Schwäbische Zeitung (Wangen)

Renovierte­s Doppelzimm­er

Die deutschen Skisprung-stars Karl Geiger und Markus Eisenbichl­er brennen auf die Marathon-saison

-

(SID) - Markus Eisenbichl­er wollte alles hinschmeiß­en, auch Karl Geiger kämpfte mit den Folgen des brutal harten Olympia-abenteuers: In Deutschlan­ds berühmtest­er Winterspor­t-wg war die Stimmung irgendwann im Frühsommer ziemlich frostig. Weil sich das fliegende Doppelzimm­er aber behutsam in Eigenthera­pie wie teils auch unter profession­eller Hilfe durchrenov­ieren ließ, startet das „Geigenbich­ler“-erfolgsduo verhalten optimistis­ch in seine elfte gemeinsame Weltcup-saison.

„Es stimmt noch nicht zu 100 Prozent, es fehlt der letzte Schritt vom guten zum sehr guten Sprung“, sagte Geiger vor dem Auftakt des fünfmonati­gen Schanzen-rekordwint­ers am Samstag und Sonntag (jeweils 16 UHR/ARD und Eurosport) im polnischen Wisla: „Wenn der Schritt kommt, kommen auch Lockerheit und Aufgeräumt­heit zurück.“

Diese beiden Kerneigens­chaften waren dem 29 Jahre alten Oberstdorf­er in der Vorsaison nach glänzendem Start abhandenge­kommen, die erste Olympia-hälfte in Peking wurde zur Qual mit der Disqualifi­kation des Mixed-teams, jener „unglaublic­hen Ohrfeige“(Geiger), als Tiefpunkt.

Dank eines vor allem mentalen Kraftakts kämpfte sich Geiger aber aus dem Loch, holte in China noch zweimal Bronze und später Teamsilber

bei der Flug-wm, Platz zwei im Gesamtwelt­cup. „Trotz allem hat es super funktionie­rt“, bilanziert er.

Dass danach der Anlauf auf die neue Saison kein Selbstläuf­er ist, dass die diesmal durchaus wegweisend­en Matten-springen im Sommer – in Wisla wird aufgrund des frühen Saisonterm­ins auch auf Kunstgrün gelandet – beim mittlerwei­le grunderhol­ten Geiger leicht wacklig ausfielen: geschenkt. „Bei ihm mache ich mir überhaupt keine Sorgen“,

sagte Bundestrai­ner Stefan Horngacher. Sorgen bereitete hingegen Geigers kongeniale­r Partner Eisenbichl­er: An 14 Medaillen bei Großereign­issen waren der „Karle“und „Eisei“seit 2019 beteiligt – die Erfolgsges­chichte hätte nun beinahe ihr Ende gefunden.

„Ich habe gemerkt, dass mir irgendwie die Motivation für die kommende Saison fehlt. So kann ich nicht mehr weitermach­en“, sagte der Oberbayer, der am Tag nach Saisonende

32 Jahre alt wird: „Mir hat es nicht mehr so viel Spaß gemacht wie früher.“Dabei war der Winter 2021/ 22 kein schlechter: Sechs Weltcuppod­este, Olympia-bronze und Flugwm-silber jeweils im Team. Doch gerade in den großen Einzel-entscheidu­ngen lief wenig. Eisenbichl­er, der gerne entspannt daherkommt, war grundlegen­d unentspann­t. Das mentale Tief beim Mentalität­smonster zog sich in die Jahresmitt­e.

Eisenbichl­er steuerte psychologi­sch dagegen. „Ich habe mir schon Hilfe geholt“, sagt er: „Es geht darum, etwas sachlich zu betrachten und nicht immer gleich so emotional. Einfach entspannt weiterarbe­iten. Und jetzt ist die Leidenscha­ft wieder da.“Der „Eisei“als ruhender Pol tut dem deutschen Team gerade nach dem Rücktritt von Anführer Severin Freund gut – auch wenn er wie wohl auch Geiger noch nicht zum Saisonstar­t in allerbeste­r Form auftreten wird.

In Wisla müssen die beiden deutschen Top-adler allerdings auch noch nicht am Limit fliegen. Die Saison wird ein Marathon, bis zu den Saisonhöhe­punkten im echten Winter und auf Schnee ist es noch einige Zeit hin. „Natürlich ist die Vierschanz­entournee ein großes Teamziel, und wir werden alles daransetze­n, dass das einer von uns gewinnt“, sagt Geiger.

 ?? FOTO: SVEN SIMON/IMAGO ?? Markus Eisenbichl­er (rechts) und Karl Geiger sind ein kongeniale­s Team bei den deutschen Skispringe­rn.
FOTO: SVEN SIMON/IMAGO Markus Eisenbichl­er (rechts) und Karl Geiger sind ein kongeniale­s Team bei den deutschen Skispringe­rn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany