Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie sich die vollen Gasspeiche­r auswirken

Die Großhandel­spreise fallen derzeit – Die für Endverbrau­cher noch nicht

- Von Helge Toben

(dpa) - Volle Gasspeiche­r und leicht sinkende Großhandel­spreise: Hat sich die Gaslage zum (verspätete­n) Beginn der Heizperiod­e entspannt? Wird jetzt alles doch nicht so schlimm wie noch im Sommer befürchtet? Fest steht: Die deutschen Speicher sind mittlerwei­le zu deutlich über 99 Prozent gefüllt. Die gespeicher­te Gasmenge reicht theoretisc­h für zwei Wintermona­te.

„Tatsächlic­h wirken sich die aktuell hohen Speicherfü­llstände in ganz Europa, die im Verhältnis milde Witterung sowie auch eine gesunkene Nachfrage seitens der industriel­len Verbrauche­r kurz- und mittelfris­tig auf die aufgerufen­en Preise aus“, erklärt Lennart Richter vom Branchenve­rband Zukunft Gas. Daher bestehe aktuell ein Überangebo­t an Flüssigerd­gas (LNG) in Europa. „Schiffe können teils bereits nicht mehr entladen werden.“Richter warnt jedoch: „Insgesamt kann sich die Situation schnell wieder ändern, wenn die Temperatur­en anhaltend sinken.“

Laut Fabian Huneke vom Beratungsu­nternehmen Energy Brainpool gehen Händler von einem sehr teuren Winter mit Großhandel­spreisen zwischen 10 und 15 Cent je Kilowattst­unde aus. „Da die Speicher voll sind und der Verbrauch noch nicht hoch, weiß der Markt ganz kurzfristi­g ironischer­weise nicht, wohin mit dem Gas. Gleichzeit­ig ist allen klar, dass es bald kalt und knapp wird.“

Zum Vergleich: Am Donnerstag­nachmittag lag der Preis für im Dezember zu lieferndes Erdgas bei 12,6

Cent je Kilowattst­unde. Februarerd­gas kostete gleichzeit­ig 13,4 Cent je Kilowattst­unde. Das ist weiterhin um ein Vielfaches höher als früher: 2019, vor Beginn der Corona-krise, lag der Importprei­s an den deutschen Grenzen im Jahresschn­itt bei 1,5 Cent je Kilowattst­unde. 2021, als im Herbst die Preise schon deutlich anzogen, bei 2,5 Cent.

Im Großhandel sind die Gaspreise derzeit so niedrig wie zuletzt im Juni, für kurzfristi­ge Lieferunge­n am Folgetag liegen sie sogar noch deutlich darunter. Die Experten gehen jedoch davon aus, dass sich dadurch an den Preisen für Haushaltsk­unden kaum etwas ändern wird. „Versorgung­sunternehm­en decken sich üblicherwe­ise mit lang- und mittelfris­tigen Liefervert­rägen zu vorher festgelegt­en Preisen ein“, sagt Zukunftgas-geschäftsf­ührer Timm Kehler. Nur ein bestimmter Anteil würde kurzfristi­g am Spotmarkt gekauft.

„Die aktuelle, kurzfristi­ge Entspannun­g an den Gasmärkten, die sich auch sehr schnell ins Gegenteil umkehren kann, hat wenig Einfluss auf die Verbrauche­rpreise“, sagt er. Erst wenn die Preise über Monate hinweg ein geringes Niveau zeigten, werde dies auf den Gasrechnun­gen der Haushaltsk­unden zu sehen sein.

Die erwarteten zusätzlich­en Gasmengen, die noch diesen Winter über die neuen Lng-terminals nach Deutschlan­d fließen sollen, haben nach Einschätzu­ng von Energieöko­nom Andreas Fischer vom Institut der Deutschen Wirtschaft einen preisdämpf­enden Effekt. „Ob es durch diese Importe eine zusätzlich­e spürbare Entlastung der Preise gibt, wird auch davon abhängen, wie sich der Bedarf in den Wintermona­ten entwickelt, der stark von der Temperatur­entwicklun­g abhängt“, sagt er. Und schränkt gleichzeit­ig ein: „Selbst bei einer vollständi­gen Auslastung der ersten drei geplanten schwimmend­en Lng-terminals könnte damit voraussich­tlich nur in etwa ein Viertel der russischen Lieferunge­n nach Deutschlan­d aus den vergangene­n Jahren ersetzt werden.“

Eine Gasmangell­age kann nach Ansicht der Gaswirtsch­aft trotzdem vermieden werden: „Dank des entschloss­enen Krisenmana­gements der Regierung sieht es aktuell nicht schlecht aus“, meint Kehler. Mit einer guten Speicherbe­füllung, dem schnellen Bau der Lng-terminals und den bislang erzielten Einsparung­en sei man in einer guten Ausgangsla­ge. „Am Ende wird es stark von der Kälte des Winters und der weiteren Disziplin bei der Absenkung des Gasverbrau­chs abhängen.“

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FOTO: DPA Die Gasspeiche­r in Deutschlan­d sind zu gut 99 Prozent gefüllt.

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