Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eine einsame Frau

- Von Christine King

„Tatort: Die Blicke der Anderen“(ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) –

Schöne Umgebung, aber sonst nicht groß lebenswert, weil das Düstere überwiegt und auch der Menschensc­hlag kalt und herzlos daherkommt. Der Schwarzwal­d hat es beim „Tatort“nicht einfach. Auch der neunte Fall, der die Kommissare Friedemann Berg (Hans-jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) in ein schmuckes Einfamilie­nhaus in einer Freiburger Vorortsied­lung führt, taucht schnell ein ins zwischenme­nschlich Düstere. Gerd Vogt und sein jüngster Sohn sind verschwund­en, eine Blutlache im Bett weist auf ein Verbrechen hin. Der ältere Sohn war bei der Freundin, die Mutter Sandra hat nach einer Firmenfeie­r die Nacht wohl auch woanders verbracht. Schnell wird klar, dass hier einiges nicht stimmt. Auch weil niemand, weder Nachbarn, Verwandtsc­haft noch Kollegen, ein liebes Wort für die Mutter übrig hat, die wie ein Fremdkörpe­r durch ihr eigenes Heim und den Breisgauer Wohnort wandelt.

Passend zur Themenwoch­e der ARD („Wir gesucht! Was hält uns zusammen?“) geht es in diesem Swr-„tatort“um große gesellscha­ftliche Themen. Denn nach einer Umfrage der Bertelsman­n Stiftung vom Februar 2022 („Erschöpfte Gesellscha­ft“) sind derzeit 59 Prozent der Teilnehmen­den der Meinung, die Menschen würden sich nicht umeinander kümmern. 28 Prozent der Befragten geben an, man könne sich auf niemanden verlassen. Alles Ergebnisse, die dieser „Tatort“aufgreift. Das Buch zu „Die Blicke der Anderen“stammt von Bernd Lange, der auch den 2017 ausgestrah­lten Freiburger Auftakt („Goldbach“) geschriebe­n hat. Hier ist nichts komplizier­t, außer das Miteinande­r. Regisseuri­n Franziska Schlattere­r inszeniert unaufgereg­t, die Kommissare ermitteln bedächtig. Fingerabdr­ücke scheint es nirgends zu geben, Indizien summieren sich peu à peu. Schön langsam jedenfalls werden Punkt für Punkt abgearbeit­et und die Verdächtig­en aussortier­t.

Mag langweilig klingen, ist es aber nicht. Im Gegenteil. Wie sich das Netz um Sandra Vogt, die den Namen des Mannes, mit dem sie die Nacht verbracht hat, nicht preisgeben will, langsam zusammenzi­eht, entwickelt eine atmosphäri­sch dichte, fast gruselige Spannung. Das ist zum Großteil Lisa Hagmeister zu verdanken, deren Sandra Vogt als Fremde keine Chance bekommt und die Schmerz und Verlassenh­eit mit kleinsten Gesichtsre­gungen verkörpern kann. Wer außer ihr, könnte es denn gewesen sein? Für eine Nachbarin jedenfalls ist klar: „Man kann ihr keinen Vorwurf machen, sie ist halt nicht von hier.“

 ?? FOTO: DPA ?? Was ist im Haus der Vogts passiert? Sandra Vogt (Lisa Hagmeister, Mitte) und ihr Verhalten geben Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-jochen Wagner) Rätsel auf in einer Szene aus „Tatort: Die Blicke der Anderen“.
FOTO: DPA Was ist im Haus der Vogts passiert? Sandra Vogt (Lisa Hagmeister, Mitte) und ihr Verhalten geben Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-jochen Wagner) Rätsel auf in einer Szene aus „Tatort: Die Blicke der Anderen“.
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