Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mit kleinen Tricks gegen das große Frösteln

Wollpulli, Mütze und warme Getränke helfen – Wie sich das Kälteempfi­nden des Körpers verändern lässt

- Von Ricarda Dieckmann und Simone A. Mayer ●

Wo sich die eine richtig wohlfühlt, zieht sich der andere lieber noch einen dicken Pullover über. „Bei der Kälteempfi­ndlichkeit gibt es individuel­l sehr große Unterschie­de“, sagt Ralf Brandes, Professor für Physiologi­e an der Goethe-universitä­t in Frankfurt. Damit vertritt er einen Bereich der Medizin, der sich mit den normalen Funktionen des Körpers beschäftig­t.

Gibt es Tricks, mit denen wir unser Kälteempfi­nden verändern können? Gerade mit Blick auf die Wintermona­te, in denen viele aufgrund der hohen Kosten die Heizung nicht voll aufdrehen wollen. Die gute Nachricht lautet: Ja, die gibt es. Und sie haben mit Thermoreze­ptoren im Körper zu tun, die dafür sorgen, dass wir Wärme und Kälte wahrnehmen. Sie erzeugen Nervenimpu­lse in Abhängigke­it von der Temperatur. So melden sie unserem Gehirn, ob unsere Umgebung – oder etwas, das wir berühren – kalt oder warm ist.

Die Thermoreze­ptoren sitzen aber nicht nur in der Haut, sondern auch in unserem Körper. Und das kann man sich zunutze machen.

„Wenn man etwas Heißes trinkt, bedeutet das nicht, dass sich der gesamte Körper aufwärmt“, sagt Brandes, der auch Generalsek­retär der Deutschen Physiologi­schen Gesellscha­ft ist. „Sondern nur, dass Wärmerezep­toren im Bauch angesproch­en werden, unser Gehirn reizen und eine Reaktion auslösen.“So bekommen wir das Gefühl, unser Körper sei warm. Doch in Wirklichke­it haben wir nur warme Flüssigkei­t im Magen. Dasselbe Prinzip gilt, wenn man sich mit einer Wärmesalbe einschmier­t oder ein scharfes Curry isst. Denn die Hitzerezep­toren reagieren auch auf Pfeffer und Chili. Als Folge vermelden sie Wärme, obwohl sich an der Kerntemper­atur des Körpers nicht wirklich etwas getan hat.

Manchmal ist es auch unsere Umgebung, die für Unterschie­de in unserem Temperatur­empfinden sorgt. „Alles, was dafür sorgt, dass wir mehr Wärme verlieren, lässt uns dann schneller frieren“, sagt Brandes. Ein Beispiel dafür ist Zugluft. In einer windstille­n Umgebung bildet sich um den Körper eine Wärmeschic­ht. Kommt nun Wind auf, weht die warme Luft um den Körper weg – ganz plakativ gesagt. Wir frieren schneller. Dieses Phänomen ist auch als Windchill-effekt bekannt.

Zumindest zu Hause kann man versuchen, diesen Effekt einzudämme­n. So kann man zum Beispiel ein undichtes Fenster abdichten, durch das ein kaum bemerkbare­r Luftstrom die Haut kühlt. Die gemeinnütz­ige Beratungsg­esellschaf­t „co2online“rät etwa, die Spalten zwischen Fenster und Rahmen mit einem Schaumdich­tungsband oder einer Gummidicht­ung aufzufülle­n. Auch Haustüren lassen oft kalte Luft durch. Ein Türstopper, etwa eine Stoffschla­nge, ist eine Lösung. Sie muss aber immer wieder hin- und weggelegt werden. Eine Gummilippe, die man unten an der Tür anbringt, oder der sogenannte Kältefeind, sind praktische­re Alternativ­en.

Manchmal kann es schon helfen, sich an einen anderen Ort im Zimmer zu setzen: Laut Umweltbund­esamt fühlt sich ein Mensch wohler, je näher die eigene Körpertemp­eratur der Temperatur der Raumfläche­n um ihn herum ist. Das fühlt man im Winter zum Beispiel, wenn man neben einem kalten Fenster sitzt: Hier fühlt man sich schnell unbehaglic­her als im Rest des beheizten Raumes.

Übrigens: Man kann sein Kälteempfi­nden durchaus trainieren. Ein Tipp, den man in diesem Zusammenha­ng oft liest: kalt duschen. „Das härtet sicherlich ab und hat auch verschiede­ne positive Effekte auf die Gesundheit“, sagt Brandes. Ob jedoch kurzes, kaltes Duschen das Kälteempfi­nden nachhaltig reduziert, ist nicht untersucht. An Kälte kann sich der Körper nur gewöhnen, wenn er ihr regelmäßig ausgesetzt ist. Aber es gibt Grenzen. „Wenn die Temperatur im Körperkern absinkt, müssen wir unweigerli­ch frieren, damit wir nicht erfrieren“, sagt Ralf Brandes. Das zeigt sich etwa in Form von Muskelzitt­ern, durch das der Körper Wärme produziert.

Wichtig ist deshalb auch, den Wärmeverlu­st des Körpers in Grenzen zu halten. Und dabei hilft schon eine Mütze entscheide­nd. Denn: Die Temperatur des Gehirns ist mit durchschni­ttlich 38,5 Grad etwas höher als die durchschni­ttliche Körpertemp­eratur. Eine Mütze ist schnell aufgesetzt – und sorgt dafür, dass wir weniger Wärme über den Kopf verlieren.

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FOTO: OLE SPATA/DPA Eine Tasse Tee tut gut, obwohl die heiße Flüssigkei­t nur den Magen, nicht den ganzen Körper wärmt.

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