Eine einsame Frau
„Tatort: Die Blicke der Anderen“(ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) –
Schöne Umgebung, aber sonst nicht groß lebenswert, weil das Düstere überwiegt und auch der Menschenschlag kalt und herzlos daherkommt. Der Schwarzwald hat es beim „Tatort“nicht einfach. Auch der neunte Fall, der die Kommissare Friedemann Berg (Hans-jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) in ein schmuckes Einfamilienhaus in einer Freiburger Vorortsiedlung führt, taucht schnell ein ins zwischenmenschlich Düstere. Gerd Vogt und sein jüngster Sohn sind verschwunden, eine Blutlache im Bett weist auf ein Verbrechen hin. Der ältere Sohn war bei der Freundin, die Mutter Sandra hat nach einer Firmenfeier die Nacht wohl auch woanders verbracht. Schnell wird klar, dass hier einiges nicht stimmt. Auch weil niemand, weder Nachbarn, Verwandtschaft noch Kollegen, ein liebes Wort für die Mutter übrig hat, die wie ein Fremdkörper durch ihr eigenes Heim und den Breisgauer Wohnort wandelt.
Passend zur Themenwoche der ARD („Wir gesucht! Was hält uns zusammen?“) geht es in diesem Swr-„tatort“um große gesellschaftliche Themen. Denn nach einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung vom Februar 2022 („Erschöpfte Gesellschaft“) sind derzeit 59 Prozent der Teilnehmenden der Meinung, die Menschen würden sich nicht umeinander kümmern. 28 Prozent der Befragten geben an, man könne sich auf niemanden verlassen. Alles Ergebnisse, die dieser „Tatort“aufgreift. Das Buch zu „Die Blicke der Anderen“stammt von Bernd Lange, der auch den 2017 ausgestrahlten Freiburger Auftakt („Goldbach“) geschrieben hat. Hier ist nichts kompliziert, außer das Miteinander. Regisseurin Franziska Schlatterer inszeniert unaufgeregt, die Kommissare ermitteln bedächtig. Fingerabdrücke scheint es nirgends zu geben, Indizien summieren sich peu à peu. Schön langsam jedenfalls werden Punkt für Punkt abgearbeitet und die Verdächtigen aussortiert.
Mag langweilig klingen, ist es aber nicht. Im Gegenteil. Wie sich das Netz um Sandra Vogt, die den Namen des Mannes, mit dem sie die Nacht verbracht hat, nicht preisgeben will, langsam zusammenzieht, entwickelt eine atmosphärisch dichte, fast gruselige Spannung. Das ist zum Großteil Lisa Hagmeister zu verdanken, deren Sandra Vogt als Fremde keine Chance bekommt und die Schmerz und Verlassenheit mit kleinsten Gesichtsregungen verkörpern kann. Wer außer ihr, könnte es denn gewesen sein? Für eine Nachbarin jedenfalls ist klar: „Man kann ihr keinen Vorwurf machen, sie ist halt nicht von hier.“