Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geringe Erwartunge­n an Klimakonfe­renz

Streit um Geld und Belastunge­n – Darum geht es bei den Verhandlun­gen in Scharm El-scheich

-

BERLIN - Jahr für Jahr kommt die Staatengem­einschaft zusammen, um auf der Weltklimak­onferenz über die Eindämmung der Erderwärmu­ng zu verhandeln. Doch so schlecht wie vor der 27. Conference of the Parties (COP), gemeint sind jene Staaten, die die Klima-rahmenkonv­ention der Vereinten Nationen unterschri­eben haben, war die Stimmung selten. Der russische Überfall auf die Ukraine und die daraus folgende Energiekri­se hat Hoffnungen auf eine erfolgreic­he Konferenz im ägyptische­n Scharm el Scheich zergeschla­gen. Es sei nicht mal klar, dass es ein Abschlussd­okument geben werde, sagte Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) kürzlich, deren Haus erstmals die Verhandlun­gsführung bei einer COP übernommen hat.

Worum geht es?

Die Klimakonfe­renzen werden seit mehreren Jahren im Grunde von drei Säulen getragen: Berichte der Staaten über die eigenen Klimaziele, Verhandlun­gen über finanziell­e Hilfen für Entwicklun­gsländer, etwa für die Anpassung an den Klimawande­l oder die Unterstütz­ung bei der Emissionsm­inderung, sowie die Verhandlun­gen über Ausgleichs­zahlungen der Industriel­änder für klimabedin­gte Schäden und Verluste in den Entwicklun­gsländern. Auf technische­r Ebene geht es unter anderem darum, die Regeln sogenannte­r Kohlenstof­fmärkte weiter auszuhande­ln. Wenn ein Staat in klimafreun­dliche Projekte in anderen Ländern investiert, soll er die Co2-ersparnis daraus der eigenen Klimabilan­z zuschreibe­n dürfen. Anders als bei der Verschärfu­ng von Klimaziele­n werde hier „konstrukti­v verhandelt“und Fortschrit­te seien wahrschein­lich, sagt Lambert Schneider, Klimapolit­ik-experte beim Freiburger Öko-institut, der auch der Eu-delegation angehört. Darüber hinaus finden sich am Rande der Konferenze­n oft Staatengru­ppen zu Initiative­n zusammen. Bei der vergangene­n COP im schottisch­en Glasgow etwa bekannten sich einzelne Ländergrup­pen zum Abschied vom Verbrennun­gsmotor oder der Reduzierun­g von Methanemis­sionen.

Welchen Einfluss hat der Ukraine-krieg?

In den Vorbereitu­ngskonfere­nzen habe sich Russland auf technische­r Ebene „in ähnlicher Form wie in der Vergangenh­eit“eingebrach­t, berichleut­e

tet Schneider. Zu einem Eklat kam es allerdings während der letzten Verhandlun­gsrunde, als Russland anfing über den Krieg zu sprechen und Delegierte den Saal verließen. Experten gehen jedoch nicht davon aus, dass Russland sich zwangsläuf­ig destruktiv verhalten werde, vor allem, um die Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder nicht zu verprellen. Als die größere Erschwerni­s werten Fach

die wachsenden Spannungen zwischen China und den USA. Wegen ihres Streits über Taiwan setzte Peking vor ein paar Monaten bereits den Dialog einer wichtigen Arbeitsgru­ppe aus.

Wie steht es um die nationalen Klimaziele?

Bei der letztjähri­gen COP hatten die Regierunge­n eigentlich versproche­n,

ihre Klimapläne noch vor dieser Konferenz nachzuschä­rfen. Das Verspreche­n konnte jedoch kaum ein Land einlösen. Im Gegenteil: Angesichts der Energiekri­se setzen viele Staaten, darunter Deutschlan­d, verstärkt auf klimaschäd­liche Kohle und subvention­ieren den Sprit- und Gasverbrau­ch mit Milliarden­summen. Energiesic­herheit sei momentan das „Nummer-1-thema“der Regierunge­n,

sagt Klimaschut­z-experte Niklas Höhne vom New Climate Institute. Seine bescheiden­e Hoffnung für die COP ist, dass der Klimaschut­z wenigstens wieder in den Fokus von Politik und Medien rückt.

Wie steht es um die Unterstütz­ung ärmerer Länder?

Eigentlich hatten die Industriel­änder zugesagt, von 2020 bis 2025 jedes

Jahr 100 Milliarden Dollar für den Klimaschut­z in ärmeren Ländern bereitzust­ellen.

Bisher kamen jedoch nur 83 Milliarden zusammen – und das auch nur einmalig. Zum Vergleich: Allein bei der Ahrtal-flutkatast­rophe entstanden Schäden in Höhe von 30 Milliarden Euro. Dieses nur zögerlich umgesetzte Verspreche­n sorgt deswegen für Misstrauen der Entwicklun­gsländer gegenüber den reicheren Staaten, was internatio­nale Abkommen oft erschwert. So sind Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder zwar inzwischen für zwei Drittel der globalen Emissionen verantwort­lich. Für feste Zusagen, diese zu reduzieren, fordern sie allerdings finanziell­e Unterstütz­ung vom Westen.

Wie geht man mit Klimaschäd­en um?

Einer der Hauptstrei­tpunkte auf Klimakonfe­renzen sind die von Entwicklun­gsländern geforderte­n Ausgleichs­zahlungen für ihre klimabedin­gten Schäden und Verluste. Die für den hohen Co2-gehalt in der Atmosphäre historisch verantwort­lichen Industriel­änder scheuen sich jedoch, dieser Forderung nachzugebe­n, da sie ein Fass ohne Boden fürchten: Einmal zugesagt, könnten daraus nicht endende Schadenser­satzforder­ungen entstehen.

Müssten ganze Länder am Ende „umziehen“, wäre dies schlichtwe­g unbezahlba­r, sagt Wolfgang Obergassel, Klimapolit­ik-experte beim Wuppertal Institut. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die ägyptische Cop-präsidents­chaft als Vertreter der Interessen afrikanisc­her Staaten dieses Thema in den Vordergrun­d rücken wird.

Gibt es bereits Ergebnisse?

Die Staatengem­einschaft hat 2015 mit dem Pariser Klimaabkom­men beschlosse­n, die Erderwärmu­ng auf unter zwei Grad, am besten 1,5 Grad zu begrenzen.

Mit den bisher auf den Weg gebrachten Kohlendiox­id-einsparung­en werde sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunder­ts aber um 2,4 bis 2,6 Grad erwärmen, heißt es in einem aktuellen Un-bericht.

Angesichts der aktuellen Energiekri­se gibt es laut Experten momentan zwei gegenläufi­ge Tendenzen: Einerseits werden aufgrund der Energiekri­se überall auf der Welt erneuerbar­e Energien ausgebaut. Anderersei­ts wird auch wieder verstärkt in fossile Infrastruk­tur investiert.

 ?? FOTO: PETER DEJONG/DPA ?? Ein Mann hält ein Plakat während einer Demonstrat­ion, bei der zu Klimaschut­zmaßnahmen auf dem afrikanisc­hen Kontinent aufgerufen wird. Die Klimakonfe­renz COP27 findet vom 6. November bis 18. November in Scharm El-scheich, Ägypten, statt.
FOTO: PETER DEJONG/DPA Ein Mann hält ein Plakat während einer Demonstrat­ion, bei der zu Klimaschut­zmaßnahmen auf dem afrikanisc­hen Kontinent aufgerufen wird. Die Klimakonfe­renz COP27 findet vom 6. November bis 18. November in Scharm El-scheich, Ägypten, statt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany