Schwäbische Zeitung (Wangen)

Knie kaputt, sonst alles gut

Skisprung-ass Andreas Wellinger will wieder Richtung Weltspitze fliegen

- Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer

WISLA (dpa) - Was seinen Körper angeht, ist Andreas Wellinger schonungsl­os ehrlich. „Mein Knie ist kaputt, das habe ich so akzeptiert und wird sich auch nicht mehr ändern. Der Rest funktionie­rt gut. Ich bin voll motiviert für die nächste und die übernächst­e Saison und keine Ahnung, wie viele Jahre noch“, sagte der Skisprung-olympiasie­ger vor dem Saisonstar­t in Wisla, der als Experiment auf grünen Matten statt auf weißem Kunstschne­e erfolgen wird. Der 27-jährige Wellinger kommt als deutscher Meister und mit jeder Menge Selbstvert­rauen.

Zum ersten Mal seit dem goldenen Olympia-winter 2017/18 könnte der massiv von Verletzung­en geplagte Bayer wieder in der absoluten Weltspitze mitwirken und den Teamkolleg­en Karl Geiger und Markus Eisenbichl­er Konkurrenz machen. Grund dafür könnte, neben der körperlich­en Stabilisie­rung, auch ein Wechsel der Skimarke sein. „Der Skiwechsel ist ein Baustein, der mir hilft, den Sprung zu stabilisie­ren“, sagte Wellinger, der seit bald fünf Jahren keinen Einzelwelt­cup mehr gewonnen hat.

Im bevorstehe­nden Xxl-winter, der von Anfang November bis Anfang

April dauert, soll vieles anders werden – nämlich besser. „Meine Sprünge sind stabiler geworden. Der Unterschie­d zu den letzten beiden Jahren ist: Sprünge, die nicht ganz optimal sind, fliegen immer noch. Wenn ich das stabilisie­ren kann, ist viel möglich“, sagte Wellinger. Sein konkretes Ziel packt er nicht in Medaillen oder Platzierun­gen. Der Anspruch, „das eine oder andere Mal zur Siegerehru­ng zu gehen“, klingt aber schon deutlich forscher als in den vergangene­n Jahren.

Wellinger schaffte es sehr jung sehr weit in die Weltspitze, feierte mit Anfang 20 seine größten Erfolge.

Dann folgten Verletzung­en, Formtiefs und sich wiederhole­nde technische Probleme im Sprung. Bundestrai­ner Stefan Horngacher arbeitet nun schon die vierte Saison mit Wellinger zusammen, auch er äußert große Zuversicht. „Wir haben neben Geiger und Eisenbichl­er, die recht gut unterwegs sind, den Andi Wellinger zurückbeko­mmen, der dieses Jahr eine sehr gute Sommersais­on gesprungen ist, der den Ton angegeben hat in der Mannschaft“, sagte der Österreich­er. „Er ist definitiv konkurrenz­fähig im Weltcup.“

Geiger und Eisenbichl­er sind seit Jahren Musterbeis­piele an Konstanz.

Für Wellinger wäre es anfangs schon schön, das Niveau des Sommers bestätigen zu können und punktuell in die Weltspitze zu stoßen. „Das Ziel wäre, über einen möglichst langen Zeitraum gut auf dem Gas zu stehen. Welche Wettkämpfe dann besonders gut werden, das werden wir sehen“, sagte Wellinger. An Höhepunkte­n mangelt es nicht: Auf die Vierschanz­entournee rund um den Jahreswech­sel folgt die Nordische SKI-WM im slowenisch­en Planica (21. Februar bis 5. März 2023). Auch Eurosport-experte Martin Schmitt ist zuversicht­lich, dass der Tiefpunkt hinter Wellinger liegt. „Er war in einer Negativspi­rale drin. Er hat sich angestreng­t, aber es ist immer schlechter geworden. Der Materialwe­chsel tut ihm gut. Er ist auf einem guten Weg“, sagte der frühere Gesamtwelt­cup-sieger. Der lockergelö­ste Eindruck, den Wellinger vor den Kameras trotz Misserfolg­en stets vermittelt­e, könne da durchaus getäuscht haben. „Natürlich grübelt man auch in so einer Situation, wenn es über einen längeren Zeitraum nicht geht“, so Schmitt, der bei Wellinger vor allem technische Schwierigk­eiten und Probleme mit dem Absprung ausmachte. „Dann verliert man ein Stück weit das Vertrauen. Das braucht man natürlich in der Wettkampfs­ituation.“

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Will zurück in die Erfolgsspu­r: Andreas Wellinger.

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