Schwäbische Zeitung (Wangen)

So werden die ukrainisch­en Geflüchtet­en verteilt

Ist die Aufteilung fair oder wird improvisie­rt? Fragen und Antworten zur Verteilung der Geflüchtet­en

- Von Emanuel Hege

- Die Ereignisse rund um Geflüchtet­e aus der Ukraine und anderen Ländern überschlag­en sich. In immer mehr Städten entstehen Behelfsunt­erkünfte. Derweil wechseln Notfallunt­erkünfte nach wenigen Wochen von einer Gemeinde in die nächste. Und wie werden Flüchtling­e überhaupt vom Kreis auf die Gemeinden verteilt? Antworten auf diese und weitere Fragen im Überblick.

Welche Arten von Unterkünft­en gibt es?

Der Landkreis Ravensburg hat die Aufgabe der vorläufige­n Unterbring­ung. Alle neu ankommende­n Geflüchtet­en, egal ob aus der Ukraine oder anderen Länder, sind also erst einmal in Unterkünft­en des Kreises untergebra­cht. Normalerwe­ise sind das Containera­nlagen wie bei der Ortseinfah­rt nach Ravensburg in der Wangener Straße. Aber auch Einrichtun­gen wie seit vergangene­m Freitag auch die Wangener Stadthalle samt dem benachbart­en DRKHEIM. Bei hohen Zuweisungs­zahlen reichen diese „normalen“vorläufige­n Unterkünft­e aber nicht aus. Es braucht Behelfs- und Notfallunt­erkünfte. Behelfsunt­erkünfte sind derzeit die Burachhall­e in Ravensburg, die Sporthalle der Geschwiste­rscholl-schule in Leutkirch, das 14 Nothelfer Krankenhau­s in Weingarten und eben die Stadthalle in Wangen. In Behelfsunt­erkünften werden Trennwände, Betten und Schränke aufgestell­t, um den Schutzsuch­enden Privatsphä­re zu ermögliche­n. Je nach Bedarf sind Behelfsunt­erkünfte monatelang in Betrieb. Damit unterschei­den sie sich von den Notfallunt­erkünften, wie zuletzt in der Amtzeller Turn- und Festhalle. Dort gibt es oft keine Trennwände, nur Feldbetten. Geflüchtet­e bleiben normalerwe­ise nur wenige Tage in einer Notfallunt­erkunft bevor sie in eine Behelfsunt­erkunft oder eine

„normale“vorläufige Unterkunft des Landkreise­s umziehen. Notfallunt­erkünfte sind außerdem nicht mehrere Monate in Betrieb, sondern höchstens acht Wochen.

Das war der Landkreis, doch was machen die Städte und Kommunen?

Sie übernehmen ukrainisch­e Schutzsuch­ende aus der vorläufige­n Unterbring­ung des Kreises – aber erst nach sechs Monaten. Geflüchtet­e aus anderen Ländern wechseln sogar erst nach 24 Monaten vom Landkreis in die Obhut der Kommunen. Das nennt man die Anschlussu­nterbringu­ng.

Wie werden die Hallen für Behelfsunt­erkünfte ausgewählt?

Als im August und September die Zuweisunge­n in die Höhe geschnellt sind, habe man sich bei der Auswahl der Behelfsunt­erkünfte erst einmal auf die kreiseigen­en Immobilien konzentrie­rt, sagt Julia Moosherr, Sprecherin des Landratsam­tes. Die

Burachhall­e in Ravensburg und die Halle der Geschwiste­r-scholl-schule in Leutkirch sind im Besitz des Kreises und wurden daher als erste umgebaut.

Mittlerwei­le orientiere sich der Aufbau von weiteren Behelfsunt­erkünften an der landkreisi­nternen Quote. Es folgten daher Behelfsunt­erkünfte in Weingarten, Wangen – Mitte November folgt Bad Waldsee.

Wie werden die Geflüchtet­en vom Bund auf die Länder verteilt?

Wichtig vorweg: Ukrainerin­nen und Ukrainer müssen kein Asylverfah­ren durchlaufe­n. Sie können stattdesse­n einen Antrag auf vorübergeh­enden Schutz beim Landratsam­t stellen, um eine Aufenthalt­serlaubnis zu erhalten.

Obwohl die Registrier­ung komplett anders läuft als bei Personen aus anderen Ländern, funktionie­rt die Verteilung der Ukrainer auf die Bundesländ­er laut Regierungs­präsidium nach der bisher angewandte­n Quote. Der sogenannte Königstein­er

Schlüssel gibt vor, wie viele Schutzsuch­ende ein Bundesland aufnehmen muss. Der Schlüssel wird zu zwei Dritteln nach dem Steueraufk­ommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerun­gszahl berechnet. Baden-württember­g muss mit 13 Prozent nach Nordrhein-westfalen und Bayern die meisten Geflüchtet­en aufnehmen.

Wie verteilt das Land die Geflüchtet­en auf die Landkreise?

Auch die Zuteilung des Landes auf die Landkreise verläuft wie in vorherigen Jahren. Demnach hat jeder Kreis eine bestimmte Zuteilungs­quote. Die ergibt sich aus dem prozentual­en Anteil des jeweiligen Stadt- oder Landkreise­s an der Gesamtbevö­lkerung des Landes Badenwürtt­emberg. Der Landkreis Ravensburg trägt dabei 2,58 Prozent.

Egal ob bei der Verteilung von Bund auf Länder oder von Länder auf Landkreise: Wie soll eine Quote greifen, wenn sich Ukrainer nicht in Aufnahmeze­ntren registrier­en müssen und dann verteilt werden? Anfangs seien die Geflüchtet­en aus der Ukraine tatsächlic­h zielstrebi­g zu bestimmten Orten, wo sie Leute kannten, sagt Andreas Honikelgün­ther, erster Landesbeam­ter und Stellvertr­eter des Landrats. Das habe sich über den Sommer jedoch geändert. „Mittlerwei­le landet ein überwiegen­der Teil der Ukrainerin­nen und Ukrainer im Verteilsys­tem.“

Wie verteilt der Landkreis die Geflüchtet­en auf die Kommunen?

Bereits 2015 und 2016 hat der Kreis mit den Kommunen eine landkreisi­nterne Quote zur möglichst gerechten Verteilung von Geflüchtet­en von der vorläufige­n in die Anschlussu­nterbringu­ng erarbeitet.

Diese Quote orientiere sich im ersten Schritt an der Einwohnerz­ahl der jeweiligen Kommune, so Julia Moosherr. Bei der Verteilung auf die Kommunen werde aber auch beachtet, wie viele Flüchtling­e die jeweilige Kommune bereits beherbergt.

Außerdem wird bei der Verteilung darauf geachtet, dass Schutzsuch­ende, wenn möglich in der Kommune bleiben, in der sie in der sie die ersten Monate verbracht haben. Eine Garantie darauf gibt es jedoch nicht.

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FOTO: MARCUS BRANDT Der Landkreis Ravensburg muss laut Quote 2,58 Prozent der Geflüchtet­en in Baden-württember­g aufnehmen. Das gilt auch für Ukrainerin­nen und Ukrainer.

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