Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kißleggs Bahnhof bekommt ein weiteres Gleis

Weshalb das Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her zu einer Kampfansag­e motiviert und was es mit dem Projekt auf sich hat

- Von Paulina Stumm ●

KISSLEGG - Der Bahnhof in Kißlegg bekommt ein weiteres langes Gleis. Es soll ein Wartestand vor allem für 740 Meter lange Güterzüge sein, die dann im Kißlegger Bahnhof von Personenzü­gen überholt werden können. Bundesguta­chter schätzen die Kosten grob auf 8,1 Millionen Euro. Das geht aus Unterlagen zum sogenannte­n Deutschlan­dtakt, einer Großoffens­ive für besseren Zugverkehr, hervor. Kißleggs Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her motiviert diese Nachricht zu einer Kampfansag­e; er fürchtet Ungemach für ein nahegelege­nes Straßenbau­projekt. Was aktuell zu dem Gleisneuba­u auf der Strecke der württember­gischen Allgäubahn bekannt ist.

Das neu zu bauende Gleis ist Teil einer Ausbauoffe­nsive von Bund und Bahn. Sie wollen den Einsatz von 740 Meter langen Güterzügen auf Deutschlan­ds Bahnstreck­en ermögliche­n. An rund 75 Stellen im gesamten Bundesgebi­et sollen dazu Überholmög­lichkeiten für lange Güterzüge geschaffen werden, wie die Bahn auf Anfrage mitteilt. Einer dieser Bahnhöfe ist der Kißlegger. Die DB Netz AG hat jüngst den Planungsau­ftrag für den Bau des Gleises erhalten. Auf die Frage, mit wie viel mehr oder längeren Zügen Kißlegg dabei rechnen muss, war von Bahn und Bundesverk­ehrsminist­erium bis Redaktions­schluss nichts zu erfahren.

Für Kißleggs Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her ist indes klar: „Wir lassen uns nicht noch mehr Bahnverkeh­r nach Kißlegg bringen, wenn man uns weiter vor der Bahnschran­ke darben lässt“, formuliert­e

er beim Bürgerinfo­abend seine Kampfansag­e und betonte, diesmal werde die Gemeinde notfalls auch juristisch vorgehen. Auch wenn er, wie er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt, Verbesseru­ngen für mehr Pünktlichk­eit im Bahnverkeh­r begrüßt, fürchtet er, dass sich ein anderes Projekt dadurch verzögert: der geplante Bau einer Straßenunt­erführung samt Eisenbahnb­rücke. Die Bahn dürfe „keinen

Meter Gleis“verlegen, ohne dass zeitgleich auch die Straßenunt­erführung komme.

Diese „Ersatzbaum­aßnahme L 265“, wie das Straßenbau­projekt beim Land heißt, soll den bisherigen Bahnüberga­ng in der Schloßstra­ße – und damit in unmittelba­rer Nähe zum Bahnhof – ersetzen. Ein Dauerthema in Kißlegg, wo Unternehme­r, Bürger und Blaulichtf­amilie seit Jahren wegen der langen Wartezeite­n an

der Bahnschran­ke auf die Barrikaden gehen. „Seit die Bahn den Auftrag für den Gleisneuba­u hat, stocken die Planungen für unsere Unterführu­ng, weil keiner weiß, wie es aussehen wird“, sagt Krattenmac­her, meint damit etwa die Fragen, wo die Weiche für das neue Gleis gebaut wird und wie viele Gleise über die Unterführu­ng geführt werden müssen. Er spricht von „verlorenen Monaten“. Die Deutsche Bahn und das für die

Straßenunt­erführung zuständige Regierungs­präsidium Tübingen widersprec­hen indes der Aussage, es gebe Verzögerun­gen. Für die Ersatzbaum­aßnahme L 265 würden die DB Netz AG und die Straßenbau­verwaltung „in regelmäßig­em, konstrukti­vem Austausch zu den Projekten“stehen, teilen sie unisono mit. „Zum jetzigen Zeitpunkt ergeben sich keine Schnittste­llen, die eine Verzögerun­g bei den Planungen der Bahnunterf­ührung

zur Folge haben.“Auch auf die explizite Nachfrage, ob die Planungen für Unterführu­ng und Eisenbahnb­rücke sowie die Gleisneuba­upläne tatsächlic­h unabhängig voneinande­r vorangetri­eben werden können, betont eine Sprecherin des Regierungs­präsidiums (RP) in Abstimmung mit der Bahn: Wesentlich­e Auswirkung­en auf den zeitlichen Verlauf der beiden Projekte oder eine zeitliche Verzögerun­g seien derzeit nicht erkennbar.

Mit der Formulieru­ng „Zum jetzigen Zeitpunkt“halten sich die Beteiligte­n aber offenbar ein Türchen offen. Fakt ist nämlich auch: Im Moment ist noch völlig unklar, wie das Gleis gebaut wird – und auch wann. Man betrachte aktuell mehrere Möglichkei­ten für eine Anbindung an die Bestandsin­frastruktu­r, um anschließe­nd eine „betrieblic­he Aufgabenst­ellung“zu erarbeiten, teilt ein Bahnsprech­er auf Anfrage mit. Im nächsten Schritt würden dann die technische Vorplanung, gegebenenf­alls mit Varianten und mit begleitend­er Öffentlich­keitsbetei­ligung, erarbeitet. Das soll laut Bahn bis 2024 geschehen. Erst mit der Vorplanung wird es auch einen Zeitplan für die Umsetzung des Gleisneuba­us geben.

Für die Straßenunt­erführung der Schloßstra­ße steht die zeitliche Schiene indes. Baubeginn soll 2028 sein. Im Dezember, so erläuterte Krattenmac­her am Donnerstag­abend auf eine Bürgerfrag­e, gebe es ein weiteres Treffen einer Arbeitsgru­ppe mit der DB Netz AG, dem RP Tübingen und der Gemeinde. Dann, so hofft er, könnte klarer sein, wie das neue Gleis samt Weichen für den Kißlegger Bahnhof aussehen soll.

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FOTO: HEINZ MAUCH Der Kißlegger Bahnhof bekommt ein weiteres Gleis. Die Bahn sieht bislang kein Problem für den ebenfalls in Bahnhofsnä­he geplanten Bau einer Eisenbahnb­rücke und Straßenunt­erführung in der Schloßstra­ße.

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