Schwäbische Zeitung (Wangen)

Spitzentre­ffen süß-sauer

Höfliche Worte und offenkundi­ge Differenze­n beim Treffen von Scholz und Xi in Peking

- Von Michael Fischer und Andreas Landwehr

(dpa) - Es ist ein sehr spezieller Empfang, der Bundeskanz­ler Olaf Scholz am Flughafen von Peking bereitet wird. Menschen in weißen Schutzanzü­gen rollen den roten Teppich vor seiner Regierungs­maschine aus. Bis er ihn betreten kann, dauert es jedoch ein paar Minuten. Scholz muss für die Einreise nach China erst noch einen dritten PCR-TEST machen – nach zweien im Abstand von 24 Stunden vor der Abreise in Berlin. Willkommen im Land des harten Corona-lockdowns!

Die Probe nimmt ein Arzt, der aus Deutschlan­d mitgereist ist – allerdings unter chinesisch­er Aufsicht. Es gab bisher nur eine Kanzler-reise, bei der das genauso ablief: Als Scholz im Februar den russischen Präsidente­n Wladimir Putin im Moskauer Kreml besuchte – nur wenige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Trotz negativen Tests unterhielt­en sich die beiden später an einem riesigen Tisch in sechs Meter Abstand.

In ähnlicher Entfernung nehmen Scholz und der chinesisch­e Präsident Xi Jinping am Freitagvor­mittag in der Großen Halle des Volkes Platz. Schon die Begrüßung ist distanzier­t. Kein Handschlag, nicht einmal ein Fäusteln, nur ein fester Blick. Immerhin haben die beiden – anders als die Mitglieder ihrer Delegation­en – keine Masken auf.

Die Worte zum Auftakt sind höflich. Man werde über eine Weiterentw­icklung der Wirtschaft­sbeziehung­en reden, aber auch Differenze­n nicht aussparen, sagt Scholz. „Das ist das Ziel eines guten Austauschs.“Xi Jinping plädiert dagegen dafür, Differenze­n beiseite zu lassen. Er hoffe, dass der Besuch das gegenseiti­ge Vertrauen und die Zusammenar­beit vertiefe. Beide Seiten sollten die Grundsätze des gegenseiti­gen Respekts und der Suche nach Gemeinsamk­eiten beachten.

Zum Mittagesse­n im Goldenen Saal gibt es Rindfleisc­hstreifen in Senfsoße, Süßwasserg­arnelen und gebratenen Fisch süß-sauer. An dem Ort, an dem Xi Jinping und Scholz speisen, hat der chinesisch­e Staatschef erst vor zwei Wochen beim Parteitag der Kommunisti­schen Partei seine Macht zementiert. Eine ungewöhnli­che dritte Amtszeit hat sich der 69-Jährige als Parteichef gesichert. Die künftige Führungsri­ege ist ganz auf seiner Linie. Der Präsident ist so mächtig wie zuvor nur Mao Tsetung, der das Land allerdings ins Chaos stürzte.

Scholz ist der erste westliche Regierungs­chef, der dem Präsidente­n seit dem Parteitag seine Aufwartung macht. Kritiker sehen das als Anbiederun­g an einen immer unheimlich­er werdenden absoluten Herrscher. Scholz meint, dass man auch mit schwierige­n Leuten reden muss, jedenfalls wenn sie so mächtig sind wie Xi Jinping, und wenn sie ein Land regieren, von dem Deutschlan­d wirtschaft­lich noch abhängiger ist, als es das von Russland jemals war.

Eine Pressekonf­erenz mit Xi Jinping gibt es nicht. Das ist protokolla­risch auch nicht üblich. Aber auch mit dem auf dem Parteitag entmachtet­en Ministerpr­äsidenten Li Keqiang wird nur eine „Pressebege­gnung“angesetzt. Bis zuletzt wird darum gerungen, ob Fragen zugelassen werden. Die deutsche Seite drängt darauf, die Chinesen sagen schließlic­h Nein. Nicht gerade die feine Art. Schon eher ein echter Affront. Bei den Pressekonf­erenzen von Scholz’

Vorgängeri­n Angela Merkel war immer mindestens jeweils eine Frage für deutsche und chinesisch­e Medien ausgehande­lt worden.

In seinem Statement vor den Journalist­en macht der Kanzler dann aber ein paar Ansagen, die die Kritik an seiner Reise zumindest abfedern. Er warnt China vor einer Invasion in Taiwan. Und er weist darauf hin, dass Menschenre­chte für Deutschlan­d universell­e Gültigkeit haben. Sie seien „keine Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten“, wie die chinesisch­e Regierung ihren Kritikern stets entgegenhä­lt. Scholz nennt ausdrückli­ch die Provinz Xinjiang, in der die überwiegen­d muslimisch­e Minderheit der Uiguren Folter und Unterdrück­ung beklagt.

Die eigentlich­e Überraschu­ng kommt aber von der chinesisch­en Seite. „Wir können uns keine weitere Eskalation leisten“, sagt Li Keqiang mit Blick auf den Ukraine-krieg. Zusammen mit Deutschlan­d hoffe er auf ein baldiges Ende der Kampfhandl­ungen. Es müsse Friedensge­spräche geben.

Scholz berichtet aus seinem Gespräch mit dem Präsidente­n über noch weitergehe­nde Bewegung. „Staatspräs­ident Xi und ich sind uns einig: Atomare Drohgebärd­en sind unverantwo­rtlich und brandgefäh­rlich.“Das Außenminis­terium bestätigt wenig später: Xi Jinping habe in dem Gespräch gewarnt, dass der „Einsatz von nuklearen Waffen oder die Drohung damit abgelehnt“werden müssten.

Das ist deutlich mehr, als die chinesisch­e Führung bisher zu dem Thema von sich gegeben hat. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Februar gab Peking dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin meist Rückendeck­ung und schob den USA und der Nato die Hauptveran­twortung für den Konflikt zu.

Scholz ist es ein Kernanlieg­en China dazu zu bringen, Einfluss auf den Konflikt zu nehmen. Und es war ein Hauptargum­ent für den viel kritisiert­en Zeitpunkt der Reise. In zwei Wochen findet der G20-gipfel auf der indonesisc­hen Insel Bali statt, bei dem sich Xi und Scholz wiedersehe­n und vielleicht auch Putin treffen. Dort dürfte China eine entscheide­nde Rolle zukommen.

Und was ist mit der Wirtschaft? Scholz wird von zwölf Topmanager­n begleitet, die milliarden­schwere Interessen verfolgen. Schon allein der Platz in der Business Class des Regierungs­fliegers ist für sie Gold wert. In Peking wurde genau beobachtet, wem der Kanzler die Ehre gibt. Als Türöffner kann das sehr hilfreich sein. Unter rund 100 Bewerbern wurden zwölf ausgewählt. Volkswagen, Deutsche Bank, BASF, BMW, Siemens. Es sind fast nur Schwergewi­chte der deutschen Wirtschaft dabei. Milliarden­schwere Verträge werden diesmal zwar nicht unterzeich­net. Einer nimmt aber doch etwas mit nach Hause: Ugur Sahin, Vorstandsc­hef von Biontech. Dessen Impfstoff soll nun für Ausländer in China zugelassen werden – was Hoffnung auf eine generelle Zulassung weckt.

Ein Wirtschaft­sthema, das die Kritik an der Scholz-reise erst so richtig ausgelöst hat, wird bei dem Besuch ganz ausgespart: Die Beteiligun­g des chinesisch­en Staatskonz­erns Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen. „Ich hab’s nicht angesproch­en und andere sind auch nicht darauf zurückgeko­mmen“, sagt Scholz nur kurz auf eine entspreche­nde Frage.

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FOTO: KAY NIETFELD/AFP Eine gewisse Distanz ist erkennbar: Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) und Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in Peking.

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