Von den Plantagen Tennessees ins Allgäu
Pferde einer in Deutschland sehr seltenen Rasse stehen in einem Stall bei Übendorf
- Pferde einer in Deutschland sehr seltenen Rasse stehen in einem Stall zwischen Stegrot und Übendorf. Maritta Conrad und ihre Tochter Kimberley Kögel züchten dort, im „Gemeinden-dreieck“Leutkirch/bad Wurzach/kißlegg, Tennessee Walking Horses. Die 17Jährige ist damit auch sportlich sehr erfolgreich.
Tennessee Walking Horses (oder kurz: Tennessee Walker) gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. „Sie wurden für die Besitzer großer Plantagen in Tennessee gezüchtet. Diese wollten für ihre langen Ausritte ein Pferd haben, das schnell und bequem zu reiten ist. Und es sollte gleichzeitig auch als Kutschenpferd verwendbar sein“, erzählt Maritta Conrad.
Die Zucht war erfolgreich. Tennessee Walker gelten bis heute als sehr freundliche, ruhige und intelligente Pferde, sind gleichzeitig menschenbezogen und relativ leicht zu reiten. „Sie gehen mit einem durch dick und dünn, wenn sie gut ausgebildet wurden“, sagt die Züchterin, die auch von ihrem Mann Werner Kögel unterstützt wird.
Das Besondere aber ist ihre namensgebende Gangart: der Tennessee Walk. Das ist eine Gangart, die so schnell ist wie bei anderen Pferderassen der Trab. Dabei unterscheidet der Experte sogar noch zwischen dem etwas langsameren Flatwalk und dem Running Walk, mit dem eine Geschwindigkeit von bis zu 16 Kilometer pro Stunde erreicht wird.
Und das äußerst bequem für den Reiter. „Im Gegensatz zu einem Trab fühlt sich der Reiter selbst beim Running Walk, als ob er auf einem Sofa sitzt“, sagt Maritta Conrad. Daher sei ein Tennessee Walker selbst für Menschen mit Rückenproblemen reitbar.
Auch der Galopp, Canter genannt, sei für den Reiter komfortabel, ergänzt sie. „Die Amerikaner bezeichnen diese Gangart nicht umsonst als Schaukelstuhlgalopp“, sagt sie und lacht. Die Gangarten muss man dem Pferd nicht beibringen. „Anders als bei Isländern, denen man ihren charakteristischen Tölt lehren muss, kann diese Rasse den Tennessee Walk von Geburt an.“
Vor etwa 25 Jahren sei sie auf diese in Europa seltene Pferderasse – in Deutschland gibt es nur wenige Hundert Tiere – gestoßen. Der damalige Eigentümer von Früchte Jork in Isny hatte Tennessee Walker. Conrad wurde von einer Freundin darauf aufmerksam gemacht, ging dorthin, ritt eines der Pferde „und ich bin
dann nie mehr davon losgekommen“.
Nach nur wenigen Monaten habe sie beschlossen: „So ein Pferd will ich haben.“Sie habe sich dann ein Fohlen gekauft. Colour’s Ginger wurde ihr erstes Tennessee Walking Horse, mit dem die Stegroterin auch züchtete. „Ginny ist die Stammmutter fast aller Tennesse Walker, die ich heute habe.“
Nicht lange dauerte es, bis Maritta Conrad auch an Wettbewerben teilnahm. In der Zuchtstation Josef ’s Walkaway Farm in Wemding, am Rand des Nördlinger Ries’ gelegen, habe man sie überzeugt, ihre damals zwei Stuten bei einer Deutschen Meisterschaft vorzustellen. „Das habe ich gemacht und gleich mehrere Pokale mitgebracht“, erzählt Maritta Conrad stolz. „Da habe ich Blut geleckt und Ehrgeiz entwickelt. Heute kann ich sagen, dass ich das Ziel erreicht habe, durchgehend mit meinen Pferden erfolgreich zu sein.“
Ihre Leidenschaft sowie ihren sportlichen und züchterischen Ehrgeiz hat sie an Tochter Kimberley vererbt. Die heute 17-Jährige stellte als Fünfjährige erstmals ein Pferd bei einer Meisterschaft vor. Und hat mittlerweile die Mutter längst übertrumpft. Zahlreiche Pokale und Urkunden über gewonnene Titel bei deutschen und Europameisterschaften der Jugend künden davon.
Kimberleys Können hat sich mittlerweile bis nach Tennessee herumgesprochen. Der dortige Zuchtverband Tennessee Walking Horse Breeders’ and Exhibitors’ Association finanziert die Europameisterschaften
über seinen europäischen Ableger, den Tennessee Walking Horse Club Europe (dessen Homepage ziert auf der Startseite übrigens ein Bild von Kimberley). „Kimberley hat das Angebot erhalten, ein Wmtraining in Tennessee zu absolvieren“, berichtet Maritta Conrad stolz. „Denn dort haben sie zwar viele gute Pferde, aber nur wenige wirklich gute Reiter.“
Auch beruflich will die junge Frau mit Pferden zu tun haben. Derzeit absolviert sie eine landwirtschaftliche Ausbildung. „Mein Berufsziel ist Hufschmiedin“, erzählt Kimberley. Für ihren Sport trainiert sie täglich „nebenbei“auf dem elterlichen Hof. Vergleichsmöglichkeiten mit anderen fehlen indes. „Im Allgäu bin ich fast eine Einzelkämpferin. Es gibt hier fast keine Tennessee-walkingsportler.“Wenn diese Pferderasse in der Region überhaupt geritten wird, dann meist als Freizeitpferd.
Von Zeit zu Zeit absolvieren sie und ihre Mutter daher Lehrgänge auf Josef’s Walkaway Farm. „Auch der Mensch muss trainiert werden“, sagt Maritta Conrad lachend.
Beim Training und bei Wettkämpfen stehe das Wohl der Pferde über allem, betonen Maritta und Kimberley. In Tennessee selbst, das wissen sie, sind Züchter und Sportler zuletzt in Verruf geraten, weil sie die Tiere mit Trainingsmethoden wie dem sogenannten Soring, bei dem sogar mit Chemikalien gearbeitet wird, quälten. „Das ist einfach schrecklich und verantwortungslos“, so die klare Meinung der Stegroterinnen. In Europa
sind diese und ähnliche Methoden seit Langem strikt verboten.
Die Züchterinnen muten ihren Tieren auch keine allzu weiten Anreisen zu Titelkämpfen zu. „Wenn die Europameisterschaften zu weit weg sind, zum Beispiel in Holland, fahren wir nicht hin“, erzählt Maritta Conrad. Seit einiger Zeit finden aber die Titelkämpfe immer in Mönchengladbach statt. „Das geht gerade noch.“Die „Deutschen“sind sowieso immer in Wemding.
Die vielen gewonnenen deutschen und Europameistertitel sind für Maritta Conrad und Kimberley Kögel nicht nur gut fürs Selbstbewusstsein. „Bei den Titelkämpfen gibt es zwar, leider, kein Geld zu gewinnen, aber vordere Plätze und natürlich vor allem Titel sind gut fürs Renommee des Stalls.“
Und mit dessen Tieren (sowie mit Einstellpferden) bestreitet die Familie den Unterhalt. „Jedes Jahr werden ein oder zwei Stuten gedeckt und die Fohlen verkauft. Die Nachfrage ist extrem hoch. Schon wenn ich nur auf Facebook poste, dass bei uns ein Fohlen zur Welt gekommen ist, kommen die Angebote“, berichtet Maritta Conrad, die auch zugibt: „Ein Tier zu verkaufen, fällt mir jedes Mal schwer.“
Ihren guten Ruf und den ihres Stalls will Conrad auch im kommenden Jahr festigen. Im Juni/juli stehen die Deutschen Meisterschaften an, im September die Europameisterschaften. „Eine neue Bluse habe ich mir schon gekauft“, sagt die 17-Jährige und lacht.