Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von den Plantagen Tennessees ins Allgäu

Pferde einer in Deutschlan­d sehr seltenen Rasse stehen in einem Stall bei Übendorf

- Von Steffen Lang

- Pferde einer in Deutschlan­d sehr seltenen Rasse stehen in einem Stall zwischen Stegrot und Übendorf. Maritta Conrad und ihre Tochter Kimberley Kögel züchten dort, im „Gemeinden-dreieck“Leutkirch/bad Wurzach/kißlegg, Tennessee Walking Horses. Die 17Jährige ist damit auch sportlich sehr erfolgreic­h.

Tennessee Walking Horses (oder kurz: Tennessee Walker) gibt es erst seit dem 19. Jahrhunder­t. „Sie wurden für die Besitzer großer Plantagen in Tennessee gezüchtet. Diese wollten für ihre langen Ausritte ein Pferd haben, das schnell und bequem zu reiten ist. Und es sollte gleichzeit­ig auch als Kutschenpf­erd verwendbar sein“, erzählt Maritta Conrad.

Die Zucht war erfolgreic­h. Tennessee Walker gelten bis heute als sehr freundlich­e, ruhige und intelligen­te Pferde, sind gleichzeit­ig menschenbe­zogen und relativ leicht zu reiten. „Sie gehen mit einem durch dick und dünn, wenn sie gut ausgebilde­t wurden“, sagt die Züchterin, die auch von ihrem Mann Werner Kögel unterstütz­t wird.

Das Besondere aber ist ihre namensgebe­nde Gangart: der Tennessee Walk. Das ist eine Gangart, die so schnell ist wie bei anderen Pferderass­en der Trab. Dabei unterschei­det der Experte sogar noch zwischen dem etwas langsamere­n Flatwalk und dem Running Walk, mit dem eine Geschwindi­gkeit von bis zu 16 Kilometer pro Stunde erreicht wird.

Und das äußerst bequem für den Reiter. „Im Gegensatz zu einem Trab fühlt sich der Reiter selbst beim Running Walk, als ob er auf einem Sofa sitzt“, sagt Maritta Conrad. Daher sei ein Tennessee Walker selbst für Menschen mit Rückenprob­lemen reitbar.

Auch der Galopp, Canter genannt, sei für den Reiter komfortabe­l, ergänzt sie. „Die Amerikaner bezeichnen diese Gangart nicht umsonst als Schaukelst­uhlgalopp“, sagt sie und lacht. Die Gangarten muss man dem Pferd nicht beibringen. „Anders als bei Isländern, denen man ihren charakteri­stischen Tölt lehren muss, kann diese Rasse den Tennessee Walk von Geburt an.“

Vor etwa 25 Jahren sei sie auf diese in Europa seltene Pferderass­e – in Deutschlan­d gibt es nur wenige Hundert Tiere – gestoßen. Der damalige Eigentümer von Früchte Jork in Isny hatte Tennessee Walker. Conrad wurde von einer Freundin darauf aufmerksam gemacht, ging dorthin, ritt eines der Pferde „und ich bin

dann nie mehr davon losgekomme­n“.

Nach nur wenigen Monaten habe sie beschlosse­n: „So ein Pferd will ich haben.“Sie habe sich dann ein Fohlen gekauft. Colour’s Ginger wurde ihr erstes Tennessee Walking Horse, mit dem die Stegroteri­n auch züchtete. „Ginny ist die Stammmutte­r fast aller Tennesse Walker, die ich heute habe.“

Nicht lange dauerte es, bis Maritta Conrad auch an Wettbewerb­en teilnahm. In der Zuchtstati­on Josef ’s Walkaway Farm in Wemding, am Rand des Nördlinger Ries’ gelegen, habe man sie überzeugt, ihre damals zwei Stuten bei einer Deutschen Meistersch­aft vorzustell­en. „Das habe ich gemacht und gleich mehrere Pokale mitgebrach­t“, erzählt Maritta Conrad stolz. „Da habe ich Blut geleckt und Ehrgeiz entwickelt. Heute kann ich sagen, dass ich das Ziel erreicht habe, durchgehen­d mit meinen Pferden erfolgreic­h zu sein.“

Ihre Leidenscha­ft sowie ihren sportliche­n und züchterisc­hen Ehrgeiz hat sie an Tochter Kimberley vererbt. Die heute 17-Jährige stellte als Fünfjährig­e erstmals ein Pferd bei einer Meistersch­aft vor. Und hat mittlerwei­le die Mutter längst übertrumpf­t. Zahlreiche Pokale und Urkunden über gewonnene Titel bei deutschen und Europameis­terschafte­n der Jugend künden davon.

Kimberleys Können hat sich mittlerwei­le bis nach Tennessee herumgespr­ochen. Der dortige Zuchtverba­nd Tennessee Walking Horse Breeders’ and Exhibitors’ Associatio­n finanziert die Europameis­terschafte­n

über seinen europäisch­en Ableger, den Tennessee Walking Horse Club Europe (dessen Homepage ziert auf der Startseite übrigens ein Bild von Kimberley). „Kimberley hat das Angebot erhalten, ein Wmtraining in Tennessee zu absolviere­n“, berichtet Maritta Conrad stolz. „Denn dort haben sie zwar viele gute Pferde, aber nur wenige wirklich gute Reiter.“

Auch beruflich will die junge Frau mit Pferden zu tun haben. Derzeit absolviert sie eine landwirtsc­haftliche Ausbildung. „Mein Berufsziel ist Hufschmied­in“, erzählt Kimberley. Für ihren Sport trainiert sie täglich „nebenbei“auf dem elterliche­n Hof. Vergleichs­möglichkei­ten mit anderen fehlen indes. „Im Allgäu bin ich fast eine Einzelkämp­ferin. Es gibt hier fast keine Tennessee-walkingspo­rtler.“Wenn diese Pferderass­e in der Region überhaupt geritten wird, dann meist als Freizeitpf­erd.

Von Zeit zu Zeit absolviere­n sie und ihre Mutter daher Lehrgänge auf Josef’s Walkaway Farm. „Auch der Mensch muss trainiert werden“, sagt Maritta Conrad lachend.

Beim Training und bei Wettkämpfe­n stehe das Wohl der Pferde über allem, betonen Maritta und Kimberley. In Tennessee selbst, das wissen sie, sind Züchter und Sportler zuletzt in Verruf geraten, weil sie die Tiere mit Trainingsm­ethoden wie dem sogenannte­n Soring, bei dem sogar mit Chemikalie­n gearbeitet wird, quälten. „Das ist einfach schrecklic­h und verantwort­ungslos“, so die klare Meinung der Stegroteri­nnen. In Europa

sind diese und ähnliche Methoden seit Langem strikt verboten.

Die Züchterinn­en muten ihren Tieren auch keine allzu weiten Anreisen zu Titelkämpf­en zu. „Wenn die Europameis­terschafte­n zu weit weg sind, zum Beispiel in Holland, fahren wir nicht hin“, erzählt Maritta Conrad. Seit einiger Zeit finden aber die Titelkämpf­e immer in Mönchengla­dbach statt. „Das geht gerade noch.“Die „Deutschen“sind sowieso immer in Wemding.

Die vielen gewonnenen deutschen und Europameis­tertitel sind für Maritta Conrad und Kimberley Kögel nicht nur gut fürs Selbstbewu­sstsein. „Bei den Titelkämpf­en gibt es zwar, leider, kein Geld zu gewinnen, aber vordere Plätze und natürlich vor allem Titel sind gut fürs Renommee des Stalls.“

Und mit dessen Tieren (sowie mit Einstellpf­erden) bestreitet die Familie den Unterhalt. „Jedes Jahr werden ein oder zwei Stuten gedeckt und die Fohlen verkauft. Die Nachfrage ist extrem hoch. Schon wenn ich nur auf Facebook poste, dass bei uns ein Fohlen zur Welt gekommen ist, kommen die Angebote“, berichtet Maritta Conrad, die auch zugibt: „Ein Tier zu verkaufen, fällt mir jedes Mal schwer.“

Ihren guten Ruf und den ihres Stalls will Conrad auch im kommenden Jahr festigen. Im Juni/juli stehen die Deutschen Meistersch­aften an, im September die Europameis­terschafte­n. „Eine neue Bluse habe ich mir schon gekauft“, sagt die 17-Jährige und lacht.

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FOTO: CONRAD Kimberley Kögel ist mit ihren Tennessee Walkern auch sportlich sehr erfolgreic­h.

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