Schwäbische Zeitung (Wangen)

Landwirte sehen Biosphären­gebiet kritisch

Bei Infoverans­taltung wird betont: Die Menschen vor Ort entscheide­n, ob das Gebiet kommt

- Von Katrin Neef

KREIS RAVENSBURG - Soll es im Raum Oberschwab­en/allgäu ein Biosphären­gebiet geben? Über diese Frage wird derzeit in den Städten und Gemeinden diskutiert. So auch am Donnerstag bei einer Info-veranstalt­ung in Wolpertswe­nde. Dabei waren Mitarbeite­r von Umweltmini­sterium und Regierungs­präsidium sowie Vertreter von Landwirtsc­haft und Umweltschu­tz sowie Gemeinderä­te aus Fronreute, Berg und Aulendorf. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Projekt Biosphären­gebiet.

Woher kommt die Idee, man könnte im Raum Oberschwab­en/ Allgäu ein Biosphären­gebiet einrichten?

Ein mögliches Biosphären­gebiet ist Teil des Koalitions­vertrags zwischen Grünen und CDU im Land.

Darin steht, dass in Oberschwab­en geprüft werden soll, ob die Region ein solches Gebiet will.

Wer entscheide­t, ob ein Biosphären­gebiet in der Region tatsächlic­h kommt?

Das entscheide­t nicht die Landesregi­erung, sondern allein die Kommunen in der Region. Dies wird bei den Infoverans­taltungen immer wieder betont. Ein Biosphären­gebiet Allgäu/oberschwab­en soll es nur geben, wenn die Menschen in der Region das wollen. Jeder Gemeindera­t soll nach Abschluss der Informatio­nsphase abstimmen, ob die entspreche­nde Gemeinde dabei ist oder nicht.

Wo genau soll das Biosphären­gebiet entstehen?

Das ist noch nicht fix. Welche Gebiete sich eignen, soll geprüft werden. Momentan gibt es einen sogenannte Suchraum. Dieser ist 143 000 Hektar groß und erstreckt sich vom Federsee im Landkreis Biberach bis zur Adelegg bei Isny und zum Pfrungerbu­rgweiler Ried bei Wilhelmsdo­rf. Denn eines steht fest: Das zentrale Thema sollen die für Oberschwab­en charakteri­stischen Moore sein.

Wie definiert sich ein Biosphären­gebiet?

Biosphären­gebiete, auch Biosphären­reservate genannt, wurden 1970 von der Unesco ins Leben gerufen. Sie sollen Modell-landschaft­en sein für eine ökologisch, ökonomisch und soziokultu­rell nachhaltig­e Lebensweis­e, wie Berthold Reichle vom Umweltmini­sterium am Donnerstag erklärte. Laut Bundesnatu­rschutzges­etz sind Biosphären­gebiete Flächen, die für einen bestimmten Landschaft­styp charakteri­stisch sind. Diese sollen sowohl geschützt als auch entwickelt werden. Dabei spielen die Themen Naturschut­z, Kultur und eine nachhaltig­e Wirtschaft­sweise eine Rolle.

Welche Zonen gibt es in einem Biosphären­gebiet und welche Vorschrift­en gibt es dort?

Es gibt eine Kernzone, eine Pflegezone und eine Entwicklun­gszone. Die Kernzone soll mindestens drei Prozent der Gesamtfläc­he ausmachen. Pflegezone und Kernzone zusammen sollen rund 20 Prozent der Fläche abdecken.

In der Kernzone soll die Natur möglichst sich selbst überlassen werden, ohne menschlich­e Eingriffe. Geeignet als Kernzone wären in der Region Allgäu-/oberschwab­en die Moorgebiet­e. Diese sind schon heute größtentei­ls Naturschut­zgebiete, zum Beispiel der Federsee oder das Wurzacher Ried. Auch Bannwälder könnten zur Kernzone gehören.

Pflegezone­n sollen überwiegen­d wie Natur- oder Landschaft­sschutzgeb­iete geschützt werden, schreibt das Landes-umweltmini­sterium auf seiner Internetse­ite. Auch Wirtschaft­swälder wären geeignet für eine Pflegezone, sagte Stefan Schwab vom Regierungs­präsidium am Donnerstag in Wolpertswe­nde.

In den Entwicklun­gszonen soll „eine vorbildlic­he ökologisch ausgericht­ete Wirtschaft­sentwicklu­ng unterstütz­t werden“, schreibt das Umweltmini­sterium.

Was bringt ein Biosphären­gebiet der Region?

Da ein solches Gebiet Modellregi­on für Naturschut­z, Kultur und nachhaltig­es Wirtschaft­en ist, haben entspreche­nde Projekte gute Chancen auf Förderung, auch finanziell. Ein Biosphären­gebiet hat eine Geschäftss­telle,

die sich um solche Dinge kümmert.

Als Beispiele für solche Projekte wurden am Donnerstag­abend genannt: die Vermarktun­g regionaler Lebensmitt­el, die Erschließu­ng von regionalen regenerati­ven Energieque­llen sowie Klima- und Naturschut­zmaßnahmen. Ein Biosphären­gebiet stärke außerdem den qualitativ hochwertig­en Tourismus.

Welche Befürchtun­gen gibt es hinsichtli­ch der Einrichtun­g eines Biosphären­gebiets?

Vor allem Landwirte befürchten Einschränk­ungen, wenn das Biosphären­gebiet kommen sollte. So sagte am Donnerstag­abend Ralf Steinhause­r aus Wolpertswe­nde: „Ich habe große Angst, dass wir Landwirte bei der ganzen Sache die Verlierer sind.“Nach seinem Verständni­s sei intensive Landwirtsc­haft in der Pflegezone

nicht mehr möglich, so Steinhause­r, der viel Beifall bekam.

Was sagen die Verantwort­lichen dazu?

Mehrfach wurde am Donnerstag betont, dass das Biosphären­gebiet nicht „von oben“über die Region „drübergest­ülpt“werden soll. Das Projekt soll nur dann verwirklic­ht werden, wenn die Menschen vor Ort das auch wollen.

Franz Bühler vom Prozesstea­m des Biosphären­gebiets sagte: „Der Landwirtsc­haft sollen keine Flächen entzogen werden.“Pflegezone­n sollten nur auf Flächen entstehen, die nicht intensiv landwirtsc­haftlich genutzt werden. Berthold Reichle vom Umweltmini­sterium sagte, Landwirte in einem Biosphären­gebiet hätten die Möglichkei­t, an Projekten teilzunehm­en oder neue Projekte gefördert zu bekommen. Niemand zwinge sie aber dazu.

Wie geht es jetzt weiter?

Zunächst wird es in weiteren Kommunen noch einige Infoverans­taltungen mit geladenen Gästen geben. Später sollen sich diese Veranstalt­ungen für die gesamte Bevölkerun­g öffnen.

Begleitet werden diese von einem sogenannte­n Prozesstea­m, das vom Land Baden-württember­g eingesetzt wurde und das die Aufgabe hat, in der Region zu informiere­n, aber auch Anregungen und Befürchtun­gen aufzunehme­n.

Für Gespräche mit Bürgern, Gemeinden und Akteuren sind rund fünf Jahre eingeplant. Letztlich wird dann jeder Gemeindera­t der angedachte­n Region darüber entscheide­n, ob die Gemeinde Teil des Biosphären­gebiets wird und damit auch darüber, ob das Gebiet überhaupt kommt.

 ?? GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT ?? Ein Biosphären­gebiet hat drei Zonen, jede Zone hat eine eigene Bestimmung.
GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT Ein Biosphären­gebiet hat drei Zonen, jede Zone hat eine eigene Bestimmung.
 ?? FOTO: TOBIAS KLEINSCHMI­DT/DPA ?? Das Pfrunger-burgweiler Ried könnte Bestandtei­l eines Biosphären­gebiets werden.
FOTO: TOBIAS KLEINSCHMI­DT/DPA Das Pfrunger-burgweiler Ried könnte Bestandtei­l eines Biosphären­gebiets werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany