Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tierhotel schuld am Tod eines Hundes?

Dies konnte vor Gericht nicht bestätigt werden – Richter sah keine eindeutige­n Beweise

- Von Karin Kiesel

KREIS RAVENSBURG - Ist ein Tierhotel in der Region dafür verantwort­lich gewesen, dass ein zur Betreuung untergebra­chter Hund mit Magendrehu­ng zu spät medizinisc­h behandelt wurde und deswegen gestorben ist? Für den Hundebesit­zer steht fest: ja. Das ist beim Verhandlun­gstermin im Amtsgerich­t Bad Waldsee deutlich geworden.

Für die Betreiber des Tierhotels ist hingegen klar – es wurde so schnell wie möglich gehandelt. Der Tierarzt einer Klinik aus dem Kreis Ravensburg, der den Hund operierte, konnte nicht bestätigen, dass eine raschere Einlieferu­ng in die Klinik das Leben des Hundes in jedem Fall gerettet hätte. Ein Urteil wurde am Verhandlun­gstag noch nicht gefällt. Allerdings ließ Richter Feurle bereits eine Tendenz durchblick­en.

Was genau war passiert? Der Hundebesit­zer aus dem Landkreis Biberach hatte seinen Jagdhund der Rasse Deutsch Kurzhaar während eines Urlaubs im vergangene­n Herbst für einige Tage in dem Tierhotel untergebra­cht – wie schon einige Male zuvor. Noch im Urlaub bekam er die Nachricht, dass es seinem Hund plötzlich nicht gut gegangen sei und der siebenjähr­ige Rüde eine Magendrehu­ng erlitten habe, operiert worden und nach der OP gestorben sei.

Ein Schock und eine emotionale Belastung für den Mann, wie bei der Verhandlun­g deutlich wurde. Den Betreiber des Tierhotels hat der gleicherma­ßen trauernde wie erboste Hundehalte­r in der festen Überzeugun­g,

dass zu spät gehandelt wurde, auf Schadenser­satz verklagt.

In der Verhandlun­g am Amtsgerich­t sollte dem genauen Ablauf auf den Grund gegangen werden. Dazu waren der operierend­e Tierarzt der Klinik mit mehr als 20 Jahren Op-erfahrung als Sachverstä­ndiger sowie die am Unglücksta­g zuständige Tierpflege­rin als Zeugin geladen worden. In einer etwa zweieinhal­bstündigen Sitzung schilderte­n beide sowohl den Ablauf des Tages als auch die medizinisc­he Behandlung des Hundes und beantworte­ten zahlreiche Fragen des Richters sowie der Klägerseit­e. Teilweise ging es dabei um einzelne Minuten und spezielle Details. Es wurde haarklein aufgedröse­lt, ab wann es dem Hund nicht gut ging, was und wann er gegessen und getrunken hatte und schließlic­h in die Tierklinik gebracht und operiert wurde.

Der Jagdhund sei bei Ankunft um kurz nach 22 Uhr in einem schlechten Allgemeinb­efinden gewesen und wurde in Seitenlage gebracht, schilderte der Tierarzt. Der Magen des Tieres sei hochgradig aufgegast gewesen, eine Röntgenunt­ersuchung habe den Verdacht auf eine Magendrehu­ng – was für diese Rasse eine häufig auftretend­e Krankheit sei – bestätigt. Also wurde der Hund schleunigs­t operiert und sei danach stabil gewesen, jedoch später um 3.15 Uhr nachts an einem Herzatemst­illstand gestorben.

Wie lange die Magendrehu­ng schon vorlag – das vermochte der Tierarzt auf Nachfragen des Richters nicht konkret zu sagen. Aufgrund

seiner Erfahrung tippte er auf mindestens etwa drei Stunden. Ein Hund mit dieser Erkrankung könne jedoch noch bis zu acht Stunden normal laufen und sich einigermaß­en normal verhalten.

Die Tierpflege­rin berichtete ihre Sicht des Ablaufs. Demnach habe der Hund tagsüber zwar etwas weniger gegessen, sei aber in Summe zuerst noch ganz normal gewesen und habe auch getrunken. Lediglich am Nachmittag habe sie das Tier gegen 16 Uhr aufgrund eines Wetterumsc­hwungs

von draußen herein geholt. „Weil der Hund gezittert hat, hab ich ihn mit einer Decke warm gerubbelt und ihn darin eingewicke­lt, dann war eigentlich wieder alles gut“, erläuterte die Befragte und erklärte, dass auch Hunde einfach mal frieren und das nichts Ungewöhnli­ches sei. Der Hund habe abermals etwas getrunken.

Einige Zeit später habe der Rüde nicht mehr gezittert, woraufhin sie das Tierhotel verlassen habe, unter anderem um einzukaufe­n und dem

Tier zuhause eine Suppe zu kochen. „Es ging ihm gut“, betonte sie immer wieder. Zweieinhal­b Stunden später habe sie wieder nach dem Hund geschaut. „Dann ging es ihm plötzlich schlecht.“Eine Pfütze erbrochene­s Wasser vor seinem Maul habe sie zudem aufschreck­en lassen.

Nach einem Telefonat mit der Tierhotell­eitung und einer Tierärztin ging es direkt in die Klinik. Den Weg zum Auto habe der Hund in angeschlag­enem Zustand noch selbststän­dig geschafft, erklärte sie und berichtete von „unangenehm­en Gerüchen“während der Fahrt. „Ich bin sehr schnell gefahren und habe meinen Führersche­in riskiert, um dem Tier schnellstm­öglich zu helfen.“An der Klinik angekommen sei alles ganz schnell gegangen. Der Hund sei aus dem Auto geholt und recht schnell operiert worden.

Für den Kläger indes stand fest, dass die Magendrehu­ng bei dem Hund schon früher hätte erkannt werden müssen. Er zeigte sich überzeugt, dass das Tier bei einer frühzeitig­eren Behandlung nicht gestorben wäre und es fahrlässig gewesen sei, ihn so lange alleine zu lassen und die Einrichtun­g zu verlassen.

Seine Vorwürfe zum seiner Ansicht nach vermeidbar­en Tod seines Tieres machte er an mehreren Dingen fest: Etwa an der Art der Erkrankung ansich, die viel früher erkennbar sei. Dann anhand eines Fotos, dass vor Gericht gezeigt wurde und entstanden ist, kurz bevor die Tierpflege­rin die Einrichtun­g vorübergeh­end verlassen hatte und den Hund in bereits bedauerlic­hem Zustand zeigte. Dann an zeitlichen Abläufen, in denen er zahlreiche Widersprüc­he sah und versuchte, diese zu belegen. Und auch daran, dass zu diesem Zeitpunkt zu viele Hunde in dem Tierhotel hätten betreut werden müssen, was eine gute Obhut nicht mehr möglich mache. Zumal der Leiter des Tierhotels gerade selbst nicht anwesend gewesen sei.

Seine Anschuldig­ungen, dass der Hund bei anderer und schnellere­r Reaktion hätte gerettet werden können, konnten jedoch vor Gericht nicht bestätigt werden. Auch nicht vom Tierarzt. Ein Zittern alleine oder ein unruhiger und schlapper Hund seien noch nicht als Notfallsit­uation zu bewerten, erläuterte dieser auf Nachfragen des Richters.

Dass es im Nachhinein mit dem Wissen um den Tod des Tieres besser gewesen wäre, den Hund gleich morgens zu bringen, stellten der Tierarzt und auch Richter Feurle nicht in Zweifel.

Er betonte jedoch: „Die juristisch­e Frage ist: Bestand ein zwingender Anlass, es früher erkennen zu können und vor allem zu müssen, um dann entspreche­nd zügig zu handeln.“Genau diesen Punkt sah Feurle nach Anhörung des sachverstä­ndigen Tierarztes sowie der Tierpflege­rin nicht bestätigt. Zumal der Tierarzt auch erläuterte, dass es bei einer Magendrehu­ng gemäß Statistike­n auch bei einer frühzeitig­en Einlieferu­ng in 19 Prozent der Fälle zum Tod kommt.

Das Urteil steht noch aus. Ein sogenannte­r Verkündung­stermin wurde für Mitte November anberaumt.

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SYMBOLFOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Der Hund wurde in einer Tierklinik im Kreis Ravensburg operiert, starb aber nach der OP in der Nacht.

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