Ein Galopp durch Kißlegger Themen
Vom Ausbau des Glasfasernetzes bis zur Zukunft der Grundschulen: Das waren Themen des Bürgerinfoabends
KISSLEGG (pau) - Breitbandausbau, Klimaschutz, Ortsumgehung, Gleisneubau, Umgestaltung der Bahnhofsstraße, sozialer Wohnungsbau am nördlichen Ortseingang, hausärztliche Versorgung. Rund 100 Kißleggerinnen und Kißlegger haben sich am Donnerstagabend in der Turn- und Festhalle angehört, welche Themen die Gemeindeverwaltung dieser Tage beschäftigen. „Jetzt habe ich Sie lange genug mit Themen zugekleistert“, stellte Bürgermeister Dieter Krattenmacher nach seinem beinahe zweistündige Rundumschlag fest. Einige Besucher des Bürgerinfoabends nutzen anschließend trotzdem die Gelegenheit, dem Gemeindeoberhaupt Fragen zu stellen. Ein Überblick in Auszügen.
Wie ist der Stand beim Glasfaserausbau?
„Es gibt junge Leute in Kißlegg, die sagen, ich brauche keinen Wasserund Abwasseranschluss, ich brauche Glasfaser.“Mit dieser überspitzten Formulierung machte Krattenmacher den Stellenwert des Breitbandausbaus in der Gemeinde deutlich. Da der Fördertopf des Bundes für den Ausbau der „Grauen Flecken“, also Gebieten mit weniger als 100 aber mehr als 30 Mbit/s Downloadgeschwindigkeit leer ist, machte der Bürgermeister den Betroffenen wenig Hoffnung auf baldige Verbesserung. „Wer so was hat, bekommt die nächsten zwei Jahre wahrscheinlich kein Glasfaser. Der muss warten, bis der Bund den Fördertopf wieder füllt.“Das betreffe vor allem Gebiete in Kißlegg, Waltershofen und Immenried, die in den vergangenen Jahren aufgestockt wurden.
Viel Geld investiert wird in Kißlegg in den kommenden beiden Jahren indes in den Ausbau von Gebieten mit weniger als 30 Mbit/s („Weiße Flecken“). Förderbescheide über 35 Millionen Euro liegen vor. Krattenmacher geht indes davon aus, dass eher 40 Millionen Euro investiert werden, da im Zuge der Glasfaserverlegung auch Kanalleitungen erneuert und Straßen saniert werden. Für den Hausanschluss müssen Betroffenen einen Vertrag mit der Gemeinde abschließen. Sie kommt in 2023 auf die Bürger zu. Krattenmacher betonte erneut die Einmaligkeit dieser Chance. „Wer uns nicht übers Grundstück lässt, da gehen wir nicht hin – da gehen wir nie hin. Es wird keine langen Diskussionen geben. Es ist eine einmalige Chance. Und wer uns nicht lässt, der darf sich mit den Grundstückseigentümern dahinter auseinandersetzen, die wir nicht erreichen können, und muss sich vor den Kindern und späteren Grundstückseigentümern verantworten.“
Wie steht’s um Klimaschutz und Energieversorgung?
Kißlegg will bis 2040 klimaneutral werden. Beim Strom steht die Gemeinde bereits gut da, der kommt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Ressourcen, allen voran der Solarernergie, gefolgt von Biogas aber auch einem Teil Wasserkraft (acht Prozent). Dabei hat die Gemeinde einen jährlichen Stromverbrauch von 37 Gigawattstunden. 16 Hektar Freiflächen-photovoltaik könnten rund zehn Gigawattstunden liefern – für Flächen in genau diesem Umfang stehen der Gemeinde aktuell Projekte an, einmal im Stolzenseeweg (ehemaliges Charles-river-areal) und einmal in Krumbach bei der Sprudelfabrik. In Planung seien zudem ein Projekt in Brenters und eines in Freibolz. „Gewöhnen Sie sich an Freiflächen-photovoltaik“, gab Krattenmacher den Zuhörenden mit auf den Weg, „das bekommen wir hier auch.“Windkraft ist in der Gemeinde derzeit kein Thema.
Im Bereich Wärme kommen in Kißlegg indes nur 25 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen, der Rest aus Erdgas und Erdöl. Die Gemeinde ist aktuell dabei, eine Wärmepotentialanalyse erstellen zu lassen, um besser zu werden. „Bei Klär- und Biogas hat Kißlegg hohes Potential“, erläuterte Krattenmacher und stellte Überlegungen zu einem Nahwärmenetz in den Raum, das große Gebäude und das Gewerbegebiet Zaisenhofen anbinden und über verschiedene Lieferanten versorgen könnte.
Als „großes Thema“benannte der Bürgermeister den Moorschutz, also die Wiedervernässung von Mooren. Das bringe mehr, als alle Autos in Kißlegg stillzulegen. „Klimaschutz hat in Kißlegg ganz viel mit Moorschutz zu tun.“Zwischen 2005 und 2018 hätten Gemeinde und Kreis insgesamt 160 Hektar Moorfläche für den Naturschutz aufgekauft, so Krattenmacher, der auf die Erfolge im Arrisrieder Moos verwies. Nächstes Projekt sei wohl das Burgermoos.
Was bringt die „Dauerbaustelle Kläranlage“mit sich?
„Große Investitionen kommen in den kommenden Jahre in die Kläranlage – und das werden sie bei Abwassergebühren merken“, kündigte Krattenmacher an. Eine neues Belebungsbecken, eine neues Schlammlager, eine neuer Faulturm und ein neues Blockheizkraftwerk werden nötig sein.
Welche Informationen gab es zum geplanten Gewerbegebiet Ikowa?
Das interkommunale Gewerbegebiet Waltershofen soll laut Krattenmacher ein klimaneutrales Gewerbegebiet werden, bei dem auch Wasserstoff ein Thema werde. „Es gibt Hinweise, dass eine Wasserstoffleitung entlang der A 96 gebaut werden soll.“Wie der aktuelle Planungsstand sei, hakte später ein Bürger nach. Aktuell werde ein neuer Bebauungsplan vorbereitet, so Krattenmacher, er hoffe, dass das Verfahren 2023 über die Bühne gehe. Noch warte man allerdings auch auf die abschließende Genehmigung des Regionalplans. Das Klimakonzept sei am Entstehen. Er bedauerte, dass Kißlegg mittlerweile Unternehmen verloren habe, die nicht mehr auf Ikowa warten wollten.
Wie steht um die Pläne zum Busbahnhof und der Bahnhofstraße?
In der Bahnhofsstraße bekommt
Kißlegg einen Busbahnhof auf der Bahnhofsseite, sodass dort mindestens drei Busse hintereinander parken können und Reisende direkt vom und zum Zug wechseln können, ohne die Straße überqueren zu müssen. Ein Kreisverkehr in der Bahnhofstraße soll den Bussen das Wenden ermöglichen. Direkt vor dem Bahnhof ist ein Zebrastreifen geplant. Auch Radschutzstreifen wird es in der Bahnhofstraße nach deren Ausbau geben. Laut Krattenmacher ist es Ziel, dass die Baustelle in 2023 kommt. Dass ein Rufbus für die Becherhalde und andere Außenbereiche dort halten wird, scheint jedoch unwahrscheinlich. „Aus heutiger Sicht glaube ich nicht, dass wir den Rufbus in naher Zukunft hinbekommen“, sagte Krattenmacher mit Blick auf die Kosten.
Wie kommt der „Verkehr raus aus Kißlegg“?
Gar nicht, jedenfalls nicht komplett, so Krattenmacher. Denn ein nicht unerheblicher Teil sei mittlerweile innerörtlicher Verkehr – also von den Kißleggern selbst verursacht. Lösen lasse sich die Verkehrsproblematik erst mit dem Bau der Südspange und der Ortsumgehungsstraße. Seit einem Kreistagsbeschluss im Vorjahr gibt es offenbar einen Lichtblick. Der Landkreis unterstütze die Gemeinde bei der Südspange und übernehme den Bau der Ortsumgehung. Auch wenn beide Projekte noch lange nicht am Ziel sind, schwörte der Bürgermeister die Kißlegger darauf ein, an deren Umsetzung zu glauben und den Weg weiter zu gehen. „Ob ich das als amtierender Bürgermeister hinbekomme, wissen wir nicht, aber irgendwann vielleicht.“
Was hat es mit der „Erneuerung Ortseingang Nord“auf sich?
„Was wir dort haben, ist keine Visitenkarte. Es ist eine Ballung von Dingen, die nicht mehr funktionieren“, befand Bürgermeister Krattenmacher zum Zustand „für eine der schönsten Ecken in Kißlegg“. Daher ordne die Gemeinde das Gebiet samt Straßen- und Wegenetz um den nördlichen Ortseingang nun neu. Die ehemalige Omira wird abgebrochen und für Wohnungsbau – auch sozialen – genutzt. Zuvor wird ein Teil des Gebäudes als Flüchtlingsunterkunft genutzt.
Welchen Wohnraum hat Kißlegg für Menschen in Not?
Aktuell leben 135 Personen in Gemeindeunterkünften, davon kommen 55 aus der Ukraine. In dem ehemaligen Omira-gebäude entstehen 100 Plätze. Die Caritas versucht mit dem Projekt „Herein“weiteren Wohnraum aufzutun und die Gemeinde setzt auf neue Containerwohnanlagen in der Zeppelinstraße sowie dem Neubau von Sozialwohnungen beim Freizeitgelände in der Fürst-erich-straße. Auch im Löwen, der im kommenden Jahr für mehr als drei Millionen Euro saniert wird, entstehen wieder Unterkünfte. Aufgeben will sie die alten Häuser ins Waltershofen und Immenried.
Was bedeutet der ab 2026 geltende Betreuungsanspruch für Grundschulen?
Wie der Betreuungsanspruch geregelt wird, wirkt sich auch auf die Frage nach dem Fortbestand der Grundschulen in Waltershofen und Immenried aus. Würden 50 Prozent der Kinder die Ganztagsbetreuung in Kißlegg in Anspruch nehmen, so Krattenmacher, brauche es 180 bis 200 Betreuungsplätze an 330 Tagen im Jahr, das hieße in fast allen Ferien. Für das Gemeindeoberhaupt gibt es dazu derzeit noch viele offene Fragen, etwa woher das Betreuungspersonal kommen soll und wer die nötigen Räume schaffe und bezahle.
Wie steht es um die hausärztliche Versorgung?
Auf die Nachfrage eines Bürgers, wie es um die hausärztliche Versorgung stehe, berichtete Krattenmacher, für die Zukunft der Praxisgemeinschaft sei eine Lösung gefunden. Ein junger Arzt werde die Dreier-praxis übernehmen, die älteren Ärzte dort noch etwas weiterarbeiten in geringerem Umfang. Sukzessive sollten weitere junge Ärzte nach Kißlegg kommen und übernehmen. „Dann wird die Versorgung wieder gut und gesichert sein und wir sechs Arztsitze haben.“
Was wollten die Bürger beispielsweise noch wissen?
Ein Kißlegger Ortskernbewohner sprach die Verkehrssituation in der Fürst-maximilian-straße an. Dort parkende Autos machte er für gefährliche Situationen mit Radfahrern und Sattelzügen, die auf den Gehweg ausweichen müssten, verantwortlich. Er regte an, dass die Gemeinde das Gespräch mit den dort Parkenden suche, bevor sich dort Schlimmes ereigne. Bürgermeister Krattenmacher verwies in seiner Antwort auch auf eine Uneinigkeit im Gemeinderat zum Vorgehen bei diesem Thema sowie den Fakt, dass es eine Kreisstraße ist. Sicher besser werde es, wenn die Südspange gebaut sei und der Kreisverkehr bei der Lorettokapelle komme und den Verkehr früher ausbremse. In diesem Zusammenhang hatte er auf eine andere Bürgerfrage dazu, wie es mit dem Durchgangsverkehr in der Schloss- und Herrenstraße weiter gehe, wenn nach dem Bahnunterführungsbau der Lastwagenverkehr wieder durch den Ort rolle, geantwortet: Auch hier gehe es nicht ohne die Umgehungsstraße, allerdings mache die Unterführung den Verkehr flüssiger. Er wolle zudem ein Lkw-durchfahrtsverbot vom Bereich Löwen und Adler bis zum Alten Schloss.
Ein weiterer Bürger kritisierte, dass einige Biogasanlagen das Gas verbrennen würden und verwies auf ein Beispiel in der Gemeinde, wo eine Biogasanlage ihr Gas aufbereite und ins Netz einspeise. Die Gemeinde solle das bei neuen Überlegungen bitte berücksichtigen. Bürgermeister Krattenmacher erläuterte, dass solche Überlegungen Teil der Wärmepotentialanalyse seien.