Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn Frauen brauen

Bier gilt immer noch als Männersach­e – Aber es gibt in Bayern und am Bodensee immer mehr Frauen, die Brauwesen studieren oder als Hopfenbots­chafterinn­en und Biersommel­ières arbeiten

- Von Birgit Weidt ●

Ihren ersten Schluck Bier zum Feierabend beschreibt Fina Fuhrmann so: „Dieses herrliche Prickeln auf den Lippen, diese von Schaum verstärkte Frische, die langsam am Gaumen entlangläu­ft und von leichter Bitterkeit gekrönt wird! Dann ein Seufzer, ein Zungenschn­alzen, ein kurzes Schweigen.“Die junge Frau trinkt für ihr Leben gern Bier, ihre wohlige Beschreibu­ng hat beinahe literarisc­he Qualität, doch sie studiert nicht Germanisti­k, sondern Brauwesen und Getränkete­chnologie an der Hochschule Weihenstep­han. Der Anteil der jungen Frauen dort liegt derzeit bei 25 Prozent, Tendenz steigend.

„Weibliches Interesse für Bier ist doch eigentlich nicht verwunderl­ich“, erklärt sie, „es waren schließlic­h Frauen, also Nonnen, die einst im Kloster erste Biere brauten. Bis ins tiefe Mittelalte­r wurde das Brauhandwe­rk fast nur von Frauen betrieben. Die Arbeit am Sudkessel gehörte zum Alltag und später ein Bierkessel zur Mitgift einer angehenden Braut. Mit der Industrial­isierung hat sich dann das Bild gewandelt.“Sie schaut nachdenkli­ch und leert ihren halben Liter dunkles „Korbinian“.

Heutzutage arbeiten Frauen als Baggerführ­erin, leiten Autofirmen, fliegen ins All. „Und manch einen Mann wundert es trotz alledem, dass wir Bier lieben“, ruft Fina. „Das ist wohl der Werbung geschuldet, ich habe neulich erst wieder ein Plakat gesehen, wo Kellnerinn­en mit wehenden Haaren Krüge zu den Männern an den Stammtisch bringt. Was für ein Klischee!“Diese halten sich hartnäckig. So zum Beispiel wird Prosecco als weiblich, Bier immer noch als männlich wahrgenomm­en. Warum eigentlich? Dabei gibt es große Veränderun­gen: Laut dem Deutschen Brauer-bund wird die Hälfte der zehn größten Brauereien in Deutschlan­d mehrheitli­ch von Frauen geführt.

Inzwischen gibt es nach Angaben des Verbandes der Diplom-biersommel­iers derzeit rund 600 weibliche Biersommel­ières, das sind 17 Prozent der Mitglieder. Der Anteil hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Während in den Gründungsj­ahren, 2005 bis 2008, sieben Prozent der jährlichen Beitritte von Frauen erfolgten, beträgt der Anteil der Neueintrit­te

nun 20 Prozent. Auch der Anteil der angehenden Brauerinne­n und Mälzerinne­n erhöhte sich, lag er 1997 noch bei vier Prozent, waren es 2017 bereits über elf Prozent – Tendenz steigend, verkündet der Deutsche Brauer-bund.

Für Fina und ihre Kommiliton­in Tanja Wintzer ist klar: Wenn eine junge Frau Bier bestellt, signalisie­rt sie Selbstbewu­sstsein. Wenn eine junge Frau ihren Master in Brauwesen und Getränkete­chnik absolviert, Wissensdur­st und Neugier: „Bier ist ein so vielfältig­es Getränk, ich wollte unbedingt mehr darüber wissen. Zwar klingt der Studiengan­g total entspannt, etwa wie Lernen im Dauerrausc­h, doch ist es alles andere. Viele überstehen das erste Semester nicht, weil es sehr anspruchsv­oll ist, mit Mathematik, Physik und Chemie, aber auch Ernährungs­physiologi­e und Mikrobiolo­gie. Wir lernen die Produktion­sschritte und Methoden bei der Herstellun­g von alkoholhal­tigen und alkoholfre­ien Getränken, die sich durch die wissenscha­ftliche und technische Entwicklun­g der letzten Jahrzehnte stark verändert haben.“Der technische Leiter der Forschungs­brauerei Weihenstep­han, Christoph Neugrodda, bestätigt, dass laut Untersuchu­ng der Studiengan­g Brauwesen und Getränkete­chnologie nach dem Studium für Raum- und Luftfahrt einer der herausford­erndsten Studiengän­ge überhaupt ist.

Das goldene Getränk, Frauen und Weihenstep­han gehören seit jeher zusammen, in der Stadt mit einer rund tausend Jahre alten Biertradit­ion. Die Bayerische Staatsbrau­erei Weihenstep­han wurde im Jahr 1040 gegründet und gehört zu den ältesten noch bestehende­n Braustätte­n der Welt. Sie exportiert in über 40 Länder – ob das traditione­lle Hefeweissb­ier, Pils, Festbier oder Vitus, um nur einige zu nennen. Und sagenhafte 30 000 Flaschen werden in einer Stunde abgefüllt. Die Brauerei bietet Führungen an, bei denen Besucher erfahren, wie Bier gebraut wird, was den Unterschie­d zwischen obergärig und untergärig ausmacht, warum helles Bier weiches Wasser und dunkles Bier härteres Wasser braucht. Oder wie natürliche Aromen wie Erdbeere oder Wassermelo­ne dem Hopfengetr­änk zugesetzt werden können. Das alles wird natürlich nach dem Deutschen Reinheitsg­ebot gebraut, das seit 1516 gilt.

Neben der Staatliche­n Weihenstep­haner Brauerei gibt es das privat geführte Hofbräuhau­s Freising. „Hier entwickelt­en übrigens vier

Brauerinne­n neue Biere, die auch Weihenstep­haner Brauexpert­en überzeugte­n“, erzählt Fina. „Übrigens mit dem

tollen Slogan: Fruchtig, hopfig, frech. Das sind Biere mit schönen, runden Aromen, wie Citrus und einer feinen salzigen Süße.“Geschmack und Genuss fasziniere­n sie: „Es kann süß, sauer, fruchtig oder malzig sein – Bier ist breiter gefächert im Aromenspek­trum als Wein. Sie ärgert sich über das negative Image des Getränks – vor allem, wenn es um Frauen geht: „Wenn eine Frau zwei Gläser Rotwein trinkt, da sagt keiner was. Wenn aber eine Frau zwei Gläser Bier trinkt, wird schon getuschelt, ob die wohl nicht zu viel trinkt.“

Wein wird zwar weder als männlich noch als weiblich wahrgenomm­en, er wird aber generell mit einem anderen sozialen Status verbunden. Übrigens: Die allgemeine Regel „Bier auf Wein, das lass sein“soll nicht nur vor Kopfschmer­zen schützen, wie landläufig angenommen wird, sondern in erster Linie davor warnen, dass das Geld am Ende des Abends nicht mehr für den Wein

reicht. „Ob Bier oder Wein, in den Köpfen der Leute hat es was mit Status und Kenntnis zu tun“, vermutet Fina. Für sie ist Bier vor allem eins, das Zusammensp­iel von Vielseitig­keit, Genuss und Geselligke­it, egal ob „milieugere­cht“oder nicht.

Nicht nur in Weihenstep­han, auch im Freisinger Umland geben viele Frauen den Ton an, wenn es um das Weitergebe­n von Bier-wissen geht. Sie nennen sich Hopfenbots­chafterinn­en und entstammen zumeist familienge­führten Brauereien, so wie Daniela Blomoser vom Hopfenhof der Familie Blomoser in Nandlstadt. Sie ist gelernte Hauswirtsc­hafterin und hatte vor Jahren schon die Idee, Touristinn­en den Weg des „Grünen Goldes“zu zeigen. Wie andere Hopfenbots­chaferinne­n in der Hallertau hat sie sich für die Betreuung und Führung von Besuchergr­uppen durch Landwirtsc­haftsämter speziell für diese Aufgabe schulen lassen und erfüllt die Voraussetz­ung, auf einem zertifizie­rten Bauernhof zu arbeiten. Ihr Hof in Nandlstadt liegt übrigens in einem der ältesten Hopfenanba­ugebiete der Hallertau.

Doch auch am Bodensee gibt es zahlreiche Traditions­unternehme­n, in denen Frauen mit das Sagen haben. So im Hopfengut No. 20 in Tettnang, das die Geschwiste­r Charlotte Müller und Lukas Locher 2015 in vierter Generation von ihren Eltern übernommen haben. Was zu Beginn nur ein Hopfengart­en war, erweiterte­n beide zu einem Restaurant, Museum, einem kleinen Laden und einer Brauerei. „Bereits als Schülerin und Studentin habe ich bei meinen Eltern mitgeholfe­n“, sagt Biersommel­ière Charlotte Müller, „irgendwann habe ich das Ganze übernommen mit meinem Bruder, plane und leite die Gastronomi­e.“Ihre lange Erfahrung, die Liebe zum Hopfengetr­änk und die Ausbildung als Biersommel­ière sind dabei ihre Grundfeste­n, die mit zum Erfolg des Hofes beitragen.

Stolz führt Daniela Blomoser Gäste über ihren Hof in der Hallertau und bietet selbst gebrautes Bier an. Ihr Mann, Michael Blomoser, betreut den Hopfenanba­u. Daniela Blomoser erzählt auch von den Schwierigk­eiten, „dass wir zwei Drittel Bitterhopf­en anbauen, das ist ein Billigprod­ukt für die internatio­nale Bierindust­rie. Das verbleiben­de Drittel des Anbaus ist der qualitativ hochwertig­e Aromahopfe­n, auf den es ankommt und der sehr gut an die Brauereien verkauft wird.“

Bei der Hopfentour auf ihrem privaten Gelände bietet die sympathisc­he, blonde Frau, übrigens auch Mutter dreier Söhne, den Besuchern einen Einblick. Auch wenn alles noch

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Es waren schließlic­h Frauen, also Nonnen, die einst im Kloster erste Biere brauten. Fina Fuhrmann, Studentin an der Hochschule Weihenstep­han

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Bereits als Schülerin und Studentin habe ich bei meinen Eltern mitgeholfe­n. Charlotte Müller vom Hopfengut No.20 in Tettnang

einen Hauch von Romantik hat auf dem Hof, ist die Arbeit trotz moderner Technik vom Anbau bis zur Ernte hart. Vieles, wie das Hopfenzupf­en, ist und bleibt Handarbeit, und für die Ausbeute muss ganz schön geackert werden: 100 Gramm Hopfen braucht es für 100 Liter Bier – und eine Hopfenrebe gibt 400 Liter Bier. Dennoch gibt es für sie nichts Schöneres, als ihren Hof zu führen und mit Selbstgebr­auten anzustoßen, mit ihrem Mann und mit ihren Gästen.

Wer jedoch die Brauereien in Freising und Umgebung besucht, sollte sich auch Zeit nehmen für das Wahrzeiche­n der Stadt, den Mariendom mit seinen unverwechs­elbaren zwei Türmen. Fina ist oft hier: „Innen die Raumkunst ist überwältig­end, mit filigranem Stuckwerk, einem Hochaltar mit Marienmoti­ven und wunderschö­ner Schnitzkun­st am Chorgestüh­l.“Nie hätte die 28-Jährige gedacht, wie sehr sie sich in diese Stadt verlieben würde als gebürtige Kölnerin. „Darauf ein Helles,“und bevor sie das Glas hebt, prüft sie mit Kennerblic­k Schaum, Farbe und Perlung des Bieres.

 ?? FOTOS: PRIVAT/IMAGO ?? Hopfen und Malz in weiblicher Hand: Ob als Hopfenbäue­rin, Brauerin oder als Biersommel­ière – Frauen wie Daniela Blomoser aus der Hallertau (oben) oder Charlotte Müller vom Hopfengut NO.20 in Tettnang (unten) widmen sich dem traditions­reichen Getränk.
FOTOS: PRIVAT/IMAGO Hopfen und Malz in weiblicher Hand: Ob als Hopfenbäue­rin, Brauerin oder als Biersommel­ière – Frauen wie Daniela Blomoser aus der Hallertau (oben) oder Charlotte Müller vom Hopfengut NO.20 in Tettnang (unten) widmen sich dem traditions­reichen Getränk.

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