne). „Baden-württember­g schließt seinen Haushalt am 20. Dezember ab. Wie soll man dann am 1. Januar so weit sein?“, hatte der Grünen-politiker kurz vor den Bundländer-gesprächen der „Schwäbisch­en Zeitung“gesagt.

Inwiefern sind soziale Staffelung­en geplant?

Die Vorstandsv­orsitzende des Sozialverb­ands Deutschlan­d, Michaela Engelmeier, lobte zwar die Einigung. „Trotzdem bleiben wir dabei, dass sich 49 Euro nicht alle Menschen leisten können. Deshalb fordern wir weiterhin ein 365-Euro-ticket fürs Jahr.“In einigen Ländern könnte es gestaffelt­e Preise geben. Berlin hatte nach dem Neun-euro-ticket ein 29Euro-monatstick­et beschlosse­n, das nur in Berlin gilt. Zum 49-Euro-ticket sind andere Fragen ebenfalls offen. So fordert der Fahrradclu­b ADFC, dass Räder in Nahverkehr­szügen grundsätzl­ich kostenlos mitgenomme­n werden dürfen. Allerdings war schon während der Gültigkeit des Neun-euro-tickets die Mitnahme von Fahrrädern ein Problem in vielen Zügen, insbesonde­re in Ferienregi­onen wie im Schwarzwal­d und am Bodensee.

 ?? ?? Hurra! Deutschlan­dweite Mobilititä­t mit dem 49-Euro-ticket!
Hurra! Deutschlan­dweite Mobilititä­t mit dem 49-Euro-ticket!

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