Mann soll Brand gelegt haben
Landgericht verhandelt Brandstiftung im MVZ Isny
ISNY/RAVENSBURG (sig) - Mit zweiwöchiger Verspätung hat am Landgericht Ravensburg am Mittwoch der Prozess gegen einen 29-jährigen Syrer zum Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Brandstiftung begonnen.
Zum Prozessauftakt – es sind noch weitere fünf Verhandlungstage geplant – machte der Beschuldigte lediglich Angaben zur Person. Er soll Ende April am medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Isny Feuer gelegt haben.
Als die Feuerwehr am Brandort anrückte, fand sie die Terrassentür des Gebäudes aufgebrochen, ein verwüstetes Büro sowie mehrere Papiere und eine angezündete Pinnwand vor. Der 29-Jährige geriet in Tatverdacht, seine Wohnung war auf Antrag der Staatsanwaltschaft untersucht worden und die Beamten hatten belastende Hinweise gefunden, weshalb er dem Haftrichter vorgeführt wurde. Aufgrund seiner psychischen Verfassung infolge einer Erkrankung wurde der Tatverdächtige in einer Fachklinik untergebracht. Dort lebt er seit sechs Monaten und von dort wurde er am Mittwoch auch zur Hauptverhandlung in Handschließen in den Gerichtssaal geführt. Zum ersten Mal, so lässt er die Dolmetscherin übersetzen, habe er im Jahr 2020 nachts Stimmen gehört, so, als ob jemand mit ihm spreche. Besondere Vorkommnisse gingen diesen Erlebnissen nicht voraus, berichtet er der Kammer unter dem Vorsitz von Richter Scholze.
Der syrische Staatsangehörige schildert seinen Lebensweg, der typisch erscheint für viele Flüchtlingsschicksale. In Syrien geboren, trennen sich die Eltern als er noch Kind war. Als Jugendlicher arbeitet er – um die Familie zu unterstützen – im Libanon. Er pendelt zwischen Syrien und dem Libanon. 2011 verlässt er Syrien und flüchtet in die Türkei, ehe er ab 2015 in Deutschland sein Glück versucht. Der
Angeklagte hat einen Sohn, den er in der Türkei bei dessen Großmutter zurückließ. Die Angehörigen wissen nicht, dass er sich seit Monaten im Krankenhaus befindet. Er sei zwar glücklich, in Deutschland zu sein, habe aber seine Familie verloren, sagt er.
Der Angeklagte hat einen Asylantrag gestellt, über den positiv entschieden ist. In den sechs Monaten, in denen er arbeitete und einen Deutschkurs besuchte, schickte er monatlich 100 Euro zu den Angehörige. Er verlor seinen Arbeitsplatz, lebt heute von 400 Euro im Monat. Mit Alkohol und Drogen habe er nur „bei Feierlichkeiten“Kontakt, sagt er. Er trinke nur Bier, keinen Schnaps. Marihuana habe er früher konsumiert. In Syrien war er in einen Motorradunfall verwickelt, bei dem er einen Schlag auf den Kopf erhalten habe. Bei einer Operation sei es zu Fehlern gekommen. Er lag zwei Tage im Koma. Ob der Motorradunfall im Jahr 2011 mit den Stimmen zusammenhängen, die er hörte? Gesundheitlich sei mit ihm heute alles wieder in Ordnung, glaubt er. Eineinhalb Stunden hat die Kammer den Angeklagten vernommen. Die Sozialarbeiterin der Beratungsstelle Flüchtlingshilfe, deren Büro bei dem Brand verwüstet worden war, kennt den Angeklagten seit 2015. Wegen seiner gesundheitlichen Probleme habe man anfangs befürchtet, er tue sich etwas an, berichtete sie im Zeugenstand. „Wirklich aggressiv“hat sie den Angeklagten ihr gegenüber nie erlebt. Auch nie mit einer Waffe.
Ab 2018 sei er zunehmend aufbrausend und wirr im Auftreten gewesen, ein Jahr später machte er ihr Geschenke, die sie zurückwies. 2020 habe er ihr Auto mit Steinen beworfen und die Heckscheibe zertrümmert. Es folgten Annäherungsversuche. Er klemmte ihr eine rote Serviette mit Nachrichten ans Auto, kam ins Büro und verkündete, sie heiraten zu wollen. Der Prozess wird am 9. November fortgesetzt.