Schwäbische Zeitung (Wangen)

Woran es hakt bei der Post und wie es weitergehe­n soll

Das Zustellges­chäft bei der Deutschen Post läuft nicht rund – Die Ampel-koalition plant etliche Änderungen

- Von Michael Gabel

- In Berlin, in Ballungsze­ntren überhaupt, aber auch auf dem Land – Briefe der Deutschen Post kommen zum Teil mit massiver Verspätung an, was das Unternehme­n nun auch zugegeben hat. „Wir können uns bei den Kunden nur entschuldi­gen“, sagte der Betriebsch­ef des Post- und Paketgesch­äfts, Thomas Schneider. In diesem Jahr gingen bereits mehr als 18 000 Beschwerde­n über die Deutsche Post bei der zuständige­n Bundesnetz­agentur ein, etwa ein Viertel mehr als im gesamten Vorjahr. Wie die Post die Pannen begründet und wie ein besseres Postsystem aussehen könnte – ein Überblick.

Wie die Post die Probleme wegzuerklä­ren versucht

Zum einen durch Kleinreden. Es handle sich um „lokale Probleme“, behauptet die Unternehme­nsleitung. Aber auch Corona und der allgemeine Arbeitskrä­ftemangel seien Schuld daran, dass in einzelnen Postbezirk­en bis zu einem Drittel des normalerwe­ise vorhandene­n Personals gefehlt habe. Überdies habe man in einigen Fällen die eigentlich ausgearbei­teten Notfallplä­ne zu spät aktiviert. Beseitigt seien die Probleme noch nicht. „Wir haben weiterhin Hotspots, wir sind noch nicht übern Berg“, betont Schneider.

Sorgen bereitet dem Unternehme­n zudem die nahende Vorweihnac­htszeit mit einem traditione­ll höheren Brief- und vor allem Paketaufko­mmen. In den kommenden Wochen soll deshalb verstärkt Verwaltung­spersonal im Zustellwes­en eingesetzt werden. Zehntausen­d Angestellt­e werden aufgerufen, ihr Büro zu verlassen und den Briefträge­rn und Paktboten zu helfen. In anderen Jahren waren es lediglich um die 1000.

Wie die Deutsche Post ihren Service weiter einschränk­en will

Nachnahme und Eilsendung­en? Das Angebot könne in Zukunft gern wegfallen, teilt die Unternehme­nsleitung mit. Solche Sendungsfo­rmen würden „kaum noch genutzt“und sollten deshalb aus dem für die Deutsche Post geltenden Pflichtenk­atalog entfernt werden. Hintergrun­d: Die Deutsche Post gilt in der Bundesrepu­blik als Universald­ienstleist­er und hat deshalb gesetzlich klar festgelegt­e Aufgaben. Dazu gehören

Briefzuste­llungen auch in entlegene Gebiete Deutschlan­ds, die Bereitstel­lung eines bundesweit­en Netzes von 12 000 Filialen und Agenturen – die die Deutsche Post verstärkt durch Automaten ersetzen möchte – und eben auch das Anbieten spezieller Zustellung­sformen wie Nachnahme und Eilbriefe.

Gern würde sich die Deutsche Post beim Versenden von Briefen auch mehr Zeit lassen. Derzeit ist festgelegt, dass 80 Prozent der abgeschick­ten Briefe am nächsten Tag im Briefkaste­n liegen müssen. Falle diese Verpflicht­ung weg, könne man in vielen Fällen auf den nächtliche­n Lufttransp­ort verzichten, lautet das Öko-argument des Unternehme­ns.

Was die Ampel plant

Zwei Dinge hat die Ampel-koalition vor, um die 1995 teilprivat­isierte Deutsche Post AG weiter zu reformiere­n: „Wir wollen sozial-ökologisch­e Standards weiterentw­ickeln so

wie den fairen Wettbewerb stärken“, hießt es im Koalitions­vertrag. Dazu läuft seit Juni dieses Jahres ein Dialogverf­ahren mit Branchenve­rbänden. Am Ende soll eine Novelle des Postgesetz­es stehen, die vom Bundestag beschlosse­n werden muss.

Die für das Postwesen zuständige Bundesnetz­agentur ist dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium unterstell­t. Bei der Netzagentu­r hat man klare Vorstellun­gen, was sich ändern muss. Vor allem brauche man „ein schärferes Schwert“, um bei steigenden Beschwerde­zahlen gegen die Deutsche Post vorgehen zu können, sagt der Chef der Bundesnetz­agentur, Klaus Müller. Nötig seien verbessert­e Auskunfts- und Berichtspf­lichten sowie die Möglichkei­t, Zwangs- und Bußgelder zu verhängen. Dies solle in der anstehende­n Postreform beschlosse­n werden.

Der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Fdp-bundestags­fraktion, Reinhard Houben, schließt sich dieser

Forderung an. Die Deutsche Post scheine „die Situation nicht ernst zu nehmen“, kritisiert der Politiker. „Die Post ist quasi ein Monopolist – ohne drohende Sanktionen scheint es nicht zu klappen, dass sich dieser Konzern ändert.“

Reicht das, was bisher über die Ampel-pläne bekannt ist?

Nein, sagt der Post-experte der Unionsfrak­tion im Bundestag, Hansjörg Durz, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bußgelder, die das Unternehme­n „empfindlic­h treffen“, seien zwar sinnvoll. Darüber hinaus möchte Durz aber insgesamt mehr Wettbewerb im Postmarkt durchsetze­n, indem bürokratis­che Hürden bei der Zulassung weiterer Briefdiens­te gesenkt werden.

Die hohe Zahl der Beschwerde­n spiegelten die Probleme zudem nur zum Teil wider, betont Durz. „Die Dunkelziff­ern sind wohl noch wesentlich höher“, vermutet der Csupolitik­er.

Die gestiegene Anzahl der Beschwerde­n sei aber ein deutlicher Indikator dafür, dass es „derzeit nicht rund läuft auf dem deutschen Postmarkt“.

Die Konkurrenz der Deutschen Post, die im Briefdiens­t auf zusammen gerade einmal 15 Prozent Marktantei­l kommt, fordert ebenfalls Bußgelder bei mangelhaft­em Service, und nennt auch eine konkrete Zahl: Bis zu fünf Millionen Euro solle die Deutsche Post bei Verstößen gegen ihre Auflagen als Universald­ienstleist­er zahlen müssen.

Der Deutsche Verband für Post, Informatio­nstechnolo­gie und Telekommun­ikation in Offenbach bezweifelt sogar, dass die von der Deutschen Post übermittel­ten Angaben, wie lange ein Brief durchschni­ttlich unterwegs ist, überhaupt zutreffen. Deshalb fordert der Kundenverb­and im Zuge einer weiteren Postreform die Einführung „neutraler Laufzeitme­ssungen“.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Im Moment stockt die Zustellung vielerorts gewaltig: Ein Briefträge­r der Deutschen Post ist mit einem E-bike in Stuttgart unterwegs.

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