Landwirte sehen Biosphärengebiet kritisch
Bei Infoveranstaltung wird betont: Die Menschen vor Ort entscheiden, ob das Gebiet kommt
KREIS RAVENSBURG - Soll es im Raum Oberschwaben/allgäu ein Biosphärengebiet geben? Über diese Frage wird derzeit in den Städten und Gemeinden diskutiert. So auch am Donnerstag bei einer Info-veranstaltung in Wolpertswende. Dabei waren Mitarbeiter von Umweltministerium und Regierungspräsidium sowie Vertreter von Landwirtschaft und Umweltschutz sowie Gemeinderäte aus Fronreute, Berg und Aulendorf. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Projekt Biosphärengebiet.
Woher kommt die Idee, man könnte im Raum Oberschwaben/ Allgäu ein Biosphärengebiet einrichten?
Ein mögliches Biosphärengebiet ist Teil des Koalitionsvertrags zwischen Grünen und CDU im Land.
Darin steht, dass in Oberschwaben geprüft werden soll, ob die Region ein solches Gebiet will.
Wer entscheidet, ob ein Biosphärengebiet in der Region tatsächlich kommt?
Das entscheidet nicht die Landesregierung, sondern allein die Kommunen in der Region. Dies wird bei den Infoveranstaltungen immer wieder betont. Ein Biosphärengebiet Allgäu/oberschwaben soll es nur geben, wenn die Menschen in der Region das wollen. Jeder Gemeinderat soll nach Abschluss der Informationsphase abstimmen, ob die entsprechende Gemeinde dabei ist oder nicht.
Wo genau soll das Biosphärengebiet entstehen?
Das ist noch nicht fix. Welche Gebiete sich eignen, soll geprüft werden. Momentan gibt es einen sogenannte Suchraum. Dieser ist 143 000 Hektar groß und erstreckt sich vom Federsee im Landkreis Biberach bis zur Adelegg bei Isny und zum Pfrungerburgweiler Ried bei Wilhelmsdorf. Denn eines steht fest: Das zentrale Thema sollen die für Oberschwaben charakteristischen Moore sein.
Wie definiert sich ein Biosphärengebiet?
Biosphärengebiete, auch Biosphärenreservate genannt, wurden 1970 von der Unesco ins Leben gerufen. Sie sollen Modell-landschaften sein für eine ökologisch, ökonomisch und soziokulturell nachhaltige Lebensweise, wie Berthold Reichle vom Umweltministerium am Donnerstag erklärte. Laut Bundesnaturschutzgesetz sind Biosphärengebiete Flächen, die für einen bestimmten Landschaftstyp charakteristisch sind. Diese sollen sowohl geschützt als auch entwickelt werden. Dabei spielen die Themen Naturschutz, Kultur und eine nachhaltige Wirtschaftsweise eine Rolle.
Welche Zonen gibt es in einem Biosphärengebiet und welche Vorschriften gibt es dort?
Es gibt eine Kernzone, eine Pflegezone und eine Entwicklungszone. Die Kernzone soll mindestens drei Prozent der Gesamtfläche ausmachen. Pflegezone und Kernzone zusammen sollen rund 20 Prozent der Fläche abdecken.
In der Kernzone soll die Natur möglichst sich selbst überlassen werden, ohne menschliche Eingriffe. Geeignet als Kernzone wären in der Region Allgäu-/oberschwaben die Moorgebiete. Diese sind schon heute größtenteils Naturschutzgebiete, zum Beispiel der Federsee oder das Wurzacher Ried. Auch Bannwälder könnten zur Kernzone gehören.
Pflegezonen sollen überwiegend wie Natur- oder Landschaftsschutzgebiete geschützt werden, schreibt das Landes-umweltministerium auf seiner Internetseite. Auch Wirtschaftswälder wären geeignet für eine Pflegezone, sagte Stefan Schwab vom Regierungspräsidium am Donnerstag in Wolpertswende.
In den Entwicklungszonen soll „eine vorbildliche ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsentwicklung unterstützt werden“, schreibt das Umweltministerium.
Was bringt ein Biosphärengebiet der Region?
Da ein solches Gebiet Modellregion für Naturschutz, Kultur und nachhaltiges Wirtschaften ist, haben entsprechende Projekte gute Chancen auf Förderung, auch finanziell. Ein Biosphärengebiet hat eine Geschäftsstelle,
die sich um solche Dinge kümmert.
Als Beispiele für solche Projekte wurden am Donnerstagabend genannt: die Vermarktung regionaler Lebensmittel, die Erschließung von regionalen regenerativen Energiequellen sowie Klima- und Naturschutzmaßnahmen. Ein Biosphärengebiet stärke außerdem den qualitativ hochwertigen Tourismus.
Welche Befürchtungen gibt es hinsichtlich der Einrichtung eines Biosphärengebiets?
Vor allem Landwirte befürchten Einschränkungen, wenn das Biosphärengebiet kommen sollte. So sagte am Donnerstagabend Ralf Steinhauser aus Wolpertswende: „Ich habe große Angst, dass wir Landwirte bei der ganzen Sache die Verlierer sind.“Nach seinem Verständnis sei intensive Landwirtschaft in der Pflegezone
nicht mehr möglich, so Steinhauser, der viel Beifall bekam.
Was sagen die Verantwortlichen dazu?
Mehrfach wurde am Donnerstag betont, dass das Biosphärengebiet nicht „von oben“über die Region „drübergestülpt“werden soll. Das Projekt soll nur dann verwirklicht werden, wenn die Menschen vor Ort das auch wollen.
Franz Bühler vom Prozessteam des Biosphärengebiets sagte: „Der Landwirtschaft sollen keine Flächen entzogen werden.“Pflegezonen sollten nur auf Flächen entstehen, die nicht intensiv landwirtschaftlich genutzt werden. Berthold Reichle vom Umweltministerium sagte, Landwirte in einem Biosphärengebiet hätten die Möglichkeit, an Projekten teilzunehmen oder neue Projekte gefördert zu bekommen. Niemand zwinge sie aber dazu.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst wird es in weiteren Kommunen noch einige Infoveranstaltungen mit geladenen Gästen geben. Später sollen sich diese Veranstaltungen für die gesamte Bevölkerung öffnen.
Begleitet werden diese von einem sogenannten Prozessteam, das vom Land Baden-württemberg eingesetzt wurde und das die Aufgabe hat, in der Region zu informieren, aber auch Anregungen und Befürchtungen aufzunehmen.
Für Gespräche mit Bürgern, Gemeinden und Akteuren sind rund fünf Jahre eingeplant. Letztlich wird dann jeder Gemeinderat der angedachten Region darüber entscheiden, ob die Gemeinde Teil des Biosphärengebiets wird und damit auch darüber, ob das Gebiet überhaupt kommt.