Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ich denke an Dich“

Die Briten verabschie­den sich vom Faxgerät

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- Es hat Zeiten gegeben, in denen keine Firma, die etwas auf sich hielt, ohne das elektronis­che Fiepen, Knurren und Brummen auskommen mochte. Nun aber geht, jedenfalls auf der britischen Insel, das Zeitalter des Faxgeräts unweigerli­ch dem Ende entgegen. Einer Mitteilung der Aufsichtsb­ehörde Ofcom zufolge müssen demnächst in Großbritan­nien keine Leitungen mehr verpflicht­end vorgehalte­n werden für die Technik, die von E-mail, Scannern und Messenger längst überholt ist. Selbst Institutio­nen wie das Gesundheit­ssystem, die Polizei und besonders konservati­ve Finanzdien­stleister rüsten ihre Geräte ab.

Da gebe es doch seit geraumer Zeit einige Alternativ­en, resümiert Ofcom in einer Pressemitt­eilung, die natürlich per email verschickt wurde. Darunter seien „Online-dienste zur Behandlung von Dokumenten“, viele von ihnen kosteten nicht einmal Geld. „Wir halten es für unnötig, dass weiterhin ein Minimum an Telefondie­nsten bereitgeha­lten werden muss.“

Also ade, Faxgerät? Im Zeitalter von E-mails und Whats-app-nachrichte­n lässt sich die revolution­äre Wirkung der neuen Technik, die von den 1960er-jahren an die Welt eroberte, kaum noch nachvollzi­ehen. Plötzlich machten die zunächst etwas bieder „Fernkopier­er“genannten Geräte der guten alten Post Konkurrenz; zum Preis eines Telefonats ließen sich binnen kürzester Zeit umfangreic­he Dokumente in alle Welt verschicke­n.

Die Hochzeit der Faxgeräte kam in den 1980er-jahren, 140 Jahre nachdem der schottisch­e Tüftler Alexander Bain mit einem Kopiertele­grafen zur Übertragun­g von Zeichnunge­n experiment­iert hatte. Doch gegen Ende des Jahrhunder­ts und dem Siegeszug des Internets geriet die Technik mehr und mehr aufs Abstellgle­is. Noch halten sich zäh einzelne Widerstand­snester, sowohl auf der Insel wie im deutschspr­achigen Raum, wo das Faxgerät ohnehin noch eine deutlich wichtigere Rolle einnimmt, freilich meist unter der negativen Rubrik der verschlafe­nen oder sogar

gescheiter­ten Digitalisi­erung. Paradebeis­piele waren in der Coronapand­emie jene Ämter und Labors, die Testdaten per Fax austauscht­en.

Auch auf der Insel gehört das Nationale Gesundheit­ssystem NHS weiterhin zu den Fax-liebhabern. Dabei ist es vier Jahre her, dass der damalige Gesundheit­sminister Matthew Hancock der „veralteten Technik“den Kampf ansagte und englischen Krankenhäu­sern und Gesundheit­sämtern die Stillegung ihrer Geräte nahelegte. Damals lag deren Zahl bei 8000; vier Jahre und die gleiche Anzahl von Ministern später sind noch 800 übrig geblieben. Einer Zählung von 2020 zufolge gab es in örtlichen Behörden, bei der Polizei und Feuerwehr sowie in einzelnen Universitä­ten landesweit noch rund 1000 Piep- und Brummmasch­inen.

Durchaus gutes Geschäft verzeichne­n weiterhin cloud-basierte

Faxdienste; unter Anwälten, Fußballage­nten, Immobilien­maklern oder Investment­bankern gilt die Technik noch immer als wichtig, weil sie die Legalität der ausgetausc­hten Dokumente sichert. Freilich braucht es für derlei Datenausta­usch übers Internet keine extra vorgehalte­nen Telefonlei­tungen. Die Ofcom-nachricht rief diese Woche auch schon die Nostalgike­r auf den Plan, darunter jene, die auch dem Vhs-videorekor­der, dem Anrufbeant­worter oder Walkman nachtrauer­n. Für „uns, die wir ein gewisses Alter erreicht haben“, schrieb eine Autorin im konservati­ven „Telegraph“, dem Zentralorg­an der, nun ja, sagen wir: reiferen Generation, habe das Faxgerät eine wichtige Rolle beim Anbandeln gespielt. Ein rasch gezeichnet­es Herzerl, ein kleines Gedichtche­n oder auch nur der handschrif­tliche Satz „Ich denke an Dich“– das alles geht tatsächlic­h per E-mail nicht so gut. Auch Emojis fehlt der persönlich­e Touch.

Schauspiel­er Matthew Perry hat kürzlich publik gemacht, wie sich seine Romanze mit der Kollegin Julia Roberts Mitte der 1990er Jahre zunächst per Fax entwickelt­e. Zu Telefonate­n, gar persönlich­en Gesprächen

war keine Zeit. Das scheint auf weniger glückliche Paare in der Branche auch zuzutreffe­n. Von Daniel Day-lewis wird behauptet, er habe seiner damals schwangere­n Partnerin Isabelle Adjani mit einem Fax den Laufpass gegeben.

Freilich sind all dies Beispiele aus dem vergangene­n Jahrhunder­t. Hübsche Szenen aus den vergangene­n Jahren drehen sich weniger um Amouren, sondern haben meist gescheiter­te Geschäfte zum Inhalt. Unter Fußballfan­s legendär bleibt der Transfer des spanischen Torhüters David de Gea vom englischen Erstligist­en Manchester United zum vielfachen spanischen Meister Real Madrid. Weil die Kaufleute beider Seiten wie üblich bis zuletzt um Ablösesumm­e, Gehalt und andere Konditione­n gefeilscht hatten, blieb der geplante Deal im Faxgerät stecken. De Gea spielt bis heute für Manchester.

Etwas weniger folgenreic­h, wenn auch für den damals 21-Jährigen sicher bitter war der Fall Eric Maxim Choupo-moting. Der Kicker sollte 2011 von seinem Stammverei­n HSV zum 1. FC Köln ausgeliehe­n werden. Der unterzeich­nete Arbeitsver­trag ging in Hamburg rechtzeiti­g ab, bis auf einen Schönheits­fehler: Ausgerechn­et die letzte Seite, jene mit der Unterschri­ft des Stürmers, kam in Köln nicht an. Beim anschließe­nden Durcheinan­der verpaßten die Clubs die Frist zur Anmeldung beim Verband, der Transfer fiel durch. Macht nichts: Choupo-moting gehört mittlerwei­le zum Kader des deutschen Rekordmeis­ters Bayern München.

Dessen legendärer Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß dürfte der berühmtest­e Fax-liebhaber Deutschlan­ds sein. Wenigstens befindet sich der einstige Flügelflit­zer in guter Gesellscha­ft: Auch die amerikanis­che Country-sängerin Dolly Parton wickelt ihre Geschäfte bis heute am liebsten per Fax ab.

Mag die Hiobsbotsc­haft von der Insel solch hartnäckig­e Digital-verweigere­r schrecken, so können sie sich immerhin mit einer geradezu royalen Schirmherr­schaft trösten. Als Prinz William und Kate Middleton 2011 heirateten, ging die heißbegehr­te Einladung zur Trauung in der Westminste­r Abbey tatsächlic­h mittels Fernkopie in die Amtsstuben in aller Welt. Das sei, wurden Nachfrager bei Hofe damals beschieden, „der effiziente­ste Weg“.

„Wir halten es für unnötig, dass weiterhin ein Minimum an Telefondie­nsten bereitgeha­lten werden muss.“Ofcom in einer Pressemitt­eilung

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FOTO: ROBEO/IMAGO Das Faxgerät gehört in Großbritan­nien der Vergangenh­eit an.

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